Sanktionierter Goldhändler: US-Richter fühlen OFAC auf den Zahn
Die Verhandlung vor dem U.S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit (kurz: D.C. Circuit) war ursprünglich auf 20 Minuten angesetzt, dauerte aber mehr als 42 Minuten. finews.ch hat die Audio-Aufzeichnung ausgewertet.
Die drei Richter befassten sich eingehend mit der Frage, was es bedeutet, «geologische Materialien zu beschaffen» und wie eng der geografische Bezug zu Russland dabei gefasst werden muss, damit er unter das Sanktionsregime fallen kann.
«Procurement» und «Geological Materials»
Beide Begriffe – «Beschaffung» (procurement) und «geologische Erzeugnisse» (geological materials) – tauchen zentral im Präsidialdekret zu den Russland-Sanktionen sowie in den offiziellen FAQ des OFAC über sanktionierbares Verhalten auf.
Das Dreiergremium – Circuit Judge Gregory G. Katsas (2017 von Präsident Donald Trump ernannt), Circuit Judge J. Michelle Childs (2022 von Präsident Joe Biden ernannt) und Senior Circuit Judge Harry T. Edwards (1980 von Präsident Jimmy Carter ernannt) – richtete die Diskussion auf einen zentralen Punkt: Gilt der Kauf von raffiniertem Goldbarren von russischen Staatsbürgern ausserhalb Russlands bereits als «procurement» im Sinne des sanktionierten Sektors?
Beschwerdeführer: Produktion statt Handel
Für die Beschwerdeführer argumentierte Rechtsanwalt Amir Toossi von der Akrivis Law Group, dass sich die Regelung auf die Produktionskette beziehe – also auf Förderung, Verarbeitung, Raffinierung und höchstens den Transport – nicht jedoch auf den nachgelagerten Handel oder Investitionskäufe.
Nach seiner Auslegung meint «geological materials» unbearbeitete Rohstoffe aus der Förderung «in der Russischen Föderation» – nicht aber fertige Barren, die in New York oder Dubai den Besitzer wechseln.
Regierung: «Procure» heisst erwerben – auch Barren
Toossi warnte, dass die Gleichsetzung jedes beliebigen Kaufs von russischen Staatsbürgern mit «operating» im Sektor normale Marktakteure erfassen würde, die weit vom Bergbau entfernt sind – ein Resultat, das weder der Text noch die bisherigen Leitlinien des OFAC stützten.
Für die Regierung hielt der Anwalt des Justizministeriums, Sean R. Janda, dagegen: «Procure» sei im Wortsinn als «erwerben» zu verstehen – auch der Ankauf von raffinierten Goldbarren könne somit als Tätigkeit im Bergbausektor gelten, insbesondere wenn die Transaktionen offensichtliche Russland-Bezüge oder russische Beteiligte aufweisen.
Feingold und Russland-Bezug
Er betonte, dass das Sanktionsregime nicht durch ein simples «Raffinieren und Umetikettieren» ausgehebelt werden dürfe.
Auf Nachfrage der Richter grenzte die Regierung Barren und vergleichbare Edelmetallerzeugnisse klar von Konsumgütern wie Schmuck oder Uhren ab und machte deutlich, dass der vorliegende Fall ausschliesslich den erstgenannten Bereich betrifft, ohne sich allerdings zu einem expliziten Ausschluss des zweitgenannten durchzuringen.
Die «Black Box»
Da aus der geheimen Administrativakte keine neuen Einzelheiten in die Verhandlung eingeflossen sind, kreiste die Diskussion um hypothetische Beispiele: ein europäischer Händler, der Barren von Russen im Ausland kauft; die Rolle von Zwischenstationen wie Dubai; und die Frage, wie stark Indizien sein müssen, um eine russische Herkunft des Goldes zu vermuten.
Ein Richter stellte offen infrage, ob es sprachlich gerechtfertigt zu sei, einem Händler das «Operieren» im Bergbausektor zu unterstellen, wenn er lediglich glänzende Barren einkauft – das Gericht offenbarte also durchaus Offenheit für die sprachlichen Nuancen der Sanktions-Verordnungen.
Geheime Akten, öffentliche Debatte
Ein Zustand blieb auch in dieser mündlichen Verhandlung bestehen: Die Kläger mussten ihre Argumente vorbringen, ohne selbst Zugang zu den geheimen Verwaltungsakten zu haben, auf die sich OFAC stützt.
Im Vorfeld der Verhandlung hatte das Gericht die Regierung um präzise Verweise auf die Stellen in der umfangreichen Administrativakte gebeten, aus denen ihres Erachtens das sanktionierbare Verhalten hervorgehe. Das Justizministerium verwies lediglich auf eine Handvoll Seiten aus dem Dossier – und liess die Kläger im Ungewissen, welche Vorwürfe möglicherweise darin enthalten sind.
Warum es zählt
Das Richtergremium schonte beide Seiten nicht – es stellte die Kläger auf den Prüfstand hinsichtlich formaler Fragen und textlicher Auslegungen und verlangte von der Regierung ein überzeugendes Abgrenzungskriterium, das nicht jeden Kauf von einem russischen Staatsbürger automatisch zu einem Sanktionsverstoss macht.
Der Fall wirft die interessante Grundsatzfrage auf: Wie viel Ermessensspielraum hat das OFAC? Sollte sich die Interpretation der Regierung durchsetzen, könnten Händler von Gold, Edelsteinen oder Schmuck weltweit einem Sanktionsrisiko ausgesetzt sein – allein aufgrund von Transaktionen mit russischen Staatsbürgern, selbst ausserhalb Russlands.
Wie geht es weiter?
Entscheidend wird sein, wie das Gericht «procurement» und «geological materials» im Kontext sowie den notwendigen Russland-Bezug definiert.
Das Gericht hat den Fall zur Beratung zurückgestellt. Ein Urteil wird in den kommenden Wochen oder Monaten erwartet – üblicherweise fällt der D.C. Circuit seine Entscheidungen zwei bis sechs Monate nach einer mündlichen Anhörung.