Warum die Fintech-Party jetzt erst richtig beginnt
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Die Fintech-Branche profitiert derzeit von einer Welle positiver Impulse. Eine Reihe erfolgreicher Börsengänge und FinTech-Übernahmen sowie die Verabschiedung des bahnbrechenden amerikanischen Genius Act führen zu einer raschen Ausweitung von Fintech-Lösungen auf den Finanzmärkten und schaffen neue Chancen.
Das Vertrauen ist wieder da
Nach einem deutlichen Rückgang in den Jahren 2022-2023 erleben Fintech-Börsengänge nun ein Comeback. Im Frühjahr gingen mehrere bekannte Akteure an die Börse: WeBull und eToro im April bzw. Mai, gefolgt von der Neobank Chime im Juni. Letztere beendete den Monat mit einem Anstieg von 28 Prozent über ihrem Ausgabepreis, wodurch sich ihr Wert auf 13 Milliarden Dollar anhob.
«Die schnelle Reaktion der führenden Unternehmen im Einzelhandel ist bemerkenswert.»
Der bemerkenswerteste Börsengang war der von Circle, einem Emittenten von Stablecoins, dessen Aktie sich in der Spitze fast verneunfachte, bevor er den Monat Juni mit einer Marktkapitalisierung von 40 Milliarden Dollar abschloss.
Gleichzeitig bleibt die private Finanzierung aktiv. Ramp, ein auf das Ausgabenmanagement bei Firmen spezialisiertes Unternehmen, hat weitere 200 Millionen Dollar aufgebracht (Bewertung: 16 Milliarden Dollar).
Dies widerspiegelt das erneute Vertrauen in das Wachstum des Sektors.
Genius Act markiert Wendepunkt
Das im Juni vom US-Senat verabschiedete Gesetz Genius (Guiding and Establishing the National Innovation for U.S. Stablecoins Act of 2025) markiert einen Wendepunkt für die Anerkennung von Stablecoins. Es soll regulierten Banken und Emittenten ermöglichen, bereits ab diesem Sommer tokenisierte Dollar anzubieten. Die Integration von Stablecoins in inländische und grenzüberschreitende Zahlungen sowie in Treasury-Transaktionen erhält damit einen klaren rechtlichen Rahmen.
Die schnelle Reaktion der führenden Unternehmen im Einzelhandel ist bemerkenswert. Sowohl Amazon als auch Walmart prüfen die Ausgabe eigener Stablecoins, wodurch sie erhebliche Gebühren einsparen könnten. Gleichzeitig hat Coinbase in Zusammenarbeit mit Shopify eine Zahlungslösung in USDC auf Basis seiner Level-2-Blockchain Base eingeführt. Diese im Juni eingeführte Technologie lässt sich nahtlos in das Zahlungsabwicklungssystem von Shopify für Verkäufer integrieren. Diese modularen Architekturen basieren auf programmierbaren Zahlungsabläufen, die die Logik des Online-Handels nachbilden und es Online-Händlern ermöglichen, tokenisierte Zahlungen einfach zu übernehmen und in grossem Umfang einzusetzen.
«Das Wachstum des Transaktionsvolumens ist weiterhin bedeutend.»
Fiserv plant ausserdem, in Zusammenarbeit mit Paxos und Circle eine eigene, an den Dollar gekoppelte Stablecoin (FIUSD) auf der Solana-Blockchain einzuführen. Diese Art von Projekt, das Blockchain und Bankinfrastruktur kombiniert, zielt darauf ab, kontinuierliche Abwicklung, integrierte Compliance und Interoperabilität in Echtzeit zu bieten.
