Richard Mooser: «Wir finden für fast alles ein Plätzchen»

Was motiviert dazu, dem Geschäft mit Frankenanleihen mehr als drei Jahrzehnte lang treu zu bleiben? Zum einen handelt es sich um einen Markt, der immer noch stark von persönlichen Beziehungen geprägt ist, zum anderen bieten gewisse Eigenheiten wie die tiefe Liquidität auch Chancen. Im Interview mit finews.ch verrät Richard Mooser, CIO von Axa Investment Managers, zudem, weshalb Fremdwährungsanleihen weniger attraktiv sind, als es den Anschein macht. Und er kritisiert, dass sich die Transparenz am Sekundärmarkt laufend verschlechtert.

Man darf ihn mit Fug und Recht als eines der Urgesteine am Schweizer Kapitalmarkt bezeichnen: Richard Mooser, der seit über 35 Jahren in verschiedenen Funktionen im Geschäft ist. Seit 2008 ist Mooser bei Axa Investment Managers tätig, zuerst als Portfoliomanager für Frankenanleihen, heute als Head of Fixed Income, Mitglied der Geschäftsleitung und Chief Investment Officer.

Gestartet war Mooser 1989 bei der Grossbank SBG noch als Ringhändler, später übernahm er die Führung des Primärmarkthandels mit Frankenobligationen. 1994 wechselte er zur Deutschen Bank in Zürich, wo er den Handel und am Ende auch die Kapitalmarktaktivitäten leitete. Dann beschloss das Institut, auch das Emissionsgeschäft in Franken aus London heraus zu betreiben (mit gemischtem Erfolg). «Ich machte den Umzug nicht mit, sondern gönnte mir eine zweijährige Auszeit mit Babypause, Weiterbildung und für die Pflege anderer Hobbies», erklärt Mooser im Gespräch mit finews.ch schmunzelnd.

Ein Schwergewicht am Frankenanleihenmarkt

BNP Paribas hat im August 2024 bekanntgegeben, Axa Investment Managers übernehmen zu wollen, die Transaktion wird am 1. Juli 2025 vollzogen. «Hierzulande gibt es praktisch keine Überschneidungen zwischen den Teams», hält Mooser dazu fest. Und unverändert ist Axa mit Abstand sein grösster Kunde. Axa Investment Managers verwaltet Gelder auf der Bilanz der Versicherung, aber auch die Vorsorgegelder, die halbautonomen Sammellösungen, die nicht auf der Bilanz sind.

Mit 32 Milliarden Franken, die über Fonds, Mandate und weitere Vehikel zum grössten Teil in Frankenobligationen (von Schuldnern mit Anlagequalität) und zum kleineren Teil in Darlehen an öffentlich-rechtliche Körperschaften investiert sind, gehört Axa Investment Managers zu den grössten institutionellen Anlegern am Schweizer Markt. Zum Vergleich: Der Swiss Bond Index (SBI), der Referenzwert für den Gesamtmarkt, umfasst derzeit Anleihen mit einer Kapitalisierung von rund 580 Milliarden Franken.

Herr Mooser, Fremdwährungsanleihen bieten doch eine viel bessere Rendite als Obligationen aus dem Tiefzinsland Schweiz. Weshalb investieren Sie in Frankenbonds?

Weil erstens die Währungsabsicherung ziemlich teuer sein kann. Wenn Sie eine Euroanleihe kaufen und das Währungsrisiko absichern, kommt das renditemässig unter dem Strich fast auf dasselbe heraus, wie wenn Sie einfach Frankenobligationen gekauft hätten. Und bei Dollaranleihen schneiden Sie im Moment nach dem Hedging sogar noch schlechter ab, weil die Volatilität und damit die Absicherungskosten hoch sind.

Und zweitens?

0,30 Prozent Rendite für den zehnjährigen «Eidgenossen» ist nominal gesehen ziemlich wenig. Aber wenn Sie das real betrachten, sieht die Welt anders aus. In der Schweiz haben wir zurzeit praktisch keine Inflation, d.h. nominal gleich real. Deutsche Bundesanleihen rentieren nominal zwar 2,45 Prozent, aber bei einer Inflation von gut 2 Prozent bleibt davon real nicht mehr viel übrig. So unattraktiv ist der Schweizer Markt also nicht.

