Ein Ostschweizer Fintech-Startup verhilft der Raiffeisen Gruppe zum Sprung ins digitale Banking des 21. Jahrhunderts. Dabei wollten die Macher nur schwere Motorräder verkaufen.

Motorräder und Fintech? Beim Bündner Marcel Komminoth kommt dieser ungewöhnliche Cocktail zusammen – in seiner 2014 gegründeten Firma CB Financial Services (CBFS). Die Initialen CB stehen für «Custom Bike»; das ist Komminoths andere Firma, eine Online-Plattform zum Verkauf von Edelmotorrädern.

Die beiden Firmen verbindet eine gemeinsame Technologie: ein digitales Zahlungssystem, das absolute Sicherheit und Transparenz für Käufer und Verkäufer bietet. Das heisst: Es entspricht den regulatorischen Anforderungen der Finma, indem es auch die Identifikation von Nutzern durch einen Videostream ermöglicht.

Ein steiniger Weg

Video-Onboarding ist auch das Gebot der Stunde im Schweizer Banking, seit die Finma im vergangenen März die Rahmenbedingungen für den Identitäts-Check per Video gelegt hat.

Die Bank Linth, UBS, Valiant, die Valora-Tochter Bob Finance, die Glarner Kantonalbank, die Hypothekarbank Lenzburg und auch die Raiffeisen Gruppe ermöglichen ihren Kunden inzwischen «Online-Onboarding» mit Video-Identifikation.

Raiffeisen bietet diesen Service seit rund sechs Wochen und greift dabei auf die Technologie von CBFS zurück. Es war ein steiniger Weg dahin, wie Komminoth dem Unternehmensmagazin von ti&m, einem Digitalisierungsberater, erzählte.

Banken wollten es nicht verstehen

Nicht die Applikation zu entwickeln, sei die Schwierigkeit gewesen, sondern Überzeugungsarbeit bei Banken zu leisten, dass ein Biker-Unternehmen eine innovative Fintech-Applikation zu bieten habe. «Einige Banken konnten oder wollten es nicht so ganz verstehen, dass dieser Prozess zu 100 Prozent Finma-approved ist und wir damit weltweit operieren können.»

Die drittgrösste Bank der Schweiz als Kundin gewonnen zu haben, hat Komminoths Selbstvertrauen als Fintech-Unternehmer enorm gesteigert. Nicht im Traum hätte sich der «Biker aus Leidenschaft» den Schritt in die Fintech-Szene vorstellen können.

Banker und Bauer von «heissen Öfen»

Zufall und Unternehmergeist führten den 44-Jährigen Bündner dahin. Sein Berufsleben verbrachte der Biker als Immobilienhändler und Banker bei der Credit Suisse. In der Freizeit baute er «heisse Öfen», die nichts mit Motorrädern von der Stange gemein hatten.

Es waren «Custom Bikes», sozusagen handgefertigte Maschinen, bewundert von einer immer grösser werdenden Fangemeinschaft auf «Facebook».

Im Jahr 2010 reifte «Mr. Custombike's» Plan, sich mit einer weltweiten Plattform für den Verkauf von Motorrädern selbständig zu machen. Seit 2013 ist er Geschäftsführer von custom-bike.com.

Paypal und Kreditkarte genügten nicht

Hier können Motorradfans aus der ganzen Welt ihre Traummaschine finden und kaufen. Für solche Bikes gehen schon mal mehrere 10'000 Franken «über den Tisch» – ein Zahlungssystem mit Paypal und Kreditkarte genügte hier allerdings nicht mehr.

Komminoth wollte seinen Kunden eine absolut sichere und transparente Zahlungsplattform mit Identifikationsmöglichkeit zur Verfügung stellen und gründete die CBFS. Die Dienstleistung, die Komminoth bieten wollte, machte ihn von anderen Finanzdienstleistungsunternehmen völlig unabhängig und letztendlich zum Finanzintermediär. Er realisierte: Als solcher musste er von der Finma bewilligt werden.

Totenkopf auf der Visitenkarte

Als ehemaliger Banker wusste Komminoth, dass er der Finma ein äusserst gut ausgearbeitetes Sorgfaltspflichts-Konzept vorlegen musste. Der Totenkopf auf seiner Visitenkarte, die er mit überreichte, passte zwar zu seiner Biker- und Rocker-Herkunft.

Aber kaum zum Image als Finanzunternehmer, wie er dem Swisscom-Magazin «Dialogue» erzählte. Doch die Regulatoren hiessen das Konzept nach 354 Tagen nervösen Wartens gut.

Videostrategien für Banken im Ausland

CBFS ist heute ein Finma regulierter Finanzintermediär und als solcher befähigt, seine Dienste auch im Ausland anzubieten. Und da soll das Fintech hin, wie Komminoths Partner Roland Rüttimann im Gespräch mit finews.ch sagte. «In der Schweiz finden zurzeit Gespräche mit weiteren drei Banken statt, welche die Video-ID-Lösung übernehmen wollen», so Rüttimann.

CBFS will Videostrategien auch Banken im Ausland anbieten und dabei das eigene Know-how in Sachen Video, E-Commerce und Social Media weiter entwickeln.

Graubereich Social Media

Im digitalen Banking des 21. Jahrhunderts hört die Nutzung von Video durch Banken und Berater nicht bei der Kundenidentifikation auf, vielmehr könnte Video zum wichtigsten interaktiven Kommunikationskanal zwischen Bank und Kunde werden.

Die Einbindung von Social Media ist allerdings hochproblematisch, weil die Sozialen Medien bislang noch im regulatorischen Graubereich liegen.

So nutzen Finanzinstitute bislang weder Twitter noch Facebook für den Verkauf von Produkten. Dass sich dies wohl irgendwann ändern wird, ist für Rüttimann und Komminoth absehbar. CBFS wird mit seiner Technologie dann bereit sein.

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