finews-Event: KI im Banking: Wer gewinnt den Wettlauf?
Die Künstliche Intelligenz ist im Bankensektor angekommen – aber noch längst nicht produktiv. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung von Liechtenstein Finance und finews diskutierten drei Insider über Use Cases, regulatorische Klippen und das nächste grosse Ding.
Rund 130 Gäste folgten am Dienstagabend der Einladung von Liechtenstein Finance und finews.ch zu einem Expertengespräch über Künstliche Intelligenz (KI) im Banking.
Die Diskussion im Zunfthaus zur Meisen offenbarte: Die Euphorie rund um KI ist gross – der Weg zur echten Transformation aber steinig.
Vom «Wow-Effekt» zur Realität
Simon Gomez, Head of Data & Innovation bei der LGT, führte mit einer Keynote in die Thematik ein. «Wir haben Jahrzehnte damit verbracht, zu lernen, wie man mit Maschinen spricht – jetzt haben Maschinen gelernt, mit uns zu sprechen», erklärte Gomez mit einem Zitat des Cisco-CIO Fletcher Previn.
Doch der Hype rund um generative KI wie ChatGPT sei nur die eine Seite: «Der Produktivitätsgewinn lässt sich vielerorts noch nicht abbilden – wir befinden uns auf dem Weg in ein Tal der Ernüchterung», wie es typisch für Hype-Zyklen sei.
Gelebte Praxis statt Technologie-Push
Um dieses Tal der Ernüchterung möglichst zu umgehen, habe LGT von Anfang nicht auf den «Technology Push» gesetzt, sondern die Business-Seite einbezogen, um konkrete Anwendungen zu entwickeln. Der Fokus: Mitarbeiter befähigen, Prozesse durch intelligente Agenten effizienter zu gestalten.
Im Kern stehen dabei Anwendungen, welche die Kundenberater dazu befähigen, die Kunden besser zu beraten.
Beratung als Königsdisziplin
Nach diesen Einblicken in die KI-Strategie der LGT nahm das Panel, moderiert von finews-Gründer- und -Herausgeber Claude Baumann, die drängendsten Fragen zur Anwendung von KI im Bankenwesen auf.
Für Manuel Grenacher, Gründer und CEO des Startups Unique, liegt der disruptive Hebel von KI in der Hyperpersonalisierung – vor allem in der Kundenberatung. «Perplexity AI liefert heute schon Antworten auf einem Niveau, das einem Standard-Analysten ebenbürtig ist. Der Kunde kommt künftig mit mehr Knowhow in die Beratung – Banken müssen aufholen.»
Disruption bei Backoffice und Compliance
Unique entwickelt auf Banken zugeschnittene KI-Assistenten. Gerade für kleinere Institute seien die Investitionen, die es braucht, um KI-Lösungen zu entwickeln, alleine nicht zu stemmen.
Die stärksten Effekte sieht Grenacher mittelfristig bei administrativen Tätigkeiten, etwa im Backoffice oder bei regulatorischer Dokumentation. «Viele dieser Aufgaben sind bereits ausgelagert – künftig übernimmt sie KI.»
Empathie bleibt im Private Banking zentral
Gleichzeitig sieht er aber auch klare Grenzen. Im Sales-Bereich bleibe Empathie die eigentliche Kernkompetenz, die sich keine AI anlernen könne.
François Rüf, ehemaliger Digitalchef der Bank Vontobel und Mitgründer von WorldReplica AI, betonte die Notwendigkeit echter Performancegewinne. «Ein Krieg im Nahen Osten – da sollte man als Bankkunde doch grad am Morgen ein Briefing zur Auswirkung auf das eigene Portfolio erhalten. Da liegt noch viel brach.»
Sein Start-up entwickelt KI-basierte Strategieassistenten für Banken und Industrieunternehmen.
Agenten und Algorithmen
Einigkeit herrschte auf dem Podium über das «Next Big Thing»: Agentic AI. «Generative KI liefert Texte – Agenten handeln», sagte Grenacher. Statt lediglich Informationen zusammenzufassen, könnten AI-Agenten künftig wie virtuelle Mitarbeitende Aufgaben ausführen, sich gegenseitig koordinieren und bestehende Systeme bedienen.
Rüf ergänzte: «Sobald KI ihre Algorithmen selbst optimiert, wird das transformative Potenzial real.» Die Podiumsteilnehmer rechnen aber damit, dass es wohl zehn bis fünfzehn Jahre dauere, bis die agentische AI im Bankenumfeld Fuss fasst. Derzeit seien noch alle Banken daran, erst einmal die generative AI zu verdauen.
Regulatoren schauen genau hin
Wie offen sich Banken gegenüber den KI-Innovationen zeigen, ist laut LGT-Mann Gomez auch eine Frage regulatorischer Schranken. «Die Aufsichtsbehörden – von Singapur bis Liechtenstein – wollen vor allem eines: Erklärbarkeit.»
Blackbox-Systeme hätten im regulierten Umfeld keinen Platz. Die Bank müsse in der Lage sein, den Regulatoren zu erklären, wie die KI beispielsweise zu einer bestimmten Portfolio-Allokation für einen Kunden komme.
Harter Wettlauf
Was bleibt von dem Abend? Die anfängliche Begeisterung für KI mag etwas abgeflaut sein – die Praxiseinblicke von LGT, Unique und WorldReplica zeigen aber, dass der harte Wettlauf um die Erschliessung der Potentiale begonnen hat.
Bankkunden von Retail bis Affluent und HNWI werden eine dramatische Verbesserung von Anlagedienstleistungen erleben. An der Kundenfront, vor allem bei sehr vermögenden Kunden, bleibt der Relationship Manager aber eine Schlüsselperson.
Die Geschwindigkeit und Qualität, mit der Schweizer Banken KI für sich nutzbar machen, wird entscheidend sein für ihre künftige Wettbewerbsposition. Denn die internationale Konkurrenz – sei es von Pure Playern aus der KI oder von Neobanken wie Revolut – schläft nicht.