«Wenn Sie die reale statt die nominale Rendite betrachten, sieht die Welt anders aus. So unattraktiv ist der Schweizer Markt nicht.»

Ein Punkt, der gegen Frankenobligationen spricht, ist die tiefe Liquidität.

Auch hier gilt es zu differenzieren. In Stressperioden beispielsweise muss unser Markt den Vergleich mit dem angeblich so liquiden Eurobondmarkt nicht scheuen. Aber ich gebe Ihnen recht: Wir haben einen Markt, der von Investoren dominiert wird, die kaufen und die Position dann oft bis zum Verfall halten. Deshalb verfügen die Banken nur über kleine nicht platzierte Quoten, was den Handel teilweise schwerfällig und illiquid macht. Gewisse Emissionsbanken dürften durchaus etwas aktiver Marktpflege betreiben. Dann würde am Sekundärmarkt auch mehr gehandelt, und das Bild bei den Abschlüssen an der SIX Swiss Exchange wäre weniger trist.

Stimmt es, dass die Liquidität seit der Finanzkrise abgenommen hat?

Ja. Die Bankenbücher waren früher grösser, und es gab mehr Marktteilnehmer. Heute wollen die Banken die Risiken auf die Kunden überwälzen und nicht mehr selber tragen, der eigene Handel, das Nostro-Geschäft, ist deutlich reduziert worden. Das liegt an den Eigenkapitalvorschriften und weiteren Regulierungen, aber auch intern sind die Schrauben angezogen worden. Ausgesuchten Kunden stellen die Banken jedoch weiterhin punktuell Liquidität zur Verfügung, für opportunistische Anleger und den breiten Markt ist es jedoch schwieriger geworden.

Spüren Sie den Wegfall der Credit Suisse, der früheren Nummer eins im Emissionsgeschäft?

Ja, die Dominanz der UBS ist durchaus spürbar. Aber das Umfeld bietet auch Chancen. So ist die Deutsche Bank in der Schweiz wieder sehr aktiv unterwegs, und neue Akteure wie die Bank Safra Sarasin spielen mit. Das allgemeine Kräfteverhältnis hat sich zwangsläufig in Richtung UBS verschoben, aber die Grossbank ist erfreulicherweise bisher recht partnerschaftlich unterwegs und nützt ihre Stellung auch im Sekundärmarkt nicht aus. Allerdings hat dort die Transparenz in den letzten Jahren stetig abgenommen.

«Die Dominanz der UBS ist durchaus spürbar. Aber das Umfeld bietet auch Chancen.»

Was ist der Grund, und wo liegt das Problem?

Die Reporting-Pflicht der SIX Swiss Exchange, der eigentlich alle Mitglieder unterworfen wären, wird immer mehr ausgehöhlt. Zum Beispiel wird über Singapur oder London gehandelt. Heute wird etwa die Hälfte der Volumen gar nicht mehr rapportiert. Aus Investorensicht verschlechtert diese Entwicklung die Transparenz des Marktes laufend und ist alles andere als positiv. Ich frage mich aber auch, wo beispielsweise der Retail-Flow, also die Transaktionen der Privatanleger, bei der UBS geblieben ist. Es ist nicht mehr viel davon sichtbar, vielleicht läuft das über eine bankinterne Plattform.

Sie sind seit über 35 Jahren im Geschäft. Was macht es so spannend?

Zwei Dinge. Erstens bieten die Schwächen des Marktes auch Chancen. Beispiel Illiquidität: Als grosser Investor können wir in die Bresche springen und im Sekundärmarkt punktuell Liquidität zur Verfügung stellen, wenn jemand kaufen oder verkaufen will. Natürlich tun wir dies nur, wenn die Preisgestaltung unseren Vorstellungen entspricht. Auch die Banken wissen das und kommen manchmal mit ihren Kunden zu uns. Da wir über eine ganze Palette sehr unterschiedlicher Anlagegefässe – Lang- und Kurzläufer, Buy and Hold versus aktives Trading usw. – verfügen und unser Volumen ziemlich stattlich ist, finden wir für fast alles ein Plätzchen, vorausgesetzt der Preis stimmt.

Als grosser Investor können wir in die Bresche springen und im Sekundärmarkt punktuell Liquidität zur Verfügung stellen.»

