Donald Trump hat als US-Präsident bisher mehr Verwirrung gestiftet als die meisten Amtsträger vor ihm. Niemand weiss, ob sich die Trump-Regierung zusammenraufen kann.

Das Chaos, die Unsicherheit und die Angst, die US-Präsident Donald Trump in nur einem Monat gesät hat, würden jeden Terroristen mit Stolz erfüllen, schreibt Joseph Stiglitz in einem Essay auf «Financial News». Sowohl Finanzmärkte als auch Regierungen im Ausland und Gesellschaft bekunden offensichtlich Mühe, passende Antworten auf Trumps Aktivismus zu finden.

In Bezug auf die Auswirkungen von Trumps Dekreten, Beschlüssen und Ankündigungen verbiete sich jeder Blick in die Zukunft, so der Wirtschaftsnobelpreisträger. Denn der US-Präsident hat weder detaillierte Gesetzesentwürfe vorgelegt noch haben Kongress und Gerichte genügend Zeit gehabt, zu reagieren. «Doch anzuerkennen, dass die Zeiten unsicher sind, ist keine Rechtfertigung, alles auszublenden», schreibt Stiglitz.

Der «Master of Unreality»

Im Gegenteil: Was Trump sagt oder twittert, müsse ernst genommen werden. Denn es sei inzwischen offensichtlich, dass sich der US-Präsidentschaftskandidat Trump, der sich als «Master of Unreality» gebärdet habe, vom US-Präsidenten Trump nicht unterscheide. Das mächtigste Amt der Welt habe Trump nicht zu einer anderen Person gemacht.

Trump setzt das um, was er im Wahlkampf versprochen hat: Er setzt das Einreiseverbot für Muslime aus bestimmten Ländern durch, plant die Mauer zur mexikanischen Grenze, will das Freihandelsabkommen Nafta neu verhandeln sowie den Dodd-Frank-Act rückgängig machen – und anderes mehr.

Eine Agenda der Zerstörung

Stiglitz ist als lebhafter Kritiker politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen bekannt, sei es in der UN, der Nato oder in der Europäischen Union. Doch, so schreibt er, es bestehe ein riesiger Unterschied zwischen den Anstössen, mit dem Ziel einer Verbesserung Reformen einzuleiten und durchzuführen, und einer Agenda, die im Prinzip nur auf Zerstörung aus sei. Trumps Weg sei eine Negativsummenspiel: Amerika werde zusammen mit allen anderen verlieren.

Wenn es einen Silberstreifen am Horizont gebe, so Stiglitz, dann der, dass sich ein globale Bewegung von Solidarität und gemeinsamen Werten wie Toleranz und Gleichheit gebildet habe, getragen von der Aufmerksamkeit gegenüber dem Fanatismus und der Frauenfeindlichkeit, die Trump und sein Team transportieren.

Feige CEO und Verwaltungsräte

Stiglitz zählt namentlich auch die Angestellten und Kunden vieler Unternehmen zu jenen, die ihre Stimme erhoben haben. Im Gegensatz zu jenen CEO und Verwaltungsräten, die auf Steuersenkungen und Deregulierung hofften und ansonsten schwiegen, weil sie Angst davor hätten, dass ein Tweet des Präsidenten den Aktienpreis in den Keller schickt.

In diesem Klima der Angst, ausgehend von einem autoritären Regime, werde das Prinzip des Rechtsgrundsatzes eine konkrete Anwendung. Rechtsgrundsätze setzen die Regeln. Sie sprechen weder Drohungen aus noch stigmatisieren sie Flüchtlinge als Sicherheitsrisiko, so Stiglitz.

Wachsam bleiben, Widerstand leisten

Er wundert sich, dass Medien wie die «New York Times« oder die «Washington Post» bislang nicht thematisiert haben, dass Trump auf amerikanische Werte verzichtet, indem er beispielsweise die Gewaltenteilung in Frage stellt, radikale Meinungsmacher in den nationalen Sicherheitsrat beruft oder Werbung für die Modemarke seiner Tochter macht.

Es sei verführerisch, sich vor diesem anhaltenden Strom von völlig indiskutablen Ereignissen und Entscheidungen wegzuducken und sich einzureden, es gebe noch viel schlimmere Beispiele von Machtmissbrauch. Die grosse Herausforderung dieser Ära sei, so Stiglitz, «wachsam zu bleiben und wann und wo immer es nötig ist, Widerstand zu leisten.»