Stablecoins: schnelles Wachstum und breite Akzeptanz
Das Geschäftsmodell von Stablecoins basiert auf der Vergütung von Einlagen in Fiat-Währungen, die bei Banken oder in Staatsanleihen angelegt werden. Ende Juni belief sich der Gesamtbestand an Stablecoins auf öffentlichen Blockchains auf 254 Milliarden US-Dollar – hauptsächlich verteilt auf USDT (159 Milliarden) und USDC (61 Milliarden). Zum Vergleich: Die US-Geldmenge M2 erreichte Ende Mai 22 Billionen US-Dollar.
Laut US-Finanzminister Scott Bessent könnte dieser Markt bis 2030 ein Volumen von 3,7 Billionen Dollar erreichen, was auf eine potenzielle Akzeptanz über digitale Vermögenswerte hinaus hindeuten würde. Das Wachstum des Transaktionsvolumens ist trotz der Auswirkungen des algorithmischen Handels weiterhin bedeutend: Im Juni stieg das bereinigte Volumen im Vergleich zum Vorjahr um 104 Prozent auf über 800 Milliarden Dollar.
«Visa und Mastercard können eine wichtige Brücke zwischen den traditionellen Systemen und der Welt der Kryptowährungen schlagen.»
Die Akzeptanz von Stablecoins lässt sich anhand des Wachstums des Transaktionsvolumens beurteilen – trotz gewisser Verzerrungen durch Bots und Hochfrequenzhandel. Jamie Dimon, CEO von JP Morgan, schätzt, dass seine Bank täglich Zahlungen in Höhe von rund 10 Billionen Dollar abwickelt – eine Grössenordnung, die das noch weitgehend ungenutzte Potenzial von Stablecoins deutlich macht.
Die Auswirkungen der Tokenisierung
Visa und Mastercard, zwei Giganten der traditionellen Zahlungssysteme für den Handel, haben massiv investiert, um die Verwendung von Stablecoins in ihre Netzwerke zu integrieren. Der CEO von Visa, Ryan McInerney, zeigte sich optimistisch hinsichtlich der Zukunft von Stablecoins und betonte gleichzeitig die Bedeutung von Vertrauen, Benutzerfreundlichkeit und Skalierbarkeit für deren Akzeptanz.
Obwohl die Verwendung von Stablecoins ausserhalb des Bereichs der digitalen Vermögenswerte noch in den Kinderschuhen steckt, scheint sie eher die Geschäftsmodelle der Kartenaussteller als die der Zahlungsnetzwerke selbst in Frage zu stellen. Die Tokenisierungsfähigkeiten und Händlernetzwerke von Visa und Mastercard bleiben wichtige strategische Vorteile, um eine Brücke zwischen den traditionellen Systemen und der Welt der Kryptowährungen zu schlagen, auch wenn dies Fragen hinsichtlich ihres langfristigen Wachstumspotenzials aufwirft. Beide Titel erreichten im Juni historische Höchststände, bevor sie zum Monatsende um 5,5 Prozent nachgaben.
Wer die Nase vorn hat
Ebenfalls im Juni organisierte Robinhood die Veranstaltung «To Catch A Token», die sich auf die Entwicklung seiner Level-2-Blockchain konzentrierte, die für reale Vermögenswerte optimiert ist. Diese Infrastruktur ermöglicht einen kontinuierlichen Transfer von Vermögenswerten zu jeder Zeit. Robinhood kündigte die Einführung von Token an, die an börsennotierte US-Aktien wie Nvidia, Microsoft oder Apple, aber auch an nicht börsennotierte Aktien wie OpenAI und SpaceX gekoppelt sind und für europäische Nutzer bestimmt sind. Ironischerweise sind die regulatorischen Hindernisse derzeit in den USA grösser als in Europa.
Die Einrichtung einer soliden technologischen Infrastruktur unter behördlicher Aufsicht ist ein klares Signal für die strukturelle Unterstützung der Legitimierung, Akzeptanz und Verbreitung der Tokenisierung in der Vermögensverwaltung. Robinhood und Coinbase scheinen bei diesen Entwicklungen eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Koos Burema ist Portfoliomanager bei Robeco.
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