Die Investmentbank Goldman Sachs zieht gegen die Volcker-Regel ins Feld. Hat sie Erfolg, wird die Wall Street die europäischen Banken vollends abhängen. Es sei denn, die UBS und die CS machen eine Kehrtwende.

UBS-CEO Sergio Ermotti machte im vergangenen Juli eine düstere Prognose: Hielten die gegenläufigen Regulierungstrends in den USA und in Europa an, werde das europäische Finanzsystem «seine Wettbewerbsfähigkeit vollkommen verlieren».

Die Prognose mag richtig sein, doch die Grundlagen, auf denen Ermotti sie machte, stimmen nicht – noch nicht. Zwar ist das US-Finanzsystem in einem viel besseren Zustand als das europäische, und die amerikanischen Grossbanken haben seit der Finanzkrise in Europa massiv Marktanteile gewonnen.

Doch liegt dies nicht an einer lockereren US-Regulierung, sondern an der lange dauernden Unfähigkeit Europas, das Finanzsystem mit harten Schritten zu reformieren.

Der Eigenhandel soll wieder erlaubt werden

Ermotti hat zwar recht: Seit Donald Trump US-Präsident ist, mehren sich die Anzeichen einer Lockerung und Vereinfachung der Bankenregeln, namentlich der höchst ungeliebten «Volcker-Rule». Jenes Mammut-Regulierungswerk also, das der ehemalige US-Präsident Barack Obama verabschiedet hatte und das zum Schutze von Kunden, Anlegern und der Systemstabilität den Banken ein grosses Verbot auferlegt hatte: Sie mussten vom Eigenhandel Abschied nehmen.

Bislang ist die Volcker-Regel nicht geritzt worden. Was Ermotti aber wohl beobachtet, sind die vereinten Lobby-Anstrengungen der US-Grossbanken, die Volcker-Regel zu knacken.

Verbündete im Weissen Haus

Allen voran: Goldman Sachs. Die «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) hat am Mittwoch in einer breiten Recherche dargelegt, wie die legendäre Investmentbank gegen die Volcker-Regel in Washington ankämpft – und dabei auf Verbündete zählt.

Da ist einmal der US-Präsident selber. Trump ist zwar beileibe kein Freund des Wall-Street-Establishments und von Goldman-Sachs-CEO Lloyd Blankfein. Doch mit seinem Statement, mit den «Arbeitsplätze killenden Regulierungen» aufräumen zu wollen, haben die beiden eine Basis gefunden.

Dann sind da natürlich die Goldman-Alumni im Weissen Haus: Gary Cohn, Chef-Wirtschaftsberater von Trump, und Finanzminister Steven Mnuchin.

Zu schwerfällig?

Gemeinsam, so scheint es, wollen sie nun die Volcker-Regel schleifen. Blankfein sagte diesen Monat, die Regulierung sei äusserst schwerfällig und behindere seine Händler. Cohn ist auf Trumps Linie mit den Worten, man werde den Banken nicht mehr jedes Jahr Milliarden von Dollar an Regulierungskosten aufbürden.

Aus Mnuchins Finanzministerium kam diesen Juni ein bankenfreundliches Papier, welches substanzielle Korrekturen an der Volcker-Regulierung empfahl. Und Randal Quarles, der von Trump als Regulierungschef in der Notenbank nominiert ist, sagte im Juli, die Regel sei zu komplex. Es sei empfehlenswert, sie zu vereinfachen.

Ein Schatten ihrer selbst

Dass Goldman Sachs besonderes Interesse daran hat, insbesondere die Eigenhandels-Regel aufzuweichen, lässt sich leicht ableiten: Im Jahr 2007 machte die Investmentbank im Zinsen-Handel einen Ertrag von 16,2 Milliarden Dollar. 2016 waren es 7,6 Milliarden Dollar – die Bank ist ein Schatten ihrer selbst, kommentierte selbst die «Financial Times».

Gemäss dem britischen Finanzblatt ist Goldman Sachs an allen Fronten daran, die Volcker-Regel aufzuweichen. Dabei bildet die Bank offenbar auch Koalitionen mit ihren Konkurrentinnen. Denn sie fürchte um ihre Reputation, wenn ihre Vorschläge fortan das Etikett «die Änderungen von Goldman Sachs» erhielten.

Vereintes Lobbying

Tatsächlich haben die amerikanischen Grossbanken Citigroup und J.P. Morgan im ersten Halbjahr 2017 mehr Geld für Lobbying in Washington ausgegeben als Goldman Sachs mit ihren 1,4 Millionen Dollar, wie der Webseite «Open Secrets» des Center for Responsive Politics zu entnehmen ist. Die Credit Suisse (CS) und die UBS tun mit Lobby-Beträgen von 610'000 und 240'000 Dollar auch mit.

Goldman Sachs sei es aber gelungen, so die «Financial Times», ihre Konkurrentinnen via Securities Industry and Financial Markets Association (Sifma) zu vereinen. Die Sifma konnte letzten Juni Kommentare in Mnuchins Papier platzieren. Dieses enthielt die Aufforderung an den US-Kongress, die gesamte Volcker-Regel aufzuheben.

Durch die Hintertür

Tatsächlich kann nur der Kongress an der Volcker-Regel Änderungen veranlassen – im gegenwärtigen politischen Klima ist dies eher unwahrscheinlich. Aber es gibt für Goldman Sachs noch eine Hintertür: Es wäre möglich, die Abschaffung der Volcker-Regel oder Änderungen am Dodd-Frank-Act zum Jahresende in einer anderen Vorlage unterzubringen. Gemäss «Financial Times» prüft Goldman Sachs diese Option.

Trumps oberster Wirtschaftsberater und früherer Goldman-Sachs-Präsident Cohn zeigte die Richtung einer zukünftigen Banken-Regulierung in den USA auf. Ihm schwebt eine Art Glass-Steagall-Act des 21. Jahrhunderts vor. Aber er meinte nicht eine Rückkehr zum Trennbanken-System, sondern eine massgeschneiderte Regulierung entlang der Geschäftsmodelle der existierenden Banken.

UBS und Credit Suisse: Schwierige Entscheidungen

Böse Zunge mögen behaupten, dies münde in eine Regulierung à la «weniger Regeln für Goldman Sachs». Andere befürchten eine Rückkehr zu einem Banken- und Finanzsystem der Vor-Finanzkrisen-Ära.

Geht der Plan auf, stehen namentlich auch die UBS und die CS vor schweren Entscheidungen: Sollen sie ebenfalls zu einem handelsgetriebenen Investmentbanking zurückkehren und ihre mühselig auf den Weg gebrachte Wealth-Management-Strategie damit schwächen?

Was sich stärker abzeichnet, ist eine Vertiefung des transatlantischen Grabens der Banken- und dannzumal auch Regulierungssysteme. «US-Banks first» wird es dann heissen.

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