Und was ist die zweite Eigenheit, die Sie am Markt schätzen?

Dass er immer noch personenbezogen und nicht «anonymisiert» wie das Eurobondgeschäft ist. Man kennt sich, tauscht sich aus, hat gemeinsame Projekte, pflegt das Netzwerk – und das oft über Jahrzehnte.

Beim Blick auf das Emissionstableau fällt auf, dass nach einer langen Durststrecke nun wieder etliche ausländische Schuldner an den Schweizer Markt zurückgekehrt sind. Was ist der Grund?

Die Finanzkrise 2008 hatte dem zuvor boomenden Auslandsegment einen harten Schlag versetzt, stammte doch damals das Gros der Schuldner aus dem Finanzsektor. In der Folge wandten sich auch viele Investoren von Auslandsegment ab. In der Negativzinsperiode ab 2014 waren die Konditionen am Swapmarkt für Schuldner, die den Emissionserlös in Dollar oder Euro umtauschen wollten, sehr ungünstig. Heute sind die Tauschkosten wieder moderat – und siehe da: Lang verschollene Auslandschuldner kehren an den Frankenmarkt zurück.

Zu reden gibt am Markt auch die Zunahme des Renditezuschlags zum Swapmarkt über alle Segmente hinweg. Haben Sie dafür eine gute Erklärung?

Leider nein. Es handelt sich dabei um eine Niveauverschiebung, die Abstände zwischen Eidgenossen, Pfandbriefen, Kantonalbankanleihen usw. sind in etwa gleichgeblieben.

Apropos Pfandbriefe und Kantonalbanken. Fast zwei Drittel des ausstehenden Volumens im Inlandsegment weisen einen starken Bezug zum Schweizer Immobilienmarkt auf. Ist das nicht ein Klumpenrisiko?

Das ist es, aber dieses Risiko ist qualitativ sehr hochstehend. Die Pfandbriefanleihen weisen ein mehrfaches Sicherheitsnetz auf. Die Kantonalbanken können in extremis auf die Kantone zählen. Aber ich wäre vielleicht etwas vorsichtiger bei den anderen Covered Bonds, mit denen Schweizer Hypotheken refinanziert werden. Oft werden dort Assets verpackt, die für die beiden Pfandbriefinstitute zweite Wahl waren. Bonitätsmässig liegen keine Welten dazwischen, doch aus meiner Sicht lohnen sich solche Bonds bloss wegen ein paar Basispunkten mehr Rendite nicht.

«Ich wäre vielleicht etwas vorsichtiger bei den anderen Covered Bonds, mit denen Schweizer Hypotheken refinanziert werden.»

Vergangenes Jahr ist mit dem GZO Spital Wetzikon zum ersten Mal seit dem Fall Swissair 2001 wieder ein Schweizer Anleihenschuldner zahlungsunfähig geworden. Waren Sie auch betroffen?

Nein. Wir waren bezüglich der eigenständigen Finanzierung der Spitäler, die um 2015 eingeführt wurde, immer skeptisch. Wird die staatliche Unterstützung ausgeblendet, betrachtet man also die Spitäler auf einer Standalone-Basis, darf man aufgrund der Bonitätskennziffern eigentlich keine Spitalanleihen haben. Wir haben uns nicht zugetraut, zu entscheiden, welche Spitäler wirklich wichtig sind und im Krisenfall von der öffentlichen Hand gerettet werden könnten – und welche nicht.

Und weshalb sind Sie auch im Darlehensgeschäft aktiv?

Typischerweise vergeben wir an Gemeinden Kredite über 5, 10 oder 20 Millionen Franken. Diese Darlehen müssen wir in der Regel bis zum Verfall halten, sie lassen sich praktisch nicht veräussern. Dafür verlangen wir eine Illiquiditätsprämie. Zudem können wir so unsere Anlagen diversifizieren. Für die Bonitätsanalyse greifen wir dabei auf internes und externes Knowhow zurück.

Warum sind die Gemeinden bereit, Ihnen einen solchen Aufschlag zu bezahlen?

Weil für sie die Kosten der Lancierung einer Anleihenemission beträchtlich sind und ihnen auch oft die kritische Grösse dafür fehlt.