Die Bellevue Gruppe hat nach einigen Umwegen den Wandel zum reinen Asset Manager geschafft. Als kleiner Nischenplayer könnte Bellevue nun rasch zum Übernahmekandidaten werden.

Vor zehn Jahren war Bellevue noch eine Transaktionsbank und ein Broker. Heute darf sich das Unternehmen als reinen Asset Manager bezeichnen.

«Die Bank ist bald weg», atmete Bellevue-CEO André Rüegg am Dienstag vor den Medien erleichtert auf. Der Vollzug des Verkaufs an die von Ex-UBS-Topmanager Jürg Zeltner geführte Privatbankengruppe Quintet ist eine Frage von Tagen, höchstens Wochen. Die Europäische Zentralbank müsse nur noch per Post ihr Plazet an die Schweizer Behörden übermitteln.

Zunächst mit, dann ohne Bank

Die Transition ist damit – praktisch – vollzogen. Vor über zehn Jahren war der Entscheid gefallen, Bellevue neu als Asset Manager auszurichten. Dass diese Strategie ganz ohne Bank und entsprechende Lizenz vollzogen werden würde, ist erst seit knapp einem Jahr klar. Nachdem der Neustart der Bank am Bellevue als Wealth Manager im Jahr 2018 in einem herben Verlust endete, zogen Aktionäre und Verwaltungsrat die Reissleine. Die Bank musste weg.

Ohne dieses «Legacy»-Asset steht Bellevue ganz ansehnlich da: Der «Track Record» und die Reputation als auf Gesundheits-Themen spezialisierter Asset Manager sind ausgezeichnet. Die in den letzten Jahren verstärkte Diversifikation mit eigenen und eingekauften Strategien funktioniert. Der operative Ertrag stieg seit 2014 durchschnittlich um 24 Prozent pro Jahr, die verwalteten Vermögen – auch dank Akquisitionen – um jährlich 14,7 Prozent.

Ein kleiner Nischenplayer

Doch Bellevue ist im Konzert der Grossen ein kleiner Nischenplayer. Mit verwalteten Vermögen von 10,6 Milliarden Franken ist die Bezeichnung «Boutique» angebracht. Zwar ist der Fussabdruck von Bellevue annähernd global, die Expansion in neue Märkte wie derzeit Israel und Italien läuft und die USA sind angedacht.

Doch sind für einen Asset Manager dieser Grösse die Vertriebsmöglichkeiten vornehmlich darauf beschränkt, auf die Plattformen von Drittanbietern zu kommen.

Ohne «Giftpille»

Die Wachstumsstrategie im Alleingang weiterzuführen, hat ihre Limiten. Mit anderen Worten: Ist Bellevue nun, wo die «Giftpille Bank» weg ist, ein Übernahmekandidat?

Die Frage ist auch für CEO Rüegg und Verwaltungsratspräsident Veit de Maddalena nicht ketzerisch. Die Asset-Management-Industrie durchläuft eine gewaltige Transformation und Konsolidierung. Vergangenen Monat kündigte Franklin Templeton die Milliarden-Akquisition von Legg Mason an – der bisher letzte einer Reihe von Grossdeals in der Branche.

Die Konsolidierung im Asset Management findet aber auch in tieferen Sphären statt. Vermögensverwalter und Banken, die sich dem brutalen Preiskampf unter den grossen globalen Anbieter mit einem Fokus auf aktive Strategien entziehen wollen, suchen verzweifelt nach Renditequellen für ihre Kunden.

Asset-Management-Boutiquen erzielen auf dem Käufermarkt derzeit Höchstpreise, und fähige Investmentteams werden mit allen Mitteln gelockt oder angebunden.

Hürden wären zu nehmen

Mit einer Marktkapitalisierung von rund 370 Millionen Franken wäre Bellevue für manch grösseren Konkurrenten aus der «Portokasse» bezahlbar.

Doch sind die Hürden für einen möglichen Käufer auch nicht gerade niedrig. CEO Rüegg reicht die Frage an den Bellevue-Verwaltungsrat weiter. Es müsste an ihm liegen, ein Angebot, sofern es denn käme, zu prüfen. Im Gespräch mit finews.ch, stellt Präsident de Maddalena klar, es bestünden keine Verkaufsabsichten.

Und für mögliche Interessenten wären zwei grosse Hürden zu nehmen. Erstens ist die jeweilige Unternehmenskultur bei der Übernahme von Vermögensverwaltern und insbesondere Finanz-Boutiquen ein relevanter Faktor.

Starkes Aktionariat

Zweitens verfügt Bellevue über ein starkes Kernaktionariat. Der Financier Martin Bisang und das Ehepaar Jürg und Manuela Schäppi kontrollieren über einen Aktionärsbindungs-Vertrag gut 31 Prozent von Bellevue. Der deutsche Banker Jörg Bantleon hält weitere 11,2 Prozent, und Bellevue-Mitarbeiter besitzen 13,3 Prozent der Bellevue-Aktien.

Bei einem entsprechend lukrativen Angebot müsste ein Käufer zudem berücksichtigen, dass Bellevue nicht nur in diesem Jahr ein ausgesprochen aktionärsfreundliches Unternehmen ist: Für 2019 schüttet Bellevue knapp 54 Millionen Franken aus. Dies dank der Sonderdividende aus dem Verkauf der SIX-Beteiligung, aber auch, weil die ordentliche Dividende um 14 Prozent erhöht worden ist.

Die Bellevue-Aktionäre zu überzeugen, auf den jährlich wiederkehrenden Geldregen zugunsten einer einmaligen Prämie zu verzichten, dürfte einem Käufer nur gelingen, wenn er entsprechend tief in die Taschen greift.

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