Gregor Greber: «GZO ist ein Trauerstück für den Schweizer Kapitalmarkt»
Für die einen ist er der aktivistische Investor, der mit rauhen angelsächsischen Methoden viel wirbelt und für Unruhe in Corporate Switzerland sorgt. Für die anderen ist er jemand, der eine gute Witterung für Unternehmen hat, die in Krisen geraten sind, und der kein Blatt vor den Mund nimmt.
Seit 2024 ist Gregor Greber auch beim GZO Spital Wetzikon dabei, als Investor in der notleidenden Anleihe über insgesamt 170 Millionen Franken (mit einer Quote im tiefen einstelligen Prozentbereich) und als Schweizer Kopf der GZO Creditor Group. Er fordert eine bessere Lösung als das von den beiden Sachwaltern und dem GZO-Verwaltungsrat vorgeschlagene Sanierungskonzept, das einen Forderungsverzicht der Gläubiger von 65 bis 70 Prozent vorsieht.
Kenner der Finanzbranche mit vielen Talenten
Greber hat aber auch andere Talente, zum Beispiel als auf das Napa Valley spezialisierter Weinhändler und Gastronom. Er empfängt finews.ch denn auch in seinem «NapaGrill» auf dem Hürlimann-Areal in einem diskreten Raum, in dem auch Events stattfinden (nach dem Interview teilt er mit, dass er das Unternehmen NapaGrill und NapaWine an Partner verkauft hat).
Greber kennt die Gepflogenheiten der Finanzbranche à fond. Die Liste der Banken, für die er tätig war, ist lang: Luzerner Kantonalbank, UBS, Julius Bär, Deutsche Bank, Lombard Odier und Bank am Bellevue. 2008 machte er sich erstmals selbständig und gründete zCapital als Schweizer Aktienspezialist. 2014 folgte die Beteiligungsgesellschaft Veraison, die zehn Jahre später aufgelöst wurde.
Herr Greber, wie sind Sie eigentlich auf den Fall GZO aufmerksam geworden?
Ich bin seit 36 Jahren im Kapitalmarkt tätig, lese dazu sehr viel, rede mit vielen darüber. Als der Zürcher Regierungsrat im April 2024 kommunizierte, das Spital Wetzikon nicht zu retten, stürzte der Kurs der ausstehenden Anleihe. Nachdem ich die Lage einen Monat analysiert hatte, wurde ich aktiv.
Bisher traten Sie jeweils eher in Spezialsituationen im Aktienbereich in Erscheinung. Das GZO ist jedoch ein öffentlich-rechtlicher Anleihenschuldner, bei dem eine ganze Region und viel Politik involviert sind.
Ich bin derjenige, der die Finger in die Wunde steckt, weil ich die Blutung stillen will. Situationen, in denen das Management nicht rechtzeitig die Refinanzierung von fälligen Krediten oder Anleihen sicherstellt, habe ich mit Veraison schon einige erlebt. Beispielsweise hatten wir bei Meyer Burger die Umwandlung von Obligationen veranlasst – leider hat das Unternehmen die Chance dann später nicht genutzt. Auch bei Aryzta, das Hybridanleihen ausstehend hatte, brachten wir die Wende, in dem wir Urs Jordi zum CEO machten. Und bei Hochdorf stand ebenfalls eine Hybridanleihe im Zentrum des Sturms. Dort haben wir (das ehemalige VT5-Partnerteam) der alten Gesellschaft neues Leben eingehaucht, die Obligationäre können wählen, ob sie dabei sein oder ausbezahlt werden wollen. Aber nicht, dass ich missverstanden werde: Hybridanleihen und auch Additional-Tier-1-Bonds sind des Teufels, man darf sie als normaler Investor nicht kaufen, weil das Risiko nicht genügend entschädigt wird. Es gab sogar Finanzanalysten, die Hybrids in ihrem Research in den Bilanzen und Bewertungsmodellen weder beim Eigenkapital noch bei den Schulden aufgeführt haben.
«Ich bin derjenige, der die Finger in die Wunde steckt, weil ich die Blutung stillen will.»
Und sind Sie mit ihren Interventionen immer erfolgreich?
Nein, natürlich nicht. Bei Leonteq sind wir seinerzeit mit Verlust ausgestiegen, weil mit dem Führungspersonal nichts anzufangen war. Und wir haben versucht, Swatch mit Kapitalmarktexpertise zu unterstützen, aber Nick Hayek hatte dafür kein Musikgehör.
