Staatsekretär Jör Gasser gibt zu, dass der Austausch von Kundendaten nicht ohne Risiko ist. Im Interview mit finews.ch plädiert er aber dafür, die grösseren Zusammenhänge im Auge zu behalten.

Dem Swiss Banking stehen politisch bewegte Monate bevor. Die Verhandlungen mit der EU über einen besseren Marktzutritt haben den Stillstand überwunden. Und im Rahmen des automatischen Austauschs von Bankkundendaten (AIA) werden schon in wenigen Monaten die ersten Lieferungen ins Ausland erfolgen.

Jörg Gasser steht als amtierender Staatsekretär für internationale Finanzfragen an der Spitze dieser Verhandlungen. Beim Kaffee in seinem Berner Büro begegnet er im Gespräch mit finews.ch den Ängsten, welche die Banken wegen des AIA umtreiben.


Herr Gasser, die Verhandlungen der Schweiz mit der EU über einen freien Marktzugang für Finanzdienstleister lagen lange auf Eis. Sind die Gespräche seit der Volksabstimmung über die Masseinwanderungs-Initiative wieder in Gang gekommen?

Die Gespräche über die Equivalenz von Richtlinien sind seither wieder aufgenommen worden. Diese Verhandlungen sind vorab technischer Natur. Andere Diskussionspunkte hängen davon ab, wie die EU und die Schweiz ihre Beziehung zueinander ausgestalten wollen.

Bezüglich der Erweiterung des seit diesem Jahr geltenden automatischen Austauschs von Bankdaten mit dem Ausland haben diverse Institute Bedenken angemeldet. Sie fürchten, dass etwa in Schwellenländern vertrauliche Daten missbraucht werden könnten. Zurecht?

Das ist natürlich ein moralisches Dilemma, das ich nicht kleinreden möchte.

«Brasilien könnte Druck auf die Schweiz ausüben»

Wir müssen von Fall zu Fall untersuchen, in welcher Weise sich der Austausch in die Gesamtbeziehung der Schweiz zu einem ausländischen Staat einreiht.

Das heisst?

Wenn wir uns entscheiden würden, mit Blick auf die Sicherheit der dortigen Bankkunden keine Daten nach Brasilien zu schicken, dann bedeutete dies wohl, dass Schweizer Investoren künftig weniger willkommen wären. Als G-20-Staat könnte Brasilien zudem auf internationaler Ebene Druck auf die Schweiz ausüben.

Also heiligt beim AIA der Zweck die Mittel?

Das muss der Bundesrat entscheiden. Zudem wird jedes Abkommen dem Parlament vorgelegt. Das ist ein sehr spezieller Weg für die Einführung des Informationsaustauschs, der von den meisten Staaten so nicht begangen wird.

Allerdings ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft in den Korruptionsaffären rund um die brasilianischen Konzerne Petrobras und Odebrecht. In die Machenschaften ist teils auch die brasilianische Politik verstrickt. Das gibt doch zu denken, oder?

Bestimmt. Aber es gilt, zwischen den verschiedenen Behörden zu unterscheiden. Das brasilianische Steueramt etwa ist nicht Gegenstand von Schweizer Ermittlungen.

Das wollen wir auch gar nicht suggerieren.

Aber genau das ist der springende Punkt. Nämlich die fundamentale Frage, ob wir hochvertrauliche Daten mit Staaten austauschen, die anderen Rechtsgrundsätzen folgen als die Schweiz.

«Pannen und Probleme werden wir genau beobachten»

Ein Austausch ist deshalb nicht ohne Risiken – aber wir sollten die grösseren Zusammenhänge im Auge zu behalten.

Das ist jetzt wieder sehr diplomatisch ausgedrückt.

Weil wir unserem eigenen Prozedere folgen, werden wir mit den 41 Ländern der zweiten Abkommensrunde ein weiteres Jahr keine Daten austauschen. Wenn wir ab 2018 effektiv Daten an die ersten 38 Länder liefern, werden wir sehen, wir der Informationsaustausch in der Praxis funktioniert. Wenn es zu Problemen oder Pannen kommt, werden alle Teilnehmer informiert. Das werden wir sehr genau beobachten.

Sie leiten seit knapp einem Jahr das Staatsekretariat für internationale Finanzfragen, SIF. Wie unterscheidet sich die Aufgabe von der Ihrer beiden Vorgänger?

Ich bin weniger in drängende Verhandlungen involviert als meine Amtsvorgänger. Wir haben uns in den letzten Jahr sehr stark auf die USA, die EU und die steuerlichen Altlasten für die Schweizer Banken konzentrieren müssen. Diese Problematik ist weitgehend gelöst.

Nun ist es Teil unserer Strategie, die offiziellen Kontakte zu Lateinamerika, Nahost und in Asien auszubauen. Zudem geht es darum, den Finanzplatz effektiver im Ausland zu fördern.


Jörg Gasser hat sein Amt als Staatssekretär für internationale Finanzfragen im Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) am 1. Juli 2016 angetreten. Seine berufliche Karriere begann er beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Von 1996 bis 2007 verantwortete er anspruchsvolle Verhandlungen, etwa als stellvertretender Chefdelegierter in Pakistan und im Irak, später als Abteilungsleiter am Sitz des IKRK in Genf.

Im Jahr 2008 wechselte er ins Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und ab Anfang 2011 ins Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD). Er war an allen wichtigen internationalen finanz-, steuer- und währungspolitischen Geschäften beteiligt. Gasser hat einen Master-Abschluss der Universität Zürich in Volkswirtschaft und Internationalen Beziehungen.

 

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