Florence Schnydrig Moser: «Ab einer Million beginnt für uns Private Banking»

Frau Schnydrig, mit über 90 Milliarden Franken an verwalteten Vermögen gehört die Zürcher Kantonalbank (ZKB) inzwischen zu den zehn grössten Privatbanken der Schweiz. Seit wann ist das der Fall?

Grundsätzlich verzichten wir darauf, regelmässig Zahlen zum Wachstum einzelner Geschäftseinheiten zu veröffentlichen. Dieses Jahr haben wir erstmals eine Zahl genannt – und da sind wir nun bei über 90 Milliarden Franken. Als ich vor bald fünf Jahren begonnen habe, waren es rund 55 Milliarden. Man sieht also, dass die Grössenordnung heute eine ganz andere ist.

Das ist ein grosser Anstieg. Allein mit der Marktentwicklung ist das kaum erklärbar. Sie haben also Marktanteile gewonnen.

Das kann man sicher so sagen. Traditionell ist die ZKB in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem eine Retail- und Corporate Bank. Das Private Banking war zwar schon vorher da, mein Vorgänger hatte auch eine Private-Banking-Boutique, aber wir sind im Markt nicht gleich stark wahrgenommen worden. In den letzten vier bis fünf Jahren haben wir deshalb sehr viel Wert auf externe Positionierung gelegt – mit Marketing, Auftritten und Medienpräsenz. Gleichzeitig wirken zunehmend auch die Mund-zu-Mund-Empfehlungen: Je mehr Kunden wir haben, desto mehr sprechen diese mit anderen darüber. 

Welcher Anteil des Wachstums ist durch den Untergang der Credit Suisse zu erklären?

Natürlich haben wir die Unsicherheiten im Markt gespürt. In solchen Phasen gewinnen die Kantonalbanken traditionell an Vertrauen. Aber die Abflüsse bei der Credit Suisse haben sich auf viele Institute verteilt.

«Dass wir über dem Markt gewachsen sind, lag auch an unserer klaren Positionierung.»

Es gibt im Private Banking trotz Konsolidierung der letzten Jahre immer noch rund 80 Anbieter – die Konkurrenz ist stark. Dass wir über dem Markt gewachsen sind, lag nicht nur am Umfeld, sondern auch an unserer klaren Positionierung.

Hilft Ihnen die Diskussion über eine mögliche Verlagerung des UBS-Hauptsitzes ins Ausland?

Das habe ich bisher nicht wahrgenommen.

Worin liegt Ihre strategische Handschrift in den vergangenen bald fünf Jahren?

Der erste Schritt war für mich eine neue Fokussierung der Geschäftseinheit Private Banking. Im Rahmen dieser Anpassung haben wir unsere Relation-Management-Teams, die vorher an 15 verschiedenen regionalen Standorten tätig waren, am Hauptsitz an der Bahnhofstrasse zentralisiert. Dort ist die für das Private Banking relevante Expertise viel direkter verfügbar: Wealth-Planning-Expertinnen und -Experten, die Kredit-Expertise und die Immobilien-Expertise. Diese Zentralisierung bedeutet aber nicht, dass die Kundschaft ihre Beraterinnen und Berater nicht weiterhin auch in den Filialen treffen kann, das ist unverändert an sämtlichen Standorten möglich. Aber im höheren Segment ergab es Sinn, die Kräfte zu bündeln und die Stärken zusammenzuführen.

Und wo verläuft heute die Grenze?

Wir hatten eine Schwelle definiert, die bisher bei 3 Millionen Franken lag und die wir nun auf 5 Millionen anheben werden. Ab dieser Grenze arbeiten die Beraterinnen und Berater am Hauptsitz, reisen jedoch selbstverständlich zu unseren Kundinnen und Kunden in der gesamten Schweiz. Viele lassen sich jedoch trotzdem sehr gerne bei uns am Hauptsitz beraten. Mitarbeitende, welche die Kundschaft von 1 bis 5 Millionen betreuen, tun dies zusätzlich zum Hauptsitz von sechs Standorten aus, die über den Kanton Zürich verteilt sind – auch für sie gilt derselbe Reisegrundsatz.

Genau dieses Segment rund um eine Million gilt oft als «zwischen Stuhl und Bank»: zu gross für Retail, aber noch nicht attraktiv genug fürs klassische Private Banking. Was ist Ihre Sicht?

Ich würde dem klar widersprechen. Dieses Segment ist sehr wichtig – für uns als Bank, aber auch für die Kundinnen und Kunden selbst. Denn viele Schweizerinnen und Schweizer bewegen sich in dieser Vermögensklasse. Und auch hier ist es zentral, dass man die richtigen finanziellen Entscheidungen trifft. Viele dieser Kundinnen und Kunden haben ein Eigenheim oder Kredite und profitieren von unseren Wealth-Planning-Fähigkeiten wie Finanzplanung, Steuer- oder Erbschaftsberatungen.

«Über alle Segmente gesehen wollen wir als nahe Bank bodenständig bleiben.»

Mit diesem umfassenden Dienstleistungsangebot begleiten wir die Kundschaft durch alle Lebensereignisse. Zudem haben die allermeisten Kundinnen und Kunden in diesem Segment kein Family Office, keine professionelle Begleitung. Das unterscheidet sie von Ultra-High-Net-Worth-Kunden. Hier können wir als ZKB einen grossen Mehrwert generieren, wenn wir die richtigen Expertinnen und Experten an den Tisch holen. Ab 1 Million Franken frei investierbares Vermögen gehört man bei uns zur Private-Banking-Kundschaft. Über alle Segmente gesehen wollen wir als nahe Bank bodenständig bleiben, bescheiden auftreten und das bestmögliche Beratungserlebnis liefern.

Das war der erste Schritt. Welche weiteren folgten?

Der zweite Schritt war, über die verschiedenen Marktgebiete im Kanton Homogenität zu schaffen, sprich eine bessere Standardisierung über die Gebiete hinweg zu erreichen. Wir haben neu Filialgruppen definiert und für die verschiedenen Rollen eine klare Aufgabenteilung geschaffen: Wer ist für die Kundenhalle zuständig, wer für Support-Einheiten, wer für den Verkauf. So haben wir Strukturen verändert und Prozesse homogenisiert. Dies hat die Basis geschaffen, neu ab Mitte November die Marktgebiete auf drei zu reduzieren. Ein dritter wichtiger Schritt war die Zusammenlegung des International Private Banking mit dem Geschäft der externen Vermögensverwalter (EVV) im Jahr 2023. Auch bei Letzteren handelt es sich teilweise um Cross-Border-Geschäfte. Indem wir die beiden Bereiche zusammengelegt haben, konnten wir effizienter werden und die Risiken besser managen. Das war für mich ein entscheidender Schritt.

Das Geschäft mit externen Vermögensverwaltern haben Sie also ins internationale Private Banking integriert. Welche weiteren Akzente haben Sie gesetzt?

Ein wichtiger Schritt war für uns die Freistellung in Deutschland. Seit Anfang 2023 sind wir dort mit BaFin-Erlaubnis aktiv. Das hat uns viele neue Möglichkeiten eröffnet: Wir dürfen Marketingkampagnen durchführen, Anlage-Events organisieren und Kundinnen und Kunden sowie Interessenten direkt vor Ort einladen. Deutschland ist für uns ein sehr wichtiger Markt – und es ist der Markt mit dem grössten Wachstumspotenzial.


Lesen Sie auf den nächsten Seiten, wie das ZKB-Private-Banking im Ausland wächst und warum der Zürcher Markt hart umkämpft ist.