Wie wählen Venture-Philanthropen die Organisationen aus, in die sie investieren? Nava Anvari, Investment Managerin von LGT Venture Philanthropy, erklärt den Due-Diligence-Prozess der Stiftung.


Frau Anvari, was ist Venture Philanthropy?

Wirkungsorientierte Organisationen wie NGOs können Lösungen zur Bewältigung gesellschaftlicher und ökologischer Probleme anbieten, haben aber oft nicht die Ressourcen, um in grossem Massstab zu arbeiten. Venture Philanthropy ermöglicht nicht nur den Zugang zu Finanzmitteln, sondern hilft auch beim Aufbau strategischer, operativer und verwaltungstechnischer Kapazitäten, damit die Organisationen ihr Modell effizienter skalieren und replizieren können.

Und wie finden Sie potenzielle Portfolio-Organisationen, in die Sie investieren möchten?

Es ist wichtig, einen Schritt zurückzutreten und das Konzept des Zielportfolios zu betrachten. Dieser Schritt ist in der Private-Equity-Branche sehr verbreitet, im Bereich der philanthropischen Investments jedoch weniger. Um ein Zielportfolio zu definieren, legt man fest, welche Wirkung man in einem bestimmten Bereich erzielen will. Dann legt man fest, wie das Portfolio in fünf Jahren aussehen soll, und zwar in Bezug auf die geografische Verteilung, die Branchenverteilung, die Grösse der Unternehmen oder das Wachstumsstadium.

«Die Dauer des Due-Diligence-Prozesses variiert von Organisation zu Organisation»

Bei LGT Venture Philanthropy (LGT VP) haben wir uns nach jahrelangem Lernen, Erforschen und Ausprobieren verschiedener Ansätze auf unsere beiden Regionen Indien und Afrika und drei Sektoren konzentriert – Bildung, Gesundheit und Umwelt. Für jeden Sektor und jede Region haben wir ein Zielportfolio mit spezifischen Ergebnissen und ein allgemeines Bild der Lösungen erstellt, die wir vorantreiben wollen.

Das Due-Diligence-Verfahren von LGT VP: Wie läuft es ab?

Die Dauer des Due-Diligence-Prozesses variiert von Organisation zu Organisation, dauert aber in der Regel etwa sechs bis acht Monate und umfasst drei Schritte. Zunächst wollen wir das Unternehmen in seinem Wesen verstehen – wer ist dieses Unternehmen, wie lange gibt es dieses schon, welches Problem versucht es zu lösen und wie? In dieser Phase erstellen wir eine dreiseitige Zusammenfassung unserer Erkenntnisse, ein «Factsheet», wie wir es nennen, und legen es unserem gesamten Team vor, das uns schwierige Fragen stellt, uns dabei hilft, tiefer zu graben und unser Verständnis der Lösung zu prüfen, und damit den Due-Diligence-Prozess in Gang setzt.

Das gesamte LGT VP Investmentteam ist also Teil des ersten Screenings des Unternehmens. Was ist der nächste Schritt?

Die zweite Phase, die «Vorprüfung», ist der umfassendste und ressourcenintensivste Teil des Due-Diligence-Prozesses, da wir die Lösung und die Menschen, die wir unterstützen wollen, im Kern verstehen wollen. Die Schlüsselfrage «Wer sind die Menschen und Teams, die wir unterstützen?» erinnert mich immer an einen Venture-Kapitalansatz, bei dem man in die Menschen investiert, die eine Lösung vorantreiben.

«Die Organisationen sind manchmal von der Anzahl der Fragen und der Detailgenauigkeit überrascht»

Wir lernen die Hintergründe, die Fähigkeiten, die Visionen und die Pläne der Organisationen kennen, und, was sehr wichtig ist, wir beginnen, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Das ist der Teil, den ich bei einem neuen Geschäft am spannendsten finde.

Was tun Sie in dieser zweiten Phase, abgesehen davon, dass Sie die Menschen verstehen?

In dieser Phase geht es auch darum, die Lösung und die Auswirkungen sowie die Kernbereiche des Unternehmens gründlich zu analysieren, zum Beispiel das Budget, die betrieblichen Abläufe und die langfristige Strategie. Wir wollen auch wissen, wer die wichtigsten Geldgeber und externen Partner sind, und führen detaillierte Marktanalysen durch, bewerten die mit unserer Investition verbundenen Risiken und entwickeln mögliche Ausstiegsstrategien.

Die Organisationen sind manchmal von der Anzahl der Fragen und der Detailgenauigkeit überrascht, realisieren aber anschliessend, dass wir dadurch zu einem wertvolleren Partner werden.

Was ist das Ergebnis dieser zweiten Phase?

Das Transaktionsteam erstellt ein vorläufiges Investitionsmemo, ein etwa 20-seitiges Dokument, das wir mit unserem Investment Committee (IC) besprechen. Dieses setzt sich aus den Partnern von LGT VP, einigen Stiftungsratsmitgliedern und externen Experten zusammen – allesamt Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, die ein gutes Gespür dafür haben, was es braucht, um Organisationen zum Erfolg zu verhelfen, und die sich für die Probleme begeistern, die wir zu lösen versuchen.

