Die Lösung des Credit-Suisse-Debakels müsse eine schweizerische sein, schreibt der Finanzprofessor Bernhard Koye exklusiv für finews.ch. Nun gehe es um nichts anders mehr, als um konsequentes und schnelles Handeln in grösster Unsicherheit. Und somit um die Lernfähigkeit der schweizerischen Erfolgskultur.

Spielt nun der Prozess der kreativen Zerstörung nach Joseph Schumpeter? Oder ist die aktuelle Entwicklung rund um die Credit Suisse (CS) ein zufälliger Einzelfall?

Für die betroffenen Personen ist die Situation auf jeden Fall fordernd – vor allem, wenn man sich an den Beginn dieses Jahrtausends erinnert. Die CS hatte damals alles richtig gemacht aus Sicht der modernen Strategiekonzepte; man galt als die «digitalste Bank der Schweiz». Auch war es daher bald möglich, das gesamte Fonds-Universum zu erhalten als Kunde oder Kundin – «Open Architecture» war in dem Fall kein Fremdwort.

Implizite Kritik

Strategisch und strukturell hat die CS tatsächlich vieles richtig gemacht. Auch das «Du» wurde eingeführt, um für die junge Generation attraktiv zu sein. Und doch: Fest steht, dass die Anlegerinnen und Anleger, die Kundinnen und Kunden das Vertrauen in das CS-Management schrittweise verloren haben, schleichend.

Neben Strategie und Struktur ist die (Management-)Kultur das dritte entscheidende Element für eine erfolgreiche Organisationsentwicklung. Dabei ist der Shareholder-Value-Ansatz, den die CS vorlebte, in der Schweiz immer mehr auf implizite Kritik gestossen, zumal die Medienpräsenz der Bank immer mehr durch Skandale dominiert wurde.

Schleichender Tod

Aus schweizerischer Sicht führt dies nicht zu einem Aufschrei, sondern zu einem schleichenden Tod. Und die Märkte haben am Ende im Kapitalismus immer Recht – sie trauen dem CS-Management den Turnaround in Richtung einer nachhaltigen Bank als Partner der Kunden und Investoren nicht mehr zu, wie sich am vergangenen Freitag zeigte. Die Kreditzusagen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) haben nur für ein Strohfeuer im Kurs der CS-Aktie gereicht.

Aus Sicht der Innovationsforschung ist es im längerfristigen Kontext oft so, dass Firmen, die langfristig stabil-erfolgreich sind oder waren, die Zeichen der Zeit zu spät und nur unvollständig erkennen. Sie schaffen es daher selten, strategisch radikale Entwicklungen wirklich in ihre DNA zu implementieren.

Bodenhaftung verloren

Wenn man mit den Managementinstrumenten der Vergangenheit die Herausforderungen der Zukunft angehen möchte, ergibt sich zwangsläufig ein steigender Druck, weil die tiefer liegenden Herausforderungen für Zukunftsfähigkeit nicht integriert angegangen werden. Dies gilt nun auch für die CS: Die Kunden und Anleger erwarten in Westeuropa seit einigen Jahren wieder deutlich stärker ein längerfristig ausgerichtetes Management-Verhalten, das das Wohl dieser Stakeholder wirklich ins Zentrum stellt und ein «Win-Win-Win» für Kunden, Mitrbeitende und Anlegende als zentrales Paradigma verfolgt.

Wenn der Eindruck entsteht, das dem nicht so ist, geht die Bodenhaftung verloren, und ein Prozess der Vertrauenserosion tritt ein. Dieser ist nun beim aktuellen Börsenkurs nicht mehr zu stoppen. Nun könnte man sagen, dass dies im Sinne der «kreativen Zerstörung» nach Schumpeter normal ist.

Analogie der Airlines

Aus Sicht des Standorts Schweiz kommt hier nun aber ein grosses Aber! Wenn die Schweiz einen starken Finanzplatz erhalten möchte, darf der Fehler, den die europäischen Airlines vor zwei Jahrzehnten gemacht haben, nicht wiederholt werden. Diese sind heute alle abhängige Mitglieder von Allianzen, die von Fluggesellschaften aus dem arabischen Raum dominiert werden – weil der Schritt zu einer kraftvollen europäischen Airline nie gelungen ist. Die Grenze war zu hoch mental zwischen Franzosen, Engländern, Deutschen und anderen Westeuropäern.

Die Analogie liegt auf der Hand: Eine sachlich und kulturell schweizerisch geprägte Grossbank ist im internationalen Kontext besser in der Lage, die strategischen Herausforderungen der Zukunft anzugehen und die Wertschöpfung dabei mehrheitlich in der Schweiz zu halten, als wenn die CS unter die Kontrolle eines internationalen Partners gerät.

Nur eine Wahl

Es gibt viele Beispiele, wo dieser Konzentrationsprozess zum Abfluss von Wertschöpfung aus der Schweiz geführt hat, weil der Finanzplatz die Weichen zu spät gestellt hat.

Daher – leider für alle Kolleginnen und Kollegen bei der CS, die in Vielem gute Arbeit leisten und geleistet haben – bleibt nur eine Wahl. Die UBS muss sofort die CS übernehmen. Sonst macht es das Ausland. Die Zukunft entsteht jetzt. Und der akademische Diskurs am Thema «Shareholder- versus Stakeholder Value und nachhaltige Unternehmensausrichtung» ist eröffnet.

Schweizer Erfolgskultur

Aber vorher gilt es, die Interessen der Schweiz konsequent und strategisch zu vertreten. Die UBS und die Politik sind gefordert. Es ist ein Stresstest für die schweizerische DNA. Hier geht es um nichts anderes als um konsequentes und schnelles Handeln in grösster Unsicherheit. Und somit um die Lernfähigkeit der Schweizer Erfolgskultur.


Bernhard Koye ist Co-Gründer und Leiter des Swiss NextGen Finance Institut (SNFI). Dabei handelt es sich um einen kürzlich gegründeten Think Tank der Finanzbranche, der sich auf die Zukunftsfähigkeit der Finanzbranche in der Forschung, Lehre und Entwickling spezialisiert hat und mit Universitäten in der Schweiz, Deutschland sowie Österreich zusammenarbeitet und auch Aus- und Weiterbildungskurse anbietet. Nach Stationen als Bereichsleiter Executive Education am Swiss Finance Institute (SFI) von 1998 bis 2004, als Abteilungsleiter Leadership & Executive Training im UBS Wealth Management und als Managing Director des Zürich Wealth Forum leitete Koye zuletzt das Hochschulinstitut Kaleidos. Er doktorierte an der Universität Zürich zur Bedeutung des digitalen Zeitalters für die Finanzbranche und war als Forscher und Transformstionsbegleiter tätig.

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