Die Entscheidung mehrerer Notenbanken, die Zinsen substanziell zu erhöhen, ist zu begrüssen. Kritisieren könne man die Notenbanker nur dafür, dass sie die Inflationsgefahren unterschätzt hatten und zu spät mit ersten Zinsschritten nach oben reagierten, schreibt der Publizist und Ökonom Bernd Kramer in seinem Beitrag auf finews.ch. Wie geht es jetzt weiter?

Hohe Inflationsraten sind Mist. Darüber gibt es eine breite gesellschaftliche Übereinstimmung. Der Konsens ist berechtigt. Verliert das Geld rasch an Wert, schrumpft insbesondere die Kaufkraft kleiner Vermögen, weil viele Bezieher mittlerer und geringer Einkommen ihr Erspartes nicht in Sachwerten wie Aktien oder Immobilien anlegen, sondern auf Sparbüchern und Festgeldkonten.

Dort schafft kein möglicher Kurs- oder Immobilienpreis-Zuwachs Erleichterung. Die gesparten Franken fallen ungeschützt der Inflation anheim. Der Zins hilft derzeit nicht. Er liegt deutlich unter der Geldentwertung. An Löhnen, Renten und Gewinnen nagt der Kaufkraft-Fresser Inflation ebenfalls. Zudem macht er eine vernünftige Kalkulation von Preisen schwieriger, weil die Kostenentwicklung kaum vorherzusehen ist.

Bürgerliche Gesellschaft zerstören

Der russische Revolutionsführer Wladimir Lenin hat die Sprengkraft rasch steigender Preise klar erkannt. Ihm wird das Zitat zugeschrieben: «Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muss man ihr Geldwesen verwüsten.»

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed), die Zinsen um stolze 0,75 Prozentpunkte zu erhöhen, zu begrüssen. Kritisieren kann man die Notenbanker nur dafür, dass sie die Inflationsgefahren unterschätzt hatten und zu spät mit ersten Zinsschritten nach oben reagierten.

Autokauf auf Pump wird schwieriger

Zinserhöhungen sind das schärfste Schwert im Kampf gegen die Inflation. Über sie lässt sich relativ schnell eine überschäumende Nachfrage, die auf ein knappes Angebot trifft, wirkungsvoll dämpfen. Höhere Zinsen machen Investitionen teurer und kreditfinanzierte Immobilienkäufe kostspieliger. Auch der Autokauf auf Pump wird schwieriger.

Vor allem die hohe Nachfrage, gespeist unter anderem von üppigen staatlichen Covid-Einkommenshilfen aus der Vergangenheit, treibt die Geldentwertung in den USA. Der hohe Bedarf an Arbeitskräften lässt ausserdem die Löhne in die Höhe schnellen. Von den Folgen des Ukrainekriegs für die Energieversorgung sind die Amerikaner weniger betroffen als die Europäer. Die USA hängen nicht vom russischen Gas ab.

Dollar-Geld wirft mehr Zinsen ab

Die Fed-Entscheidung wird die Menschen in Europa nicht unberührt lassen. Der Euro und auch der Franken verlieren gegenüber dem Dollar an Wert, weil in Dollar angelegtes Geld mehr Zinsen abwirft.

Das macht die Rohstoffrechnung für die Länder Europas noch teurer, da importierte Rohstoffe und damit auch Energieträger wie Öl oft in Dollar abgerechnet werden. Der Inflationsdruck hierzulande wird damit stärker.

Weiche Landung ungewiss

Früher oder später wird das höhere Zinsniveau in den USA auch die dortige Konjunktur deutlich abbremsen. Ob es dabei zu einer weichen Landung der US-Wirtschaft kommt, ist fraglich. Es ist äusserst schwierig, eine hohe Geldentwertung in den Griff zu bekommen, ohne dass dabei Volkswirtschaften schrumpfen.

Das zeigt die Geschichte. Stottert die US-Ökonomie, macht dies dem Export der Euroländer und der Schweiz in die USA zu schaffen, auch wenn ein schwächerer Euro oder Franken dem zumindest teilweise entgegenwirkt.

Giftiger Cocktail für die Konjunktur

Damit nicht genug. China, dessen rasanter wirtschaftlicher Aufstieg die Weltwirtschaft über so viele Jahre hinweg getragen hat, wird Europa nicht aller Sorgen entledigen. Die Regierung in Peking lässt Ideologie über Pragmatismus triumphieren und verunsicherte mit ihrer strikten Anti-Covid-Politik Bürger und Unternehmen gleichermassen. Chinas Wirtschaft leidet darunter.

Verbunden mit den riesigen Kaufkraftverlusten wegen teurerer Energie in Europa ist all dies ein giftiger Cocktail für die Konjunktur. Eine Rezession im kommenden Jahr ist nach Meinung einiger Experten sicher. Eine erfolgreiche Inflationsbekämpfung gibt es nicht umsonst.


Bernd Kramer ist Ökonom und leitender Wirtschaftsredaktor der «Badischen Zeitung» (BZ) in Freiburg im Breisgau. Er schrieb bereits in seiner Schulzeit die ersten Artikel für die Lokalredaktion der BZ. Nach einem Politik- und Volkswirtschaftsstudium in Heidelberg und Glasgow absolvierte er ein Volontariat bei der Zeitung. Nach drei Monaten als Sportredakteur bei «Der Sonntag in Freiburg» wechselte er 1999 in das Wirtschaftsressort der BZ.

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