Unsere Natur – lieb und teuer. Möglichkeiten und Grenzen privater Finanzierung
Die Schweizer Berge verdeutlichen sehr gut, wie Nutzen und Risiko zwei Seiten derselben Medaille sind: Auf der einen Seite feierte der Schweizer Tourismus erst einen historischen Rekord, auf der anderen stehen die Schäden durch den Bergrutsch in Brienz wie auch beim Bergsturz in Blatten. Natur ist eben – neben vielen anderen Dingen – sowohl «Rohstoff» für die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten als auch ein Risikofaktor für die Wirtschaft. Die Wahrnehmung dieser an sich nicht neuen oder überraschenden Erkenntnis ändert sich gerade grundlegend.
Natur als Risiko
Da ist zum einen das Rundschreiben 2026/01 der Finma, welches im Dezember 2024 veröffentlicht wurde und ihre Aufsichtspraxis zum Management von klima- und weiteren naturbezogenen Finanzrisiken konkretisiert. Das Rundschreiben, das nicht nur für Banken, sondern auch für Versicherer gilt, tritt stufenweise ab dem 1. Januar 2026 in Kraft. Es geht bewusst und angelehnt an internationale Rahmenwerke über das schon länger bekannte Thema Klima hinaus. Es soll helfen, «[…] die Resilienz der Beaufsichtigten gegenüber diesen Risiken zu stärken und damit auch deren Kundinnen und Kunden so-wie den Finanzplatz Schweiz zu schützen.»
«Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.»
Charles Darwin
Natur als Chance
Die Natur ermöglicht aber auch ökonomische Chancen. Eine wesentliche Grundlage dafür ist das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, das die Schweiz – wie auch 195 andere Staaten– im Dezember 2022 unterzeichnet hat. Die Schweiz hat sich damit verpflichtet, den Natur- und Biodiversitätsverlust zu stoppen, der unter anderem durch nicht nachhaltige Landnutzung, Verschmutzung und den Klimawandel verursacht wird. Um diesem Druck auf die Schweizer Natur etwas entgegenzusetzen, bedarf es entsprechender Investitionen.
Was bis jetzt allerdings gefehlt hat, war eine Quantifizierung des dafür notwendigen Finanzierungsbedarfs. Diese Lücke schliesst nun eine Studie, welche Swiss Banking mit der globalen Unternehmensberatung Boston Consulting Group gemeinsam erarbeitet hat. Damit wird erstmals eine quantitative Faktengrundlage für die Diskussion und Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern, Finanzinstituten und anderen Interessengruppen geschaffen.
Investitionsbedarf für die Schweiz steigt
Um ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen, sind zum Schutz von Natur und Biodiversität in der Schweiz bis 2050 jährliche Investitionen in der Höhe von 5,3 Milliarden Franken erforderlich. Bei den zehn Handlungsfeldern beziehungsweise Finanzierungsbereichen, die im Rahmen der Studie als die wichtigs-ten für die Widerstandsfähigkeit der Natur identifiziert wurden, stammen nach aktueller Regelung 85 Prozent aus öffentlichen Mitteln. Gründe für diese hohe Zahl sind der hohe Anteil öffentlicher Vermögenswerte sowie die begrenzte wirtschaftliche Rentabilität vieler Massnahmen. So gehören denn auch zu den grössten Finanzierungsbereichen – mit über 75 Prozent des Gesamtbedarfs –die Wasser-/Abwasserinfrastruktur sowie die regenerative Landwirtschaft.
Die Herausforderung liegt nun in der Differenz zu den aktuellen jährlichen Ausgaben, die sich auf schätzungsweise 3,2 Milliarden Franken pro Jahr belaufen. Um diese zusätzlichen 2,1 Milliarden Franken pro Jahr – ein Anstieg von rund 66 Prozent gegenüber dem heutigen Niveau – zu stemmen, erscheint es in Anbetracht der mindestens mittelfristig angespannten öffentlichen Finanzen unerlässlich, mehr private Mittel für die Erreichung der Naturziele der Schweiz zu mobilisieren.
«Marktwirtschaftliche Mechanismen können helfen, privates Kapital ins Spiel zu bringen.»
Herausforderungen, Möglichkeiten und Grenzen
Damit die Schweizer Banken in Zukunft dieses Kapital in grösserem Umfang bereitstellen können, gibt es zuerst einige Hürden zu überwinden: Es bedarf einerseits stärkerer Nachfragesignale, einer Pipeline investierbarer Projekte, einheitlichere Daten sowie gemeinsame Benchmarks als Richtschnur für künftige Massnahmen. Andererseits stellen die bereits erwähnten begrenzten finanziellen Erträge bei Investitio-nen in Naturkapital, fragmentierte Metriken und ein Mangel an standardisierten Rahmenwerken eine grosse Herausforderung dar.
Marktwirtschaftliche Mechanismen können helfen, privates Kapital ins Spiel zu bringen. Etwa durch Blended Finance, das Risiken in frühen Projektphasen abfedert. Oder durch private Kofinanzierungen bei öffentlichen Investitionen – wie in Infrastrukturen oder Services mit stabilen Erträgen.
Banken können bei der grünen Transformation einiges beitragen. Etwa mit grünen Krediten und Anleihen oder mit Beratung für KMU, die beim Thema Nachhaltigkeit noch wenig Kapazität haben. Auch Partnerschaften im Ökosystem helfen, Projekte überhaupt finanzierbar zu machen. Doch die direkten Hebel der Banken bleiben begrenzt.
Finanzierungsmöglichkeiten für die Naturtransition in der Schweiz
Zusätzliche Investitionen in Wasserinfrastruktur und regenerativer Landwirtschaft erforderlich