François Divet: «Die Cat-Bond-Szene in Paris ist kleiner als in Zürich»
Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Cat-Bond-Markt aus? Werden wie vor 20 Jahren immer noch Versicherungsrisiken aus Hurrikanen und Erdbeben in den USA verpackt und an Investoren in Europa verkauft? Antworten auf diese Fragen gibt der Leiter ILS bei Axa IM Alts – und er skizziert auch, wie das Worst-Case-Szenario für sein Geschäft aussähe.
Vor gut 20 Jahren hat sich der Markt für Katastrophenanleihen (Cat Bonds) in der Schweiz etabliert, und genau so lange ist es her, dass François Divet, heute Head Insurance Linked Securities (ILS) bei Axa Investment Managers Alternatives (Axa IM Alts) in Paris, mit dem Instrument in Berührung kam.
Er stand damals allerdings noch «auf der anderen Seite», war nämlich für die Versicherung Axa an der Ausgestaltung ihres ersten Cat Bonds überhaupt beteiligt. 2008 wechselte er auf die Anlageseite, und heute verwaltet sein Team 1,1 Milliarden Dollar. «Wir sind hauptsächlich, im Auftrag von Kunden, in Cat Bonds investiert, weil diese – im Gegensatz zu privaten ILS-Instrumenten – auch regulatorisch als liquide Anlagen gelten», hält Divet im Gespräch mit finews.ch in Zürich fest. Er kennt auch eine weitere gewichtige Gruppe von Marktakteuren gut, war er doch vor Axa für Scor tätig, die grösste französische Rückversicherung.
Herr Divet, in der Schweiz hat sich ein Ökosystem für Cat Bonds entwickelt. (Rück-)Versicherungen emittieren die Obligationen über Spezialzweckgesellschaften, Vermögensverwalter bieten institutionellen und privaten Anlegern Fondslösungen an. Gibt es das in Frankreich auch?
Der Schweizer Markt ist auch für uns wichtig, wir haben ja hier einige Kunden, speziell Pensionskassen. In Zürich sind viele Versicherungen vertreten, die als Emittenten bzw. Sponsoren agieren. Zudem sind Rückversicherer vor Ort, die mit ihrem klassischen Geschäft den Markt konkurrieren, zugleich aber auch als Sponsoren aktiv sind – und natürlich viele auf ILS spezialisierte Vermögensverwalter. Die Szene in Paris ist kleiner, unter den Anlegern hat es regulatorisch bedingt kaum Pensionskassen. Wenn in Europa den Investoren eine neue Transaktion auf einer Road Show präsentiert wird, sind London und Zürich gesetzt, gefolgt von Paris.
Kann man das Geschäftsmodell so zusammenfassen, dass Versicherungsrisiken aus Hurrikanen und Erdbeben in den USA in einen Cat Bond verpackt werden und dieser dann an Investoren in Europa verkauft wird?
Ja, grob gesagt stimmt das. Allerdings sind auch etliche US-Anleger im Geschäft aktiv. Ausserdem gibt es Verbriefungen, die sich auf Naturkatastrophen in Europa beziehen. Die USA sind aber nach wie vor der dominante Markt, und entsprechend ist der Dollar die Referenzwährung.
Ist es grosso modo richtig, dass in den vergangenen 20 Jahren das ganz grosse Schadenereignis ausgeblieben ist und damit die Investoren in Cat Bonds kaum zur Kasse gebeten wurden?
Es gab in dieser Zeit einige gravierende Ereignisse wie 2005 der Hurrikan Catharina, 2011 das Erdbeben mit dem Tsunami in Japan, 2017 diverse Hurrikane und 2025 Waldbrände. Aber sie wirkten sich in der Tat nicht auf die Cat Bonds aus, weil diese nur vorrangige Tranchen einer Verbriefung enthalten. Davon betroffen waren allerdings andere ILS-Instrumente wie an den Privatmärkten gehandelte Junior-Tranchen, die zur Schadendeckung herangezogen wurden. Zu beachten ist, dass sich Cat Bonds fast ausschliesslich auf Hurrikane und Erdbeben beziehen, während andere ILS beispielsweise auch Waldbrände und Winterstürme umfassen. Cat Bonds sind besser strukturiert und weniger riskant, entsprechend liegt die Rendite etwas tiefer.
«Gravierende Ereignisse in den letzten 20 Jahren wirkten sich nicht auf die Cat Bonds aus, weil diese nur vorrangige Tranchen einer Verbriefung enthalten.»
Was wäre das Worst-Case-Szenario für den Markt?
Ein Riesenereignis von historischer Tragweite wie der Hurrikan von 1926 in Miami oder das Erdbeben von 1906 in San Francisco. Das würde mehrere Cat-Bonds zugleich treffen. Allerdings gibt es unterschiedlich definierte Auslöser. Manche Trigger beziehen sich auf die Höhe des effektiven Schadens eines Einzelereignisses, einige auf den kumulierten mehrerer Ereignisse. Andere Trigger wiederum sind parametrisch definiert, also z.B. abhängig von der Stärke eines Erdbebens.
Wie verändert der Klimawandel den Markt? Können Investoren mit höheren Risikoprämien rechnen?
Unser Zeithorizont bei Cat Bonds entspricht der durchschnittlichen Anlagedauer von drei Jahren. Dagegen beziehen sich die Prognosen des International Panel of Climate Change (IPCC) auf 2050 oder gar 2100. Der IPCC geht davon aus, dass die Häufigkeit von Hurrikanen nicht zunimmt, diese aber stärker werden. Für unsere Prognosen verwenden wir interne und externe Software-Modelle, die wir laufend weiterentwickeln. Knifflig sind die Interdependenzen, beispielsweise die Einschätzung, ob die Böden trockner werden, was Brände begünstigt. Und um Ihre zweite Frage zu beantworten: Nein, wir rechnen nicht mit einer Ausweitung der Risikoprämien. Haupttreiber des Marktes ist weiterhin das Bevölkerungswachstum und damit das Schadenpotenzial in gefährdeten Regionen wie Kalifornien und Florida.
«Haupttreiber des Marktes ist weiterhin das Bevölkerungswachstum und damit das Schadenpotenzial in gefährdeten Regionen wie Kalifornien und Florida.»
Besteht nicht das Risiko einer negativen Selektion, d.h., dass die Rückversicherer die schlechten Risiken an den Markt weitergeben und die guten behalten?
Nein, so funktioniert dieser Markt nicht. Es werden jeweils alle Policen ausgelagert, ein Versicherer hat keine Selektionsmöglichkeit.
Hauptargument für ILS inklusive Cat Bonds ist die tiefe Korrelation zu anderen Anlageklassen bei zugleich anständigen einstelligen Renditen. Gibt es weitere Gründe für ILS?
Die tiefe Korrelation ist in der Tat das Schlüsselelement, das in der Corona- und Ukraine-Krise, aber auch in der Liberation-Day-Episode eindrücklich bestätigt worden ist. Und über die letzten 20 Jahre resultierten ansehnliche Erträge. Ich würde zusätzlich die limitierte Volatilität zu den Vorteilen der Anlageklasse zählen.
Für Bonds sind die Zinsbewegungen entscheidend. Wie reagieren Cat Bonds darauf?
Sie sind als variabel verzinsliche Papiere, sogenannte Floaters, ausgestaltet und weisen daher kaum ein Zinsrisiko auf. Höhere Zinsen wären damit sogar gut für die Investoren.