Was folgt nach der Vorprüfung?

Wenn wir die volle Unterstützung des IC erhalten, beginnen wir mit dem dritten und letzten Teil des Prozesses, der abschliessenden Prüfung, die in der Regel ein oder zwei weitere Monate dauert. In der Welt vor Covid bestand die abschliessende Prüfung darin, dass wir Zeit vor Ort verbrachten, um uns in die Gemeinschaften, in denen die Organisation tätig ist, hineinzuversetzen.

«Im Rahmen von Covid haben wir natürlich das Meiste aus der Ferne gemacht»

Dies ist für mich der wertvollste Teil des Prozesses, denn wir verbringen Zeit vor Ort, besuchen die Standorte der Organisation, sprechen mit ihren Partnern und knüpfen Kontakte jenseits der «Vorstandsetage». Im Rahmen von Covid haben wir das Meiste aus der Ferne gemacht, zum Beispiel die IT-Systeme digital besichtigt und über 20 Interviews mit verschiedenen Mitgliedern der Geschäftsführung, anderen Geldgebern, Interessengruppen und Partnern geführt.

Und dann präsentieren Sie die endgültigen Ergebnisse dem Vorstand?

Genau. Sobald wir dem Investment Committee unser endgültiges Investitionsmemo vorgelegt, ein weiteres ausführliches Gespräch geführt haben und das Investment Committee uns grünes Licht gibt, wird dieser dem Verwaltungsrat eine Empfehlung zur endgültigen Genehmigung geben.

«Wir können darauf vertrauen, dass unsere Unterstützung bestmöglich genutzt wird»

Obwohl wir langfristig denken und planen, und mit unseren Organisationen mindestens vier Jahre lang zusammenzuarbeiten, beginnen wir in der Regel mit einer einjährigen Partnerschaft, um unsere Hypothese zu testen. Anschliessend unterbreiten wir einen Vorschlag für eine dreijährige Anschlussfinanzierung, die idealerweise mit einer klaren Mehrjahresstrategie verbunden ist, wenn die Organisation wie geplant vorankommt.

Warum eine so gründliche Due-Diligence-Prüfung?

Dafür gibt es drei Hauptgründe:

  • Erstens, und das ist der offensichtlichste, tragen wir die Verantwortung dafür, dass die grosszügig gespendeten Mittel entsprechend den Wünschen der Fürstlichen Familie effektiv in Bereichen mit grosser Wirkung eingesetzt werden. Wir nehmen die Verantwortung als Verwalter dieses Kapitals nicht auf die leichte Schulter.
  • Zweitens steht das Ganze im Zusammenhang mit unserer breiteren Strategie, langfristige, gross angelegte und systemische Auswirkungen zu erzielen. Um einen echten systemischen Wandel zu erreichen, müssen wir Gelegenheiten finden, bei denen wir durch unsere Partnerschaft einen sinnvollen Mehrwert schaffen können, und sicherstellen, dass das Geld nicht nur ein «Pflaster» oder eine blosse Handelsware ist. Wir wollen sicherstellen, dass die Investition in eine Lösung sozusagen am meisten Gegenwert für unser Geld bietet und dass die Partnerschaft erhebliche Synergieeffekte bringt. Und natürlich lernen wir als Team und gewinnen enorme Erkenntnisse, die wiederum anderen Portfolio-Organisationen zugutekommen können.
  • Und schliesslich müssen wir eine vertrauensvolle Beziehung zu unserer Portfolio-Organisation aufbauen. Vertrauen ist die wichtigste Währung in unserer Arbeit.

Dies wiederum steht im Zusammenhang mit Ihrer Strategie, die auf langfristige, systemische Veränderungen abzielt.

Ganz genau. Da wir nach der Due-Diligence-Prüfung die Organisation und das Ökosystem, in dem sie tätig ist, so gut verstehen, können wir in wichtigen Bereichen einen Mehrwert für die Organisationen, ihre Partner und Stakeholder schaffen. Und dank der umfassenden Due-Diligence-Prüfung können wir darauf vertrauen, dass unsere Unterstützung bestmöglich genutzt wird.


Die LGT Venture Philanthropy Foundation (LGT VP) wurde im Jahr 2007 auf Initiative von S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein gegründet. Ziel der Stiftung ist es, die Lebensqualität benachteiligter Menschen nachhaltig zu verbessern, und einen Beitrag zu gesunden Ökosystemen sowie zu widerstandsfähigen, florierenden und sozial integrativen Gemeinschaften zu leisten. LGT VP stellt Organisationen mit effektiven, innovativen und skalierbaren Lösungen für soziale und ökologische Herausforderungen philanthropisches Kapital zur Verfügung und trägt so direkt zu den «Sustainable Development Goals» bei.

Die Stiftung unterstützt in erster Linie Organisationen mit Sitz in Schwellenländern, die sich auf Sektoren mit positiver Wirkung konzentrieren, darunter Bildung, Gesundheit und Umwelt. Genauso entscheidend wie die finanziellen Zuwendungen sind für die Organisationen auch der Transfer von Wissen und der Zugang zu Netzwerken.