Die Krise rund um das grassierende Coronavirus hat das Arbeitsleben in die eigenen vier Wände verlagert. Das fordert neben dem ganzen Komfort, den Homeoffice bringt, auch einen unangenehm hohen Tribut.

Haben Sie langsam genug vom Homeoffice? Kommen die Wände langsam näher? Der Chef und die Kinder auch? Dann geht es Ihnen so wie wahrscheinlich sehr vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Um die Ausbreitung des potentiell tödlichen Coronavirus so gut wie möglich einzugrenzen, haben die Banken grosse Teile der Angestellten nach hause geschickt. Eine grosse Kantonalbank beispielsweise hat inzwischen so gut wie allen Arbeitnehmenden erlaubt, von zuhause aus zu arbeiten, sofern es die Arbeit erlaubt.

Zuhause arbeiten ist einerseits angenehm, da der Arbeitsweg – je nach Grösse der Wohnung oder des Hauses – ein paar läppische Fusschritte beträgt, man mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und nach der Arbeit direkt der Freizeit nachhängen kann.

Länger arbeiten, verschobene Peaks

Das alles hat aber auch seine Schattenseiten. Einerseits sind einige Nachteile bereits dem Homeoffice-Protokoll zu entnehmen, das finews.ch Anfang April veröffentlicht hat. Weitere bringt nun die amerikanische Nachrichtenagentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig).

Laut der Auswertung des Netzwerkproviders NordVPN arbeiten Menschen im Homeoffice drei Stunden länger als vor dem Lockdown. NordVPN hat einfach ermittelt, wann die Nutzer sich mit dem Dienst verbinden und wann sie sich wieder abmelden. Von allen Ländern, die das Unternehmen bedient, machen die Amerikaner die meisten Überstunden. In Frankreich, Spanien und dem Vereinigten Königreich hat sich der Arbeitstag um zwei Stunden verlängert, in Italien gab es hingegen überhaupt keine Veränderung.

Auch die Umrisse des Arbeitstages haben sich verändert: Ohne Pendeln haben sich die Aufwachzeiten nach hinten verschoben, stellte NordVPN fest, aber die E-Mail-Spitzenzeit hat sich laut Daten des amerikanischen E-Mail-Clients Superhuman um eine Stunde auf 9 Uhr morgens verschoben, so «Bloomberg». Die Angestellten melden sich auch spät in der Nacht wieder an: Surfshark, ein weiterer VPN-Anbieter, verzeichnete Nutzungsspitzen von Mitternacht bis 3 Uhr morgens, die vor dem Ausbruch des Coronavirus noch nicht vorhanden waren.

Sitzung statt Dusche

Neben der zeitlichen Mehrbelastung sorgt vor allem auch die nun in Schieflage geratene Work-Life-Balance für die grösste Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit. Dies vor allem, weil man der Arbeit schlichtweg nicht mehr entrinnen kann, wenn sie in den eigenen vier Wänden stattfindet.

Ohne viel sinnvolle Freizeitbeschäftigung, und weil man grundsätzlich schon zuhause bleiben sollte, haben die Menschen das Gefühl, keine legitime Entschuldigung dafür zu haben, für die Arbeit nicht erreichbar zu sein. Laut «Bloomberg» hat beispielsweise ein Mitarbeiter der amerikanischen Grossbank J.P. Morgan seine morgendliche Dusche unterbrochen, um an einer ad-hoc-Besprechung teilzunehmen, nachdem er eine Nachricht von einem Kollegen auf seiner Apple Watch gesehen hatte. 

Burnout in Sicht

Andere wohnen in Wohngemeinschaften, wo das Wohnzimmer tagsüber belegt ist, so dass sie in ihrem Schlafzimmer arbeiten müssen, nur wenige Meter von ihrem Bett entfernt, was sich auf die Arbeitsmoral und auch auf den Schlaf auswirkt.

Die ganze Homeoffice-Chose macht sich bemerkbar: Bis Anfang April gaben in einer Umfrage unter 1001 US-Angestellten etwa 45 Prozent der Arbeiter an, dass sie in ein Burnout schlittern. Fast die Hälfte führte die psychische Belastung auf die gestiegene Arbeitslast, die Herausforderung, persönliches und berufliches Leben unter einen Hut zu bringen, und den Mangel an Kommunikation und Unterstützung seitens ihres Arbeitgebers zurück.