Die Schweizer Privatbanken werden 2023 rekordhohe Gewinne erzielen. Allerdings dürften auch ihre Kosten massiv steigen, da viele Institute UBS- und Credit-Suisse-Banker im grossen Stil engagiert haben, wie KPMG-Bankenexperte Christian Hintermann gegenüber finews.tv erklärt. Der neuen UBS attestiert er hohe Erfolgschancen, sofern es ihr gelinge, den Fokus bald wieder aufs Tagesgeschäft zu richten.    

Im laufenden Jahr werden die Schweizer Privatbanken neue Rekordergebnisse erzielen, wie eine Studie der Beratungsfirma KPMG zeigt. Die unglaublich gute Performance dieser Finanzinstitute ist allerdings in erster Linie auf eine massive Steigerung der Zinserträge zurückführen, nachdem die Zentralbanken zur Bekämpfung der Inflation die Zinswende eingeläutet hatten.

«Was damit überdeckt wird, sind die Herausforderung im Kerngeschäft der Privatbanken, dem Kommissionsgeschäft», betont Christian Hintermann, Bankenexperte von KPMG (Schweiz) im Interview mit finews.tv. Denn die verwalteten Vermögen dürften bis auf weiteres stagnieren, zumal die Kundinnen und Kunden weiterhin sehr zurückhaltend seien angesichts des sehr instabilen geopolitischen Umfelds, so Hintermann weiter.

Enorme Wetten gemacht

Vor diesem Hintergrund rät der KPMG-Experte den Banken, ihre Gewinne bedacht einzusetzen. Denn zahlreiche Privatbanken werden in absehbarer Zeit massiv steigende Kosten verzeichnen, da sie im Zuge der Integration der Credit Suisse (CS) in die UBS viele Kundenberaterinnen und -berater oder sogar ganze Teams von den Grossbanken eingestellt haben. «Hier wurden enorme Wetten gemacht», betont Hintermann.

«Es wird nächstes Jahr interessant sein zu sehen, ob sich die zahlreichen Neuanstellungen von CS- und UBS-Bankern nur in hohen Mehrkosten manifestieren oder auch in zusätzlichen Kundenvermögen und Erträgen», erklärt der KPMG-Experte. In den vergangenen Jahren habe man immer wieder gesehen, dass es vielen Kundenberaterinnen und -beratern nur sehr beschränkt gelinge, ihre Kunden «mitzunehmen».

Wie aus der KPMG-Studie weiter hervorgeht, ist die Zahl der Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A) im Privatbanken-Sektor im laufenden Jahr praktisch bei null angelangt. Laut Hintermann gibt es drei Gründe dafür: Erstens war 2021 in dieser Hinsicht ein höchst erreignisreiches Jahr; dann folgte – zweitens – mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und den damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen eine gewisse Beruhigung. Schliesslich haben nun drittens die gestiegenen Zinsen und die damit verbundenen Rekordresultate den Druck auf Verkäufe nochmals reduziert. 

M&A-Deals stauen sich auf

«Der Konsolidierungsdruck besteht aber unverändert weiter», stellt Hintermann fest. Transaktionen würden sich im Moment richtiggehend aufstauen. «Wir sehen grosses Interesse an Übernahmen und beobachten aktuell schon eine Zunahme der Transaktionen im Markt. Wann wird es wieder richtig losgehen? Schwierig zu sagen, aber sicher irgendwann nächstes Jahr. Grösse ist im Private Banking sehr wichtig, und M&A ein wichtiger Ansatz, sie zu erreichen», so Hintermann.

Die Integration der CS sieht Hintermann als eine riesige Chance für die UBS, sich noch einmal stärker als führende Akteurin im Global Wealth Management zu positionieren und vor allem der amerikanischen Konkurrenz die Stirne zu bieten.

Praktisch keine Vorbereitungszeit

«Andererseits ist die Komplexität dieser Transaktion enorm, weil praktisch keine Vorbereitungszeit bestand», betont der Bankenexperte von KPMG. «In einer Transaktion dieser Grösse hat man normalerweise – bis der Deal genehmigt wird – ein Jahr Zeit, Vorbereitungen zu treffen. Diesen Luxus hatte die UBS nicht», erklärt Hintermann. «In diesem Fall waren es bloss ein paar wenige Monate.»

«Das Ausmass des positiven Impacts der Transaktion wird deshalb entscheidend davon abhängen, wie schnell es der UBS gelingt, die Unsicherheit bei der Kundschaft und den Mitarbeitenden aus dem Weg zu räumen und den Fokus wieder aufs Tagesgeschäft sowie auf die Arbeit mit den Kundinnen und Kunden zu richten», so der Bankenspezialist.

Auch grosse Risiken

Hintermann sieht aber auch grosse Risiken: «Die Unternehmenskulturen der beiden Banken sind extrem unterschiedlich, und die CS bringt eine grosse ‹Legacy› mit. Es gibt bedeutetende Rechtsrisiken und grosse Herausforderungen beim sehr umfrangreichen Mitarbeiterabbau, gerade im Markt Schweiz.»

 

 

 

 

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