Der Fintech- und Banken-Experte Stephen Wall sieht einen riesigen Graben zwischen kleineren Vermögensverwaltern und Technologie-Anwendungen. Er könne sich nicht vorstellen, dass sich das mit Corona nicht ändere, sagt er gegenüber finews.ch.


Stephen Wall, Sie haben den ersten «Swiss Wealth Technology Landscape Report» veröffentlicht. Technologie und Vermögensverwalter, das passt immer noch nicht so richtig zusammen. Warum?

Ein Aspekt ist, dass es viel mehr Technologie-Anbieter in der Schweiz gibt, als Wealth Managern eigentlich bewusst ist. Das erklärt teilweise, dass sie bislang nur Babyschritte in Richtung Technologie machen.

Warum?

Historisch gesehen war Technologie immer recht teuer, schwierig in der Anwendung und schwer zu integrieren. Darum investierten Finanzunternehmen nur alle fünf oder zehn Jahre in neue Technologien. Heute sind die Anwendungen viel einfacher integrierbar, doch den Vermögensverwaltern ist das zu wenig bewusst.

Was hat sich vor allem geändert?

Die heutigen Fintechs und Wealth-Management-Dienstleister sind in spezifischen Nischen tätig. Zum Beispiel gibt es Anbieter für das Kunden-Onboarding, andere für das Datenmanagement, Interfaces, Portfoliomanagement-Systeme – das sind Werkzeuge, die heute spezifisch für Privatbanken oder unabhängige Vermögensverwalter gebaut werden.

Kulturell gesehen pflegen Private Banker und Tech nicht gerade eine Liebesbeziehung.

Ja, vor allem die kleineren Privatbanken vertreten die Haltung, «wir machen es noch selber, wir pflegen Kundenbeziehungen, sprechen mit unseren Kunden, Technologie ist zu teuer». Dabei gibt es nun viele digitale Anwendungen, welche all dies nun vereinfachen.

«Covid-19 ist nur ein kurzer, harter Schock»

Doch es gibt weiterhin diesen Graben zwischen dem heute technologisch ohne weiteres Machbaren und der Mentalität der Vermögensverwalter.

Wird die Corona-Pandemie Vermögensverwalter nun verstärkt zu Technologie-Anwendungen bewegen?

Die Art der Kommunikation zwischen Vermögensverwaltern und Kunden und die Pflege der Kundenbeziehung werden nun viel stärker über digitale Kanäle erfolgen, schon alleine deswegen, weil die Reisefreiheit extrem eingeschränkt ist. Covid-19 ist nur ein kurzer, aber harter Schock. Doch er wird hoffentlich dazu führen, dass Wealth Manager nun schneller realisieren, dass sie eine technologische Infrastruktur benötigen, um sich anzupassen. Aber die meisten bekunden damit grosse Mühe.

Zoom ist derzeit enorm populär, auch unter Bankern. Doch gibt es erhebliche Sicherheitsmängel.

Solche Massenmarkt-Produkte sollten nur für eine Art Beziehungspflege benutzt werden, nicht für kritische Inhalte. Für den Austausch von vertraulichen Inhalten kommen nun mehr Produkte auf den Markt.

Ralph Hamers, der designierte CEO der UBS, ist fasziniert von Big-Data- und Künstliche-Intelligenz-Technologien. Wie sollte man an diese herangehen?

Wir beobachten, dass diese Art von Technologien über das Stadium heraus sind, blosse Schlagzeilen zu liefern. Es gibt zahlreiche Beispiele einer erfolgreichen Nutzung, zum Beispiel die Personalisierung von Angeboten und Dienstleistungen.

«Klar, billig sind diese nicht»

Individuen erhalten so Inhalte, die genau ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechen.

Doch gerade kleinere Wealth Manager argumentieren, dass solche Technologien ihre finanziellen Möglichkeiten überschreiten.

Wir stecken in einem sogenannten Trickle-Down-Effekt: Viele Anwendungen passen nun auch für kleinere Vermögensverwalter. Klar, billig sind diese nicht und entsprechend birgt eine Investition auch Risiken. Doch gibt es inzwischen deutlich mehr Standardprodukte auf dem Markt in den Bereichen Kundenberatung, Research, Kommunikation und Marketing.

Was wird es Vermögensverwalter kosten, um ihren technologischen Rückstand wettzumachen?

Über den ganzen Markt hinweg gesehen ist es eine monströse Zahl. Aber man kann sich an solchen Kostenberechnungen fest beissen, wenn man in traditionellen Denkstrukturen stecken bleibt. Oder man kann damit beginnen, einfach nur für Anwendungen bezahlen zu wollen, die man wirklich braucht.

«Fintechs müssen ihr Wissen über die Kunden verbessern»

Das SaaS-Modell (Software as a Service) und ihre Anbieter haben Dienstleistungen, die auch für kleinere Wealth Manager durchaus erschwinglich sind. Zudem werden solche Paket-Angebote immer billiger, weil sie aus der Cloud kommen.

Die Corona-Pandemie wird viele Wealth Manager erheblich schmerzen. Da stellt sich in Bezug auf Ausgaben für Technologie die Frage: Ist dies ein entscheidender Moment für die Branche?

In Bezug auf eine langfristige Planung, beispielsweise was den Aufbau einer Kundenbasis aus der nächsten Generation betrifft, sind die heutigen Geschehnisse ein Schock. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich traditionelle Vermögensverwalter trotzdem nicht mehr in Richtung Technologie bewegen. Was Fintechs und Vermarkter verbessern müssen, ist ihr Wissen über den Return on Investment ihrer Angebote: «Warum braucht ein Vermögensverwalter diese Tech-Anwendung und was bringt sie ihm effektiv?»


Stephen Wall hat Wealth Mosaic im Jahr 2017 zusammen mit Simon Ramery gegründet. Er war zuvor als Berater für Privatbanken bei Aite tätig. Zusammen mit Ramery hat er kürzlich die erste Ausgabe des «Swiss Wealth Technologie Landscape Report» veröffentlicht.

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