Die Credit Suisse hätte im ersten Quartal 2021 einen historischen Rekordergewinn erzielt – wenn das Archegos-Debakel nicht passiert wäre. Wie dies der Grossbank gelungen ist? Eine Spurensuche, die zu Finanzchef David Mathers führt.

Die Zahl ist nach dem kapitalen Verlust, welchen die Credit Suisse (CS) mit dem Hedgefonds-Kunden Archegos Capital erlitten hat, zwar Makulatur. Doch liegt sie so weit über den Leistungen der Schweizer Grossbank im letzten Jahrzehnt, dass sie Fragen aufwirft: 3,5 Milliarden Franken.

So hoch wäre der Vorsteuergewinn der CS im vergangenen ersten Quartal dieses Jahres ausgefallen. Der Handelsverlust von 4,4 Milliarden Franken liess das Ergebnis einen Vorsteuerverlust auf rund 900 Millionen Franken abtauchen, wie die CS am vergangenen 6. April mitgeteilt hatte; mögliche Greensill-Verluste nicht berücksichtigt. Aber die Performance, so die Grossbank, sei ansonsten sehr stark gewesen.

Einmal vor über zehn Jahren

In der historischen Perspektive mutet das (vermeintliche) Rekordresultat unwirklich an: Auch in sehr guten Quartalsperioden kam die CS in den vergangenen Jahren kaum mal auf einen Vorsteuergewinn von 1,5 Milliarden Franken.

Man muss in den Annalen über zehn Jahre zurückgehen, um ein nur annähernd so hohes Resultat der CS zu finden: Im Frühling 2010 war es noch CEO Brady Dougan gewesen, der einen Vorsteuergewinn von knapp 3 Milliarden Franken ausweisen konnte.

Aber damals war die CS noch eine andere Bank gewesen. Ihr Geschäftsvolumen war 2010 fast doppelt so hoch. Dougans Nachfolger Tidjane Thiam hatte die CS – und in erster Linie ihre Investmentbank – radikal geschrumpft.

Äusserst steile Annahmen

Was also ist in diesen ersten drei Monaten bei der CS geschehen, wie kommen diese Zahlen zustande? Auch Analysten rätseln: Morgan Stanley veröffentlichte kürzlich eine auf der CS-Verlustankündigung basierende Prognose, in welcher die Resultate der einzelnen Divisionen auf einen Vorsteuergewinn von knapp 3 Milliarden Franken hochgerechnet sind.

Mögliche Greensill-Verluste hat die zuständige Analystin nicht mitgerechnet, dafür hat sie äusserst steile Annahmen für die Investmentbank getroffen, mit einem Verweis auf den Spac-Boom, in welchem die CS an dritter Stelle weltweit mitmischt.

«Woher zum Teufel...?»

Auch in den sozialen Medien wird über das «Credit Suisse Mystery» gerätselt. Dieses regt umso mehr Phantasien und Vermutungen an, da der Analysten-Konsensus noch vor kurzem bei 1,4 Milliarden Franken Vorsteuergewinn lag.

 

«Where the hell did the extra 2,1 bn come from?!», fragte darum ein Twitterer. Am 18. Februar hatte die CS bei der Präsentation der Zahlen zu 2020 von einem «sehr guten» Start ins neue Geschäftsjahr gesprochen.

Am 16. März wurde CEO Thomas Gottstein an der Morgan Stanley European Financial Conference etwas genauer: Im Januar und im Februar habe die CS den höchsten Vorsteuergewinn der letzten zehn Jahre erzielt. Der Ertrag in der Investmentbank habe sich um 50 Prozent erhöht. Die Geschäfte in der Vermögensverwaltung würden von der höheren Kundenaktivität profitieren.

Allfunds oder gestrichene Boni?

Grosszügig gerechnet käme man – im Vergleich zum Vorsteuergewinn von rund 1,5 Milliarden Franken im Vorjahresvergleichsquartal – somit auf rund 2 Milliarden Franken Gewinn.

Die rätselhafte Lücke von 1,5 Milliarden Franken könnte, so vermutet der Twitter-Nutzer @jeuasommnulle, auch durch einen Bewertungsgewinn auf Allfunds (die CS hatte 2019 ihr Investlab in das Fonds-Jointventure eingebracht) nicht geschlossen werden. Dieser würde auch bei den steilsten Annahmen nicht mehr als 250 Millionen Franken einbringen. «Der einzig übrig gebliebene Hebel, der mir noch einfällt, sind die Boni», so der Twitterer.

In der Regel wird der Bonustopf quartalsweise geäufnet. Hätte die CS für das erste Quartal alle Boni in der Investmentbank gestrichen – was für die Belegschaft äusserst demotivierend wäre –, würde sich dies im Vorsteuergewinn mit einem Plus von rund 600 Millionen Franken bemerkbar machen. Es blieben immer noch deutlich über 600 Millionen Franken, welche die CS noch aus dem Hut zaubern müsste.

Einen «verborgenen Schatz» gehoben

Einem Bericht der britischen Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig), den die Bank selber nicht bestätigte, soll genau dies der Fall sein: Die CS streicht Hunderte Millionen Franken an Boni-Zahlungen fürs erste Quartal.

Den Zauberer hat die CS in der Person von Finanzchef David Mathers. finews.ch porträtierte vor zwei Jahren den Briten, als Mann, der in der CS jede Schraube und jede Leiche im Keller kenne.

Insofern ist Mathers auch der Mann, der aus der CS «verborgene Schätze» heben kann. Ein Kenner der Materie sagte gegenüber finews.ch, Mathers habe wohl eines seiner Buchhaltungsmanöver durchgeführt und Kreditrückstellungen umgebucht. Die CS gab keinen Kommentar ab. Sie veröffentlicht ihr Quartalsresultat am 22. April.

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