Zurück zum GZO: Bei der Gläubigerversammlung im September haben Sie mit Ihren Anträgen eine kalte Dusche erlebt, oder?
Ja, weil dort nach Köpfen abgestimmt wurde und die Gegenseite sogar privilegierte Gläubiger wie Spitalmitarbeiter mobilisiert hatte. Das war ein cleverer Schachzug, der von einer renommierten Zürcher Wirtschaftskanzlei ausgeheckt wurde. Aber es ist hierzulande noch nie dagewesen, dass ein relativ grosser Teil der Gläubiger mit über 165 Stimmen einen Antrag auf Auswechslung der Sachwalter unterstützt.
Was haben Sie denn gegen die beiden Sachwalter Brigitte Umbach Spahn und Stephan Kesselbach?
Sie handeln wie auch der aktuelle Verwaltungsrat nicht im besten Interesse der Gläubiger und operieren mit Worst-Case-Szenarien, um den Sanierungsplan mit dem horrenden Schuldenschnitt durchzudrücken. Im Oktober 2024 haben mich die Obligationäre als Beobachter in den GZO-Verwaltungsrat entsandt. Ich habe seither mehrere Vorschläge eingebracht und über Evolva eine Kaufofferte unterbreitet. Die Gläubiger wären heute besser gestellt, und das Spital stünde gesund da, wenn auch mit anderen Aktionären. Die Sachwalter behaupten zudem, dass die Gründung einer Auffanggesellschaft gar nicht möglich sei. Das stimmt einfach nicht. Und es gibt persönliche Verflechtungen, eine Nähe zur Lokalpolitik und die Vergabe lukrativer langfristige Mandate für Berater, Bewerter usw. Mir ist einigermassen schleierhaft, wie das Bezirksgericht Hinwil zum Schluss gelangen konnte, dass die Sachwalter überhaupt nicht befangen sein sollen.
«Mir ist einigermassen schleierhaft, wie das Bezirksgericht Hinwil zum Schluss gelangen konnte, dass die Sachwalter überhaupt nicht befangen sein sollen.»
Ende November entscheiden sieben der zwölf Aktionärsgemeinden an der Urne darüber, ob sie sich am Kapitaleinschuss von 50 Millionen Franken beteiligen. Dieser ist neben dem Schuldenschnitt der zweite Pfeiler des Sanierungskonzepts, das Sie ablehnen. Weibeln Sie nun dafür, dass die Stimmbürger ein Nein einlegen?
Sicher nicht. Ein bisschen Geld von den Aktionären ist für die Gläubiger immer noch besser als gar nichts. Zentral ist allerdings die Verteilungsfrage.
Gemäss dem Sanierungsplan müssten die Gläubiger auf 65 bis 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten.
Die Verantwortlichen spielen Vabanque und setzen die Existenz des Spitals aufs Spiel. Der Verwaltungsrat geht das Risiko ein, dass ihm später Konkursverschleppung vorgeworfen wird. Und die Politiker riskieren ihre Karriere, weil sie der Bevölkerung ein schuldenfreies Spital versprechen. Man will einfach à tout prix den Nachlassvertrag auf Basis des bestehenden Sanierungskonzepts durchdrücken. Das vermindert die Zweifel an der Zukunft des Spitals nicht. Oder würden Sie im nächsten Sommer einen Eingriff in einem Spital planen wollen, mit der Perspektive, dass im Frühling der Nachlassvertrag 2026 abgelehnt wird und damit der Weiterbetrieb fraglich ist?
Besonders an der Bewertung der Immobilien scheiden sich die Geister.
Immobilien sind per se immer eine Langfristanlage, man muss in Jahren rechnen, und Zonenpläne usw. kann man auch ändern. Man kann immer etwas daraus machen, sei es ein Asylzentrum oder eine Spezialklinik. Das grosse Areal ist hervorragend gelegen, und die Stadt Wetzikon hat ein vitales Interesse an einer Entwicklung.
Wie steht es um die vom Verwaltungsrat in Aussicht gestellte «Nachschärfung» des Sanierungskonzepts zugunsten der Gläubiger?
Bisher habe nichts bis wenig davon gesehen. Wie denn auch, wenn die Sachwalter die Immobilien partout nicht verwerten und die Gemeinden als Aktionäre die Kontrolle behalten wollen? Aber ohne unseren Druck hätte man diesen Begriff erst gar nicht bemüht.
Und wird die Strategie des Verwaltungsrats aufgehen? Werden die Gläubiger und damit v.a. die Obligationäre dem Nachlassvertrag im kommenden Frühling nolens volens zustimmen?
