Aus Sicht der Begünstigten waren Meilensteine sicherlich unsere 100. Schule, das 1'000. Kinderleben gerettet zu haben und als einer unserer Alumni zum jüngsten Parlamentarier in Myanmar gewählt wurde. Operationell war die Registrierung unserer Organisation in Myanmar ebenfalls ein Meilenstein sowie die Schaffung eines Managementteams vor fünf Jahren.

Hatten Sie denn nie schlaflose Nächte, weil Sie nicht mehr weiterwussten?

Die schlaflosen Nächte gibt es noch immer. Aber die Gründe dafür haben sich verändert. Früher ging es eher um die Existenz der Stiftung und um die Stabilisierung der Struktur und um Geldbeschaffung.

Heute lassen mich eher Personalfragen und die politische Situation in «unseren» Ländern nicht schlafen. Generell ist es aber viel besser geworden. Es sind ja schon fast 50 Leute, die hier mittragen und schauen, dass es weitergeht.

Sie sind auf Spenden angewiesen. Worauf kommt es an, wenn man Leute von Child's Dream überzeugen will?

Unser Fundraising-Konzept ist vermutlich einzigartig. Als Private Banker habe ich seinerzeit gelernt, Geduld zu haben, Beziehungen und Vertrauen aufzubauen, auch wenn anfänglich nichts dabei herausschaut. Dran zu bleiben und durch Zuverlässigkeit und Qualität zu glänzen – das ist wichtig. Das geht natürlich nur bei finanziell starken Spendern, die auch tiefe Taschen haben. Über die Zeit sind Freunde zu Spendern und Spender zu Freunden geworden.

«Ein Paycheck von 20'000 Franken im Monat würde unsere Zufriedenheit nur zerstören»

Insofern ist Child’s Dream nicht mein Job, sondern mein Leben. Diese Identifikation mit der Sache hilft, immer neue Menschen zu überzeugen. Zudem achten wir auf extrem tiefe Administrationskosten von rund 5 Prozent. Oder anders gesagt: 95 Cents kommen direkt bei den Begünstigten an.

Wo und wer sind Ihre Spender?

Geographisch sind wir weltweit diversifiziert, obwohl nach wie vor ein Viertel der Spenden aus der Schweiz kommt. Je nach Jahr sind es aber auch mal 50 Prozent aus Hongkong, Singapur, Japan und Australien. Als Ex-Banker ist uns Diversifikation extrem wichtig; wir achten sehr darauf, keine Klumpenrisiken aufzubauen.

Ist es das schlechte Gewissen reicher Leute, das Ihnen hilft, an Spenden zu kommen?

Nein das glaub' ich nicht. Das war wohl früher der Fall, weil man damals einfach etwas Gutes tun wollte und einen Check ausstellte. Heute sind sehr viele Spender extrem engagiert in der Philanthropie und wollen genau wissen, was mit ihrem Geld geschieht.

Entsprechend ist das Wissen um unsere Industrie heute sehr viel grösser als früher. Es besteht auch ein Bedürfnis, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Hier kommt sicher auch das eingangs erwähnte Gefühl der Sinnlosigkeit ins Spiel. Oder anders ausgedrückt: Mit Philanthropie kann man gewissermassen seinem Leben einen Sinn verleihen. Ich kenne heute viel Leute, denen es einfach Spass macht, zu teilen und zu geben. Sie tun das nicht wegen ihres schlechten Gewissens.

Ihr Hilfswerk hat eine Grösse erreicht, die Sie zwingt, betriebswirtschaftlich zu agieren. Wie sind Sie organisiert, wie transparent ist die «Firma» Child's Dream?

Hier unterscheiden wir uns in gar nichts von gewinnstrebenden Unternehmen. Mehr noch. Für uns muss Transparenz und Effizienz noch einen viel höheren Stellenwert haben, da wir unser Geld nicht «verdienen», sondern gespendet bekommen. Demzufolge ist die Rechenschaft darüber noch stärker zu gewichten.

Auf der Kostenseite haben wir das voll im Griff. Wir geben, wie gesagt, lediglich rund 5 Prozent unserer Spenden für die Administration aus. Im Vergleich dazu geben in der Schweiz bei der Zewo registrierte Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) ungefähr 20 Prozent dafür aus. Zudem sind unsere «Bücher» revidiert und auf unserer Webseite einsehbar. Allerdings ist das nur «Papier». 

Viel wichtiger ist uns, dass sich die Spender auch persönlich engagieren, uns besuchen, mit unseren Mitarbeitern interagieren und mit uns mitreisen. Dadurch lernt man sich kennen, schlägt Brücken und schafft Vertrauen.

