Die Hälfte der Millionäre hat nirgends festgehalten, wie der Nachlass aufgeteilt werden soll. Laut einer Umfrage der UBS hat das auch viel mit Emotionen zu tun – ein Minenfeld für Banker.

In den kommenden zwei Dekaden wird die Welt den grössten Vermögenstransfer der Geschichte erleben. Allein in den USA werden 84’000 Milliarden Dollar an die nachfolgenden Generationen vererbt – so lautet wenigstens die Projektion der UBS in ihrem aktuellen Report «Investor Watch».

Dabei hätten rund 40 Prozent der Vermögenden weltweit keinen Nachlassplan, warnt die weltgrösste Privatbank, während die Hälfte schlicht nicht mitgeteilt hat, wo sich das Vermögen befindet oder wie der Nachlass aufgeteilt werden soll. Angesichts der zahllosen Vermögensverwaltung-Angebote müsste dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein – doch die Sache ist kompliziert.

Beziehung gibt den Ausschlag

«Obwohl die meisten Investoren einen reibungslosen Ablauf des Erbschaftsprozesses wünschen, kann eine unzureichende Nachlassplanung kostspielig sein und zu ungelösten familiären Konflikten führen», lässt sich Iqbal Khan, der Chef der Sparte Globale Vermögensverwaltung (GWM), in der Studie zitieren.

Tatsächlich fand die Grossbank in einer Umfrage unter 4’500 Anlegern mit einem investierbaren Vermögen von mindestens 1 Million Dollar heraus, dass die Erbschaft für sie ein emotionales Thema sein kann: Zwei Drittel der Befragten ringen mit der Frage, wie sie das Vermögen gerecht unter den potenziellen Erben aufteilen können. Rund 80 Prozent geben denjenigen Erben mehr Vermögen, zu denen sie eine engere Beziehung haben, während andere die finanziellen Bedürfnisse und die Verantwortung berücksichtigen, welche die Erben bei der Betreuung der Elterngeneration übernehmen.

Die Angst, egoistisch zu erscheinen

Ein Drittel der Befragten gab zu, ungelöste Probleme und Konflikte mit anderen Erben zu haben, während etwa die Hälfte angab, eine der grössten Herausforderungen sei die offene Kommunikation und die Angst, egoistisch zu erscheinen. Von denjenigen, die ein Erbe erhalten, gaben 40 Prozent an, dass sie sich wünschten, sie wären ihren Eltern enger verbunden gewesen.

In Familien mit Stiefkindern wird die Planung zusätzlich erschwert. Fast 90 Prozent der Patchwork-Familien haben Schwierigkeiten, das Vermögen gerecht aufzuteilen, verglichen mit 62 Prozent bei Familien mit leiblichen Kindern aus nur einer Beziehung. Diejenigen, die keine Kinder haben, hinterlassen wahrscheinlich mehr Geld für wohltätige Zwecke, nämlich 40 Prozent, im Vergleich zu 30 Prozent bei denjenigen mit Kindern.

Die Krux mit dem Unternehmen

Die Nachfolgeplanung ist nicht nur auf Einzelpersonen beschränkt, sondern auch auf Unternehmen, die oft den wertvollsten Teil eines Vermögens darstellen. Rund 60 Prozent geben an, dass es ihnen schwer fällt, das Unternehmensvermögen gerecht aufzuteilen, wobei etwa die Hälfte den Wunsch äussert, das Unternehmen in der Familie zu behalten.

Trotzdem haben sie weder einen Nachfolgeplan aufgestellt noch Erwartungen für den Übergang des Unternehmens festgelegt. Über dieses Thema sprach finews.ch kürzlich auch mit Marzio Grassi, der die Geschäfte der UBS-Rivalin Credit Suisse (CS) im Tessin leitet.

Grassi berichtete aus seiner eigenen Erfahrung, er sei das Thema Erbschaft früher zu technisch angegangen und habe dann aber gemerkt, «dass Emotionen eine grosse Rolle spielen». «Stellen Sie sich vor, Sie geben von einem Tag auf den anderen alles auf», sagte Grassi über die Erfahrung von Unternehmern. Wenn der Inhaber nicht versteht, was auf dem Spiel steht, ist er möglicherweise nicht in der Lage, die Firma zu übergeben, wenn die Zeit drängt.

Fachleute gefragt

Nicht nur Eigentümer brauchen dieses Feingefühl. Jedes Management-Mitglied müsse individuell angehört werden, auch wenn alles vorher in Sitzungen abgesprochen worden sei, sagte der Tessiner Banker. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Familien- oder Geschäftsleitungs-Mitglieder ihre Wünsche nur ungern vor anderen äussern», so Grassi.

Die UBS-Umfrage wiederum ergab, dass die Mehrheit der Vermögenden und Erben darin übereinstimmt, dass eine kontinuierliche und zielgerichtete Kommunikation die beste Vorgehensweise ist, wobei die Umfrageteilnehmenden ein Interesse daran bekundeten, sich an Fachleute zu wenden, die ihnen bei der Erörterung der Vermögensübertragung helfen.