Ich schliesse es nicht aus. Auf die Pensionskassenverwalter, die Versicherungen und Asset-Manager wird massiver politischer Druck ausgeübt, sich nicht dagegen zu wehren. Und viele ducken sich tatsächlich und meiden Sichtbarkeit in den Medien, statt sich gemäss ihrem treuhänderischen Auftrag energisch für die Interessen ihrer Destinatäre einzusetzen. Sie üben sich in einer Art rationaler Apathie, lassen also lieber andere machen. Das Ganze ist ein Trauerstück und ein Armutszeugnis für den Schweizer Kapitalmarkt.
«Viele Portfoliomanager ducken sich und üben sich in einer Art rationaler Apathie, lassen also lieber andere machen.»
Weil sich die meisten Investoren bedeckt halten?
Und auch wegen der Art und Weise, wie mit den Gläubigern umgegangen wird und dass dies auch in den Medien nicht stärker kritisiert wird. Zugegeben, wir wollen auch Geld verdienen, doch haben wir viel Kraft und Energie investiert, und man hat alle unser Lösungsansätze abgeschmettert. Ich werde mein Leben lang nicht verstehen, dass sich Portfoliomanager nicht voll für die ihnen zur Anlage anvertrauten Gelder einsetzen.
Ist es nicht verständlich, dass man als Portfoliomanager keine besondere Lust auf Publicity hat, für einen Anlageentscheid, den man im Nachhinein nicht mehr fällen würde?
Natürlich, Fehlinvestitionen mit fremdem Geld können auch ein Karriererisiko sein. Aber das Problem hat man sich schon früher eingehandelt. Man kaufte die Obligationen im Glauben an eine implizite Garantie des Kantons für den Notfall. Dass die Anleihe 2024 fällig werden würde, war lange absehbar, und Ende 2023 hätte man das Problem sehen müssen. Hätte ich ein paar Millionen in die Anleihe investiert gehabt, hätte ich beim damaligen Verwaltungsratspräsidenten Jörg Kündig schon ein Jahr früher auf den Tisch gehauen und ein Refinanzierungskonzept verlangt.
Immerhin hat sich die Postfinance diesen September mit ihrem grossen Schuldscheindarlehen «geoutet» und sitzt jetzt im Gläubigerausschuss.
Leider sehe ich dort noch wenig Kampfgeist, es dominiert die juristische Perspektive. Zudem bestehen latente Interessenkonflikte, hält doch das GZO sechs Beteiligungen – die man übrigens problemlos veräussern könnte. Die Schweizer Post ist bei Steriplus Mehrheitsaktionär. Aber Postfinance könnte bei der Abstimmung über den Nachlassvertrag das Zünglein an der Waage sein.
Und wie sieht Ihre Prognose aus?
Etliche Portfoliomanager stimmen mit den Füssen ab, d.h., sie verkaufen ihre Obligationen diskret an Dritte. Es gibt Anzeichen, dass ein mit Spezialsituationen versierter Restrukturierungsfonds aus dem Ausland, der über tiefe Taschen verfügt, daran ist, einen Anteil aufzubauen. So könnte dann doch noch Bewegung in die Sache kommen – aber mit unseren Vorschlägen hätte man früher und günstiger eine Lösung erzielt.
«Kommt der Nachlassvertrag durch, würde das Schule machen. Dann könnten auch andere Spitäler nach dem Motto ‹die Verluste für die Privaten, die Aktiven behält der Staat› saniert werden.»
Was würde es für die Zürcher Spitallandschaft bedeuten, wenn der Nachlassvertrag durchkommt?
Das würde Schule machen. Es gibt einige Spitäler im Kanton und in der Schweiz, die man dann mit einer ähnlichen Zermürbungstaktik auf dem Buckel der Gläubiger sanieren könnte – nach dem Motto: Die Verluste für die Privaten, die Aktiven behält der Staat.
Aber Sie hätten dann keinen Rappen verdient.
Und nicht einmal die Spesen, weil ich ehrenamtlich als Beobachter im GZO-Verwaltungsrat tätig bin. Im Ernst: Der Fall ist wie ein MBA für mich, ich lerne jeden Tag dazu, z.B. weshalb man Bilanzen zum Liquidations- statt zum Fortführungswert führen darf. Und dass mit dem Geld, das eigentlich den Investoren gehört, gegen deren Interessen gekämpft werden kann. Es geht um einen Präzedenzfall für den Kapitalmarkt und den Schutz des Eigentums der Investoren.














