Die Bellevue Gruppe hat weitere unruhige Jahre vor sich. Anstatt die Bank ganz zu schliessen, will CEO André Rüegg das Institut komplett neu positionieren. Das wird erneut viel Schweiss kosten.

Gegen Ende der Pressekonferenz der Bellevue Gruppe am Dienstag wird CEO André Rüegg emotional. Die vergangene Woche beschlossene Schliessung der Brokerage- und Corporate-Finance-Aktivitäten und der damit verbundene Abbau von 25 Angestellten, seiner engen Arbeitskollegen, gehen ihm nahe.

Gleichzeitig bedeuten der radikale Rückbau der Bank und die Aufgabe ihres früheren Kerngeschäftes den Start für einen Neuaufbau. Das heisst: Erneute Restrukturierung, weitere Übergangsjahre, noch mehr Unsicherheiten.

Nie mehr ruhiges Fahrwasser gefunden

«Ich wünschte auch, dass einmal fertig damit wäre», sagte Rüegg, der 2009 zur Bellevue Gruppe gestossen war und das Asset Management aufbaute. Seit 2015 ist er Bellevue-CEO.

Seit der schief gegangenen Fusion mit Swissfirst im Jahr 2006 hat die Bellevue Gruppe eigentlich nie mehr ruhiges Fahrwasser gefunden. Ein Grund dafür ist die eigentliche DNA dieses Instituts: Das Transaktionsgeschäft mit Brokerage und Corporate Finance.

Passivität lässt sich nicht vorwerfen

Einst eine wahre Goldgrube, befinden sich diese Geschäfte seit über einem Jahrzehnt im Niedergang. Diesen Niedergang, der sich in aufeinanderfolgenden Verlustjahren der Bellevue Bank manifestierte, hat der Bellevue-Verwaltungsrat sehenden Auges mitverfolgt.

Passivität kann man ihm nicht vorwerfen. Die Strategie der Gruppe ist seit einigen Jahren aufgegleist und greift: Weg vom Transaktionsgeschäft hin zu wiederkehrenden Erträgen aus der Vermögensverwaltung und im Asset Management die Reduktion der Abhängigkeit von BB Biotech und vom Health-Care-Sektor zu einer breiteren Diversifizierung des Anlageuniversums.

Komplette Neuausrichtung

Dieser Teil des Umbaus ist gelungen: Das Asset Management wächst und steht dank der letztes Jahr erfolgten Übernahme der deutschen Starcapital auf breiteren Füssen. Und die Einheit verdient nun auch das Geld, das notwendig ist, um den zweiten Teil dieses Umbaus in Angriff zu nehmen: Die komplette Neuausrichtung der Bank.

Ohne Brokerage und Corporate Finance verbleibt in diesem Geschäft nicht viel: Ein wenig Handel, etwas Market-Making und Custody-Services. Würde heute ein Finanzinstitut mit Asset Management und Vermögensverwaltung auf der grünen Wiese gebaut, dann wäre da wohl keine Bank dabei.

Die Bank bietet noch Vorteile

Doch die Bellevue Bank, das machte Rüegg klar: «Das sind wir, die Bellevue Gruppe.» Der Markt nehme die Gruppe als Bank wahr, die neu gewonnenen Vermögensverwaltungskunden begrüssten das Vorhandensein der Banklizenz. «Es wäre kontraproduktiv gewesen, die Bank zu schliessen», ist sich Rüegg sicher.

Er sieht weitere grosse Vorteile, weiterhin eine Bank zu betreiben. Erstens biete sie regulatorische Sicherheit für Kunden und bilde somit auch die Leitplanken für die ganze Gruppe im Zuge der weiteren regulatorischen Veränderungen. Zweitens bietet die Bank bereits einen effektiven Nutzen, in dem sie Kredite für Vermögensverwaltungskunden vergeben kann.

Drittens diene sie als Verwahrerin von Wertschriften, was einem Kundenwunsch entspreche, so Rüegg. Viertens soll die künftige Bank auch grenzüberschreitende Dienstleistungen anbieten können.

Ein weiteres Verlustjahr

Doch zunächst steht der Rückbau an. Um die 3 bis 5 Millionen Franken wird dies kosten, so die Schätzungen. Ein weiteres Verlustjahr ist damit vorprogrammiert. Die nächste Phase, welche Rüegg «Revitalisierung» nennt, soll im zweiten Halbjahr 2017 beginnen.

Das Ziel: Neben dem «Pure Play»-Asset-Management auch eine solche Vermögensverwaltung mit umfassenden Dienstleistungen für unternehmerische Privatkunden aufbauen.

Rüegg veranschlagt für die Dauer der Übung zwei bis drei Jahre. «Wir wollen Gas geben», sagte er und wiederholte, zur Beschleunigung dieser Revitalisierung auch zum Mittel Übernahmen greifen zu wollen.

Keine anderen Optionen

In Zeiten der laufenden Konsolidierung auf dem Schweizer Finanzplatz und des stetig enger werdenden Regulierungskorsetts, steigender Kosten und sinkender Margen hat sich die Bellevue Gruppe zu einem Schritt entschlossen, dem Respekt gezollt werden muss.

Die Einstellung der Brokerage- und Corporate-Finance-Aktivitäten ist hart. Der Verwaltungsrat hat sich zu dem Entscheid durchgerungen, weil schlicht keine anderen Optionen vorhanden waren. Es war darum auch ein unternehmerischer Entscheid gewesen, wie Rüegg anerkannte. Denn er war notwendig, um ein Überleben der Bank zu ermöglichen.

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