Die Macht von Social Media und die Fähigkeit der Kunden, ihr Geld innerhalb kurzer Zeit zu transferieren, haben den Fall Credit Suisse zu einem Musterbeispiel dafür gemacht, wie heute ein «Bank Run» ablaufen kann. Eine hochrangige US-Notenbankerin hat sich mit dem Phänomen beschäftigt.

Michelle Bowman, Mitglied der Federal Reserve (Fed), hat in einer Rede an einem Symposium der EZB in Frankfurt versucht, Erklärungen dafür zu finden, warum die jüngsten Turbulenzen im Banksektor mit so hoher Vehemenz und vor allem Geschwindigkeit abgelaufen sind. Dabei zielte sie vor allem auf die Risiken ab, die von den sozialen Medien ausgehen sowie der Fähigkeit von wohlhabenden Privatpersonen und Unternehmen, in Sekundenschnelle grosse Geldtransaktionