Der 32-jährige Deutsche Marc Almert ist 2019 Sommelier-Weltmeister geworden. Das Geschäftsleitungsmitglied von Baur au Lac Weine und der Chef Sommelier des Zürcher Hotels Baur au Lac spricht im Interview mit finews.ch über den lukrativen Schweizer Markt, die Preishausse im Burgund, nennt seine Favoriten und die aktuellsten Modeerscheinungen.


Marc Almert, wie entwickelt sich der Schweizer Weinmarkt? Was trinken die Gäste und die Kundschaft?

Generell lässt sich feststellen, dass die Stimmung immer noch gut ist. In der gehobenen Gastronomie, namentlich in Stadtbetrieben, werden gerne hochwertige und -preisige Weine verlangt. Ebenso ist die Nachfrage nach Events ungebrochen hoch.

Wie sieht es in ländlichen Gebieten aus?

Dort gibt es eine etwas andere Entwicklung. Die durchschnittliche Konsumation geht betragsmässig etwas zurück. Man weicht auf günstigere Weine aus. Statt Bordeaux etwa werden Cabernets Sauvignons aus Kalifornien oder Südafrika bestellt oder in den Läden gekauft. Statt Burgunder entdeckt man Pinot-Noir- und Chardonnay-Crus aus Deutschland oder der Schweiz.

Hat die steigende Nachfrage nach Schweizer Weinen mit dem Trend nach Regionalität zu tun?

Definitiv. Dazu kommt, dass Nachhaltigkeit bei Kaufentscheiden eine zunehmend wichtigere Rolle spielt. Konsumenten und Konsumentinnen verlangen verstärkt Bio- und biodynamische Gewächse. Ebenso ist die Qualität der Schweizer Weine in den letzten Jahren stark gestiegen, dies bei relativ moderaten Preisen.

«In vielen Kundengruppen steigt das Gesundheitsbewusstsein»

Crus, die dreistellige Summen kosten, sind an beiden Händen abzuzählen. Im Preissegment zwischen 40 und 70 Franken sind indessen viele tolle, spannende Sachen zu entdecken.

Hierzulande geht trotz allem der Konsum pro Kopf seit Jahren zurück. Welches sind die Gründe?

Die Entwicklung ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen. In vielen Kundengruppen steigt erstens das Gesundheitsbewusstsein. Der «Dry-January», früher eine Randerscheinung, gewinnt an Bedeutung. Zweitens forcieren Sommelières und Sommeliers bei der Speisenbegleitung als Alternative alkoholfreie Getränke wie beispielsweise Fruchtsäfte. Und drittens bekommt Wein von anderen Getränken wie Whisky oder Cognac zunehmend Konkurrenz. In diesem Bereich zeichnet sich eine eigentliche Renaissance ab.

Welche Rolle spielt beim Konsum die Preisentwicklung? Gerade im Premiumbereich haben die Weinpreise teilweise absurde Höhen erreicht, wie das Beispiel Burgund zeigt. Wann platzt diese Blase?

Solange die Importeure und Kunden bereit sind, drei- oder gar vierstellige Beträge zu bezahlen, ändert sich nichts. Aus Sicht von uns Weinfreunden ist es natürlich bedauerlich, dass man sich die berühmten Namen nicht mehr leisten kann.

«Wenn selbst LVMH im grösseren Stil Rosé-Weingüter aufkauft, dann muss etwas dran sein»

Nehmen wir das erwähnte Burgund. Statt Gevrey-Chambertin oder Vosne-Romanée wechselt man halt auf weniger prestigeträchtige Appellationen wie Santenay oder Pouilly-Fuissé, die noch nicht von der Preis-Hausse erfasst worden sind. Oder wir bei Baur au Lac Vins setzen auf etwas weniger berühmte, aber gute Produzenten wie Tollot-Beaut oder Remoissenet, die bezahlbare Weine keltern. Ich denke, dass die Blase vorläufig nicht platzen wird.

Wo ausserhalb des Burgunds finde ich Weine mit einem guten Preis-/Genussverhältnis?

Gute, bezahlbare Weine findet man in Portugal oder in Griechenland. Hier stellen wir eine steigende Nachfrage fest. Auch aus Sizilien kommen spannende Gewächse, die man vermehrt auf Weinkarten in Hotels und Restaurants findet.

Welches sind Ihre Geheimtipps?

Meine derzeitigen Favoriten sind die roten Mencia-Weine aus dem spanischen Bierzo. Die eleganten Tropfen sind vielseitig einsetzbar und eignen sich hervorragend als Speisenbegleiter. Das portugiesische Douro etabliert sich neben den berühmten Ports zunehmend mit trockenen Weinen. In Österreich schätze ich die Vielfalt der Weine aus Blaufränkisch.

Und die aktuellsten Trends?

«Drink pink» ist derzeit der stärkste anhaltende Trend und bleibt uns bestimmt erhalten. Wenn selbst grosse Konzerne wie Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH) im grösseren Stil Rosé-Weingüter aufkaufen, dann muss etwas dran sein.

«Wir werden zahlreiche Degustationen anbieten»

Schaumweine sind in Mode, nicht nur Prosecco und Champagner, sondern auch Sekte aus Deutschland und Österreich sowie spanische Cavas und italienische Franciacortas. Schliesslich nimmt die Rebsorten-Vielfalt zu, wie etwa das Aufkommen von sogenannten PiWi-Sorten beweist. Aber diese Nische ist erst am Entstehen.

Zum Schluss: Baur au Lac Vins und das Baur au Lac feiern im nächsten Jahr das 180-jährige Bestehen. Was planen Sie zum Jubiläum?

Wir werden zahlreiche Degustationen anbieten. Zudem wollen wir die langjährigen Partnerschaften mit unseren Weingütern verstärkt in den Fokus rücken. Meistens sind es ja kleinere Familienbetriebe, die über viele Jahre konstant exzellente Weine keltern.