Die Zeit im Home­office war auch eine Periode, in der man persön­licher mitein­ander kommu­ni­zierte. Selbst die CEOs der grössten Schweizer Banken gaben sich plötzlich sehr menschlich, wie finews.ch-Mitgründer Claude Baumann im Interview mit der Webseite fundplat.com feststellt.


Herr Baumann, Sie sind ein profunder Kenner der Schweizer Finanz­medien, schreiben viel und leiten das bekann­teste Finanz­portal unseres Landes. Wie erleben Sie als Unter­nehmer die Krise?

Im heutigen Ausmass war die Krise natürlich auch für uns eine riesige Über­raschung. Allerdings war ich im Februar noch in Singapur, wo ich – damals trug ich zum ersten Mal auch eine Gesichts­maske – ziemlich klar erkennen konnte, was sich da zusammen­brauen würde.

Insofern waren wir dann Mitte März in der Schweiz sehr rasch in der Umstellung auf Home­office und konnten so den Betrieb reibungslos fort­führen. Das war wichtig, denn die Zugriffs­zahlen sind fast über Nacht massiv gestiegen, so dass wir erstmals mehr als 500‘000 Lese­rinnen und Leser verzeichnen konnten.

Die Erlöse aus Anzeigen sind bestimmt stark zurück­gegangen. Konnte Ihr Haus mit anderen Einnahmen gegen­steuern?

Glücklicher­weise blieb uns dieses Schicksal erspart. Wir haben bis heute keine Ertrags­einbrüche erlitten – im Gegen­teil. Wir hatten eine bereits gut gefüllte Auftrags­pipe­line und haben den Kunden gesagt, dass die Welt sich auch mit Corona weiter­dreht.

«Asien ist das Salz in der (Nudel-) Suppe!»

Sprich: Wir haben unsere Marke­ting­akti­vitäten massiv ausgebaut und neue Werbe­formate lanciert. Wir waren – und sind – für unsere Klientel da. Die Zeit im Home­office war auch eine Periode, in der man persön­licher mitein­ander kommu­ni­zierte. Das war etwas Spezielles und hat uns sehr geholfen.

Finews ist nicht nur in Zürich präsent, sondern auch in Singapur und Hongkong. Würden Sie den Sprung nach Asien nochmals wagen?

Aber sicher. Asien ist das Salz in der (Nudel-) Suppe! Das Wachstum von morgen findet in Asien statt, und das hat entsprechend sehr viel mit der Finanz­branche zu tun.

«Das ist zweifels­ohne ein histo­risches Dokument, das uns immer an diese verrückte Zeit erinnern wird»

Dank der heute verfüg­baren techno­logischen Mittel (Slack, Zoom, Whatsapp) konnten wir die ganze Zeit mit unseren Kolle­ginnen und Kollegen in Singapur und Hongkong in Kontakt bleiben. Und natürlich freue ich mich schon jetzt, wieder dorthin zu reisen.

Wenn Sie zurückblicken: Welche Story der letzten Wochen werden Sie nie vergessen?

Das ist natürlich unser Artikel in Wort und Bild (!) über insgesamt 31 Schweizer Bank-CEOs, wie sie in ihrem persön­lichen Home­office arbei­teten. Die Idee war am Anfang eher ein Spleen bis sich dann immer mehr Chefs teilweise von selber gemeldet haben, um auch mitzu­machen.

Das ist zweifels­ohne ein histo­risches Dokument, das uns immer an diese verrückte Zeit erinnern wird – und manchen Bank­managern für einmal auch «mensch­liche Züge» verliehen hat.

Haben Sie neue Ideen in der Schublade oder ist vorerst Konso­lidierung angesagt?

Vordringlichstes Ziel ist und bleibt, keine Kurz­arbeit einzu­führen und aus eigener Kraft über die Runden zu kommen, was einer­seits einen diszipli­nierten Umgang mit den Kosten bedingt, und anderer­seits uns zwingt, gute Erträge zu gene­rieren.

«Ich sage dem vernünftig leben»

Alles in allem: Wir sind nicht untätig geblieben und geben enorm viel Gas. Inhaltlich möchten wir den Bereich finews.life weiter ausbauen, wo wir Themen wie Work-Life-Balance, Karriere, Aus- und Weiter­bildung sowie Neudeutsch «Mindfulness» – ich sage dem «vernünftig leben» – aufgreifen. Das inte­ressiert unsere Leser­schaft enorm, wie dies die hohen Zugriffs­zahlen belegen.


Claude Baumann ist Mitgründer und CEO von finews.ch sowie von finews.asia in Singapur. Er arbeitete früher für «Die Weltwoche» und «Finanz und Wirtschaft». Er war ebenfalls Mitgründer des Schweizer Literaturverlags Nagel & Kimche und lancierte das Geschäftsreisemagazin «Arrivals». Darüber hinaus hat er mehrere Bücher über die Finanzbranche publiziert, zuletzt eine Biographie über Robert Holzach.

Das Interview führte Thomas J. Caduff. Er ist ein langjähriger Unternehmer und Publizist. Er betreibt die B2B-Medien- und Event-Plattform fundplat.com, die auf Fonds und Exchange Traded Funds (ETF) spezialisiert ist.