Jerome Powell, der US-Notenbankchef hat unlängst mehr oder weniger unverhohlen klargemacht, dass weitere Zinssenkungen nicht anstehen. Die Frage, ob man in diesem Fall überhaupt noch investieren kann, ist daher verständlich, findet Axa-Investmentexperte Franz Wenzel.

Franz Wenzel ist Anlagestratege für institutionelle Kunden bei Axa Investment Managers. Er schreibt regelmässig für finews.ch.

Weltweit notieren sowohl die Aktienmärkte als auch festverzinsliche Wertpapiere auf Höchstständen und haben Investoren eine zweifellos überraschende Wertentwicklung beschert.

Primär ursächlich für die aussergewöhnliche Hausse von 2019 war die Tatsache, dass die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) zum Jahresanfang eine 180-Grad-Wende eingeläutet hatte und von Zinserhöhungen auf Zinssenkungen umgeschwenkt war, um die negativen Auswirkungen des Handelsstreits zwischen den USA und China abzufedern. Andere Notenbanken sind diesem Beispiel gefolgt. In der Konsequenz haben die sinkenden Zinsen die Kurse aller Vermögensklassen ansteigen lassen.

Deutliche Divergenz

Nun hat der US-Notenbankchef nach der jüngsten Sitzung mehr oder weniger unverhohlen klargemacht, dass weitere Zinssenkungen vorerst nicht zu erwarten sind. Die Frage, ob man denn in diesem Fall überhaupt noch investieren kann, ist daher nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als die Bewertungen der gängigen Börsenindizes nicht gerade niedrig sind. Im Schnitt werden Standardwerte in den USA mit dem 23-fachen der aktuellen Gewinne bewertet. In Europa notieren die Indizes mit dem 18-fachen.

Diese Durchschnittsbewertung kaschiert allerdings eine deutliche Divergenz. Sogenannte Wachstumswerte werden mit dem 27-fachen der Gewinne bewertet, während Values, also Substanzwerte, sich durch moderates Wachstum und stetige Dividenden, aber auch einen sehr hohen Fixkostenanteil auszeichnen, aktuell nur mit einem Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14 über den Börsentresen gehen.

Kurzfristig überzogen

Zwar ist das Bewertungsniveau in Europa insgesamt niedriger, aber die Divergenz zwischen Wachstums- und Substanzwerten ist mit 12 Bewertungspunkten ähnlich hoch.

Die Bewertungsdifferenz kann nicht überraschen, da Wachstumswerte, also Titel, die ein ordentliches, stetes Gewinnwachstum darstellen können, strukturell höher bewertet werden. Über die vergangenen zehn Jahre beläuft sich diese höhere Bewertung auf durchschnittlich ungefähr 5 KGV-Punkte. Die aktuelle Divergenz von rund 12 KGV-Punkten ist rekordverdächtig und scheint zumindest kurzfristig überzogen.

Muster der Vergangenheit

Eine für Anfang/Mitte 2020 erwartete leichte Erholung des Wirtschaftswachstums spricht eher für Value-Aktien. Das mag auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen, ist aber leicht zu verstehen, denn höheres Umsatzwachstum impliziert eine höhere Gewinnmarge.

Ferner hallt die expansive Geldpolitik nach. Auch wenn die Zentralbanken im Moment dabei eher pausieren, kann davon ausgegangen werden, dass die von den Zentralbanken bereitgestellte Liquidität weiter ansteigt und sich in den Märkten positiv widerspiegelt. Glaubt man den Marktmustern der Vergangenheit, so sollten insbesondere Value-Titel von der Überschussliquidität profitieren.

Von gängigen Gedanken lösen

Mit Value ist allerdings keine spezielle Sektorauswahl definiert. Vielmehr finden sich Qualitätsaktien in allen Börsenregionen und -sektoren, mal mehr, mal weniger. Eine effiziente Titelauswahl setzt aber ein aktives Portfoliomanagement voraus. Eine einfache Buy-and-hold-Strategie ist für 2020 wenig erfolgversprechend. Gleichzeitig wird man sich auch vom gängigen Benchmark-Gedanken lösen und eher auf eine Absolute-Return-Strategie einschwenken müssen.

In der Tat erscheint vor diesem Hintergrund ein rein passives Investment, das einfach gängige Börsenindizes repliziert, wenig erfolgversprechend. Vielmehr sind Investoren gut beraten, sich in den kommenden Quartalen einer aktiven Titelselektion zu widmen respektive auf das Know-how von aktiven Portfoliomanagern zu vertrauen.


wenzel franz 134 192Franz Wenzel gehört seit Oktober 2016 dem Team ‹Multi Asset Client Solutions› von Axa Investment Managers an. Ab Mai 2012 koordinierte er als Chefstratege die Abteilungen makroökonomische Forschung und Investment-Strategie. Zwischen 2005 und 2010 war er stellvertretender Direktor der Abteilung Research & Investment. Wenzel stiess Ende 1997 als Senior Investment Strategist zu Axa IM und war verantwortlich für die makroökonomische Analyse der Eurozone und daran angrenzender Länder. Ab 2000 beschäftigte er sich schwerpunktmässig mit dem weltweiten Aktienmarkt und Rohstoffen als Anlageklasse.

 

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