Der europäische Bankensektor verdient seine Kapitalkosten derzeit nicht. Die US-Branchennachbarn haben aber wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, wie eine Studie zeigt.

Die europäischen Banken stehen so robust da wie selten zuvor im letzten Jahrzehnt. Ihre Stabilität ist den Massnahmen zu verdanken, die seit der globalen Finanzkrise ergriffen wurden, um den Regulierungsrahmen für Banken in der Europäischen Union (EU) zu stärken. Kreditinstitute müssen heute mehr und qualitativ besseres Kapital und grössere Liquiditätspuffer vorhalten, um Stresssituationen zu überstehen.

Für grössere Banken, die nicht ohne Gefahr für die Finanzstabilität abgewickelt werden können, wurde ein ausgeklügeltes Sicherheitsnetz geschaffen. Dank solcher Massnahmen haben die europäischen Finanzinstitute auch die Covid-19-Krise relativ unbeschadet überstanden, während sie gleichzeitig die Wirtschaft unterstützten.

Im Hintertreffen

Doch trotz seiner Stärke verdient der EU-Bankensektor heute nicht seine Kapitalkosten, während die US-Konkurrenten wieder das Rentabilitätsniveau von vor der Krise erreicht haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman, die von der Europäischen Bankenvereinigung in Auftrag gegeben wurde.

Die Gründe dafür sind laut der Studie vielfältig: das vergleichsweise schwache Wachstum im Euroraum, späte politische Reaktionen auf die Euro-Schuldenkrise, starke Fragmentierung oder mangelnde Grösse vor dem Hintergrund steigender Mindestkosten für das operative Geschäft. Negativzinsen wiederum belasteten die Erträge der Banken in einer Zeit, in der sie ihre Kapitalpuffer stärken mussten.

Strukturelle Schwächen

Oliver Wyman weist auch auf strukturelle Hindernisse in der Eurozone hin, die die Banken daran hindern, Synergien zwischen den Märkten zu nutzen. Die Bankenunion werde auf absehbare Zeit unvollständig bleiben. Auch die Kapitalmarktunion der EU sei noch unterentwickelt. Die Integration der Kapitalmärkte in der EU stecke noch in den Kinderschuhen, so die Autoren der Studie – der europäische Verbriefungsmarkt mache etwa 1 Prozent des BIP aus, verglichen mit rund 18 Prozent in den USA.

Europäische und amerikanische Banken arbeiten nicht nur mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen, sondern auch in einem unterschiedlichen regulatorischen Umfeld. Der zusätzliche Unterschied bei den aufsichtsbedingten Kosten der EU-Banken im Vergleich zu den US-Pendants kann laut Studie 0,8 bis 1,0 Prozentpunkte des Unterschieds bei der Eigenkapitalrendite (RoE) erklären.

Abstand könnte sich ausweiten

Diese Lücke könnte noch grösser werden. Oliver Wyman erklärt dies unter anderem mit den bevorstehenden Anforderungen, die die Europäische Zentralbank (EZB) plant, um die Auswirkungen von Klimarisiken auf das Kapital abzudecken. Auch der Abschluss von Basel III, der nach Schätzungen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde die Mindestanforderungen an das Kernkapital um durchschnittlich 15 Prozent gegenüber dem aktuellen Niveau im EU-Bankensektor erhöht, wird als möglicher Erklärungsfaktor genannt.

Der EU-Ansatz zur Festlegung der Eigenkapitalanforderungen sei komplexer, lasse den Regulierungsbehörden mehr Ermessensspielraum und könne als weniger transparent wahrgenommen werden, heisst es. Die daraus resultierende Unsicherheit sei einer der Gründe, warum Banken in der EU im Durchschnitt eher überschüssiges Kapital halten.

Neue Kräfte freisetzen

In einem hypothetischen Szenario könnte eine Überprüfung der derzeitigen Kapitalanforderungen und Aufsichtsprozesse Kapazitäten für zusätzliche Bankkredite in Höhe von 4 bis 4,5 Billionen Euro schaffen, so Oliver Wyman. Vorausgesetzt, es werden Strategien und Massnahmen eingeführt, die sicherstellen, dass rentable Kreditnehmer Wachstumschancen haben, die eine zusätzliche Kreditnachfrage unterstützen.

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