Bei der Online-Bank Swissquote kommentiert die viel beachtete Analystin den Takt der Märkte. Eine hektische Angelegenheit, der sich Ipek Ozkardeskaya aber mit Leidenschaft verschrieben hat, wie ein Augenschein von finews.ch zeigt.

Es ist kurz vor 8 Uhr morgens. Zeit für Ipek Ozkardeskaya und ihren Ausblick in den Börsentag. Ein kurzer Titel, wenige Abschnitte Text, jede Menge Meinung. «Die EZB muss handeln, jetzt!», schreibt sie, oder: «Nicht mein Problem, Kumpel» und «Was nun, Christine?».

Wenn der morgendliche Newsletter in die Mailbox der Abonnenten flattert, ist die Senior-Analystin der grössten Schweizer Online-Bank Swissquote schon zwei Stunden im Einsatz. Sie hat Kurse und Indizes gesichtet, den Newsticker im Auge behalten, hat die Kommentare der Kollegen bei anderen Banken überflogen – und daraus die Quintessenz gezogen, bevor der Gong für den Versand geht.

Jeder Sekunden-Bruchteil zählt

Um 10 Uhr geht der Gong schon wieder. Ozkardeskaya stellt sich allmorgendlich vor die Kamera, um im «Market Talk» auf dem Video-Kanal Youtube (siehe unten) das Börsengeschehen zusammenzufassen. Wer ihr zusieht, taucht unversehens in die Hektik der Märkte ein: Die Finanzexpertin spricht rasend schnell, gestikuliert, als würde jeder Sekunden-Bruchteil an Information zählen. Für sie sei das tatsächlich so, erklärt sie im Gespräch mit finews.ch. «Alle Marktdaten, die ich zitiere, haben sich in der Zwischenzeit wieder verändert.»

Bei einer Show, die von viele Tradern auf der Swissquote-Plattform verfolgt wird, ist dies nicht von der Hand zu weisen. Wobei ihr offenbar selten jemand böse ist, wenn sie mit ihrer Marktmeinung falsch liegt. «Die Leute verstehen recht gut die Grenzen dessen, was ich hier mache», erklärt Ozkardeskaya. Wobei sie es als ihre Pflicht ansieht, jede Anfrage der über 12’000 Abonnenten zu beantworten, die über den Youtube-Kanal hereinkommt.

Smarte Maschinen auf dem Vormarsch

Ein interaktive Analyse mit einem menschlichen Gegenüber – das ist in ihrem Metier selten anzutreffen und meilenweit entfernt vom traditionellen quantitativen Research, das zumeist hinter Zahlenbergen und komplexen Vorhersage-Modellen verborgen bleibt.

Doch auch diese Welt hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert; seit in Europa die Kosten für das Research aufgeschlüsselt werden müssen, will sich kaum noch wer die Berge an Berichten leisten. Und inzwischen machen sich smarte Maschinen auf, den Analysten bei der Interpretation der Märkte den Rang abzulaufen.

«This time it’s different»

Es ist nicht nur ihre Arbeit, die sich fundamental verändert, sondern auch deren Gegenstand, glaubt man der Swissquote-Expertin. «Ich habe im Jahr 2010 meine Masterarbeit eingereicht. Ich gehöre zu jener Generation, die noch nie miterlebt hat, dass die Notenbanken die Leitzinsen erhöhen», erklärt Ozkardeskaya. Das ändere sich nun fundamental.

«Wegen der Inflation kann die Geldpolitik nicht mehr jedem Problem mit einer weiteren Lockerung begegnen», erklärt sie. Wie viele andere Marktbeobachter erwartet sie denn auch eine bedeutende Preiskorrektur an den Börsen. «This time it’s different»: der Spruch könnte nun tatsächlich zutreffen, sagt die Analystin.

Einiges an heisser Luft könnte also den Märkten entweichen – auch bei Krypto? In diesem Feld dreht Swissquote bekanntlich ein grosses Rad. In einem ihrer morgendlichen Kommentare hat Ozkardeskaya kürzlich darauf hingewiesen, dass die Tech-Aktien am amerikanischen Nasdaq-Index und die Preise von digitalen Anlagen sich mehr und mehr im Gleichtakt bewegen würden.

Absurde Korrelation bei Krypto

Die Finanzexpertin stellte das fest, findet es aber gleichzeitig «absurd». Denn die Risiken von Krypto-Investments seien ganz anders gelagert als bei herkömmlichen Anlagen. «Eigentlich müssten doch Regulation, Technologie und die Gefahr von Hacker-Angriffen für die Preise bestimmend sein», gibt sie zu bedenken. Krypto-Anlagen haben aus ihrer Sicht durchaus einen Platz bei der Diversifikation von Portefeuilles.

Was sich nicht ändern wird: Menschen werden weiterhin von Menschen zur Börse beraten werden, ist sich Ozkardeskaya sicher. «Natürlich werden Maschinen dank Künstlicher Intelligenz in der Lage sein, Marktbewegungen zu bewerten. Aber die Meinung dazu wollten Trader weiterhin von einem gegenüber aus Fleisch und Blut hören, sagt die Finanzexpertin, die ausser für Swissquote auch für die HSBC Privatbank in Genf und die London Capital Group tätig gewesen ist.

Stressige Deadline

So schnell wird auch die Senior-Analystin nicht von ihrem Metier lassen. Auch wenn sie sich nur dann nicht mit Zahlen und Fakten befasst, wenn sie gerade die Augen zum Schlafen schliesst, wie sie sagt. «Es ist schon so, dass man in diesem Job in einer Art Blase lebt», erklärt Ozkardeskaya. Doch das müsse so sein – schliesslich gelte es ja, jederzeit auf eine Anfrage eine Antwort zu wissen.

Und stressig seien ja eigentlich nur die Deadlines, wenn schon wieder der Gong drohe. «Deshalb kann ich mir gut vorstellen, auch in 30 Jahren noch das gleiche zu machen.»

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