Fühlen Sie sich heute nicht wieder als Manager?

Natürlich sind wir beide heute wieder Manager, aber wir «managen» etwas sehr Emotionales, und diese Herausforderung kann man nicht mit einem Job in der Privatwirtschaft vergleichen. In unserem Umfeld kann man Mitarbeitende nicht mit Geld motivieren. Dafür fehlen schlichtwegs die nötigen Mittel, und die Einstellung unserer Leute ist auch ganz anders als in der Finanzbranche.

«Wir zahlen uns ein Monatssalär von 1'000 Franken und sind hochmotiviert»

Und weil die Löhne in unserer Branche sehr tief sind, muss man sich als Manager einiges einfallen lassen und dafür sorgen, einen «Sinn in der Arbeit» zu schaffen. Im Gegensatz dazu kauft die Finanzbranche eine Arbeitsleistung zu sehr hohen Kosten ein. Identifikation, Motivation, Happiness sind dabei nicht so wichtig. Geld ist der Motor.

Bei uns ist das unvorstellbar. Daniel und ich sind die lebenden Beispiele dafür: Wir zahlen uns ein Monatssalär von 1'000 Franken und sind hochmotiviert. Ein «Paycheck» von 20'000 Franken im Monat würde unsere Zufriedenheit nur zerstören.

Ist karitative Hilfe nicht bloss ein Tropfen auf den heissen Stein?

Natürlich ist es das! Es kommt bloss darauf an, ob man sich zum Ziel gesetzt hat, ganze Systeme zu verändern, oder ob es darum geht, Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Wenn es um Kinder geht, dann ist es ohnehin nie ein Tropfen auf den heissen Stein, etwa wenn man dazu beitragen kann, eine lebensrettende Herzoperation zu ermöglichen. Für diese Patienten und deren Eltern ist das wie ein neues Leben. Das ist weit davon entfernt, ein Tropfen auf den heissen Stein zu sein.

Children 510

Systemrelevant sehen wir, wie viele unserer Alumni heute in einflussreichen politischen und wirtschaftlichen Positionen sitzen und durch ihr Erlerntes nicht nur für sich, sondern für ganze Regionen und Staaten ein Veränderung bewirken können. Generell ist es eine langwierige Angelegenheit, in Ausbildung zu investieren. Doch die schiere Masse an Kindern in unseren insgesamt 400 Schulen und die damit verbundene Ausbildung verändern eine Gesellschaft nachhaltig.

Wenn Sie zurückblicken, was würden Sie heute anders machen?

Gar nichts! Ausser vielleicht mich während meiner Bankerjahre finanziell noch etwas gezielter zu optimieren. Unsere heutige Arbeit ist zwar weit entfernt von der Bankenwelt, doch auf ein sicheres und angenehmes Leben will man trotzdem nicht ganz verzichten. Da helfen die Ersparnisse von früher. Doch Glück und Erfüllung sind eine Holschuld, und darum muss man sich selber darum kümmern.

Ich empfehle allen Freunden und Bekannten, mutig zu sein und Veränderungen als Chancen zu sehen. Wir alle können fliegen! Es kommt bloss darauf an, auf welcher Höhe und bei welchem Tempo man dabei glücklich wird.


Bevor die beiden Schweizer Marc Jenni und Daniel Siegfried im Non-Profit-Sektor aktiv wurden, waren sie in der Bankbranche tätig. Während ihrer Reisen in Asien wurden sie mit den wirtschaftlichen und sozialen Problemen des Kontinents konfrontiert. Im Jahr 2003 kündigten sie ihre Stellen, um die Child’s Dream Association im thailändischen Chiang Mai zu gründen. Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige Schweizer Organisation und Stiftung, die zum Ziel hat, benachteiligte Kinder, Jugendliche und Gemeinschaften in der Mekong-Subregion, die Myanmar, Laos, Thailand und Kambodscha einschliesst, zu unterstützen. 

Diese Region ist bekannt für Opiumanbau, Korruption sowie Drogen- und Menschenhandel. Entsprechend sind die Menschen in der Region Armut, Krankheiten, sexueller Ausbeutung und politischer Verfolgung ausgesetzt. Child's Dream verfolgt hauptsächlich folgende Ziele: Reduktion der Kindersterblichkeit sowie Verbesserung von Gesundheit, Erhöhung des Zugangs zu qualitativ hochwertiger Bildung und die Ausbildung von Führungspersonen und Fachkräfte, welche die Entwicklung ihres Landes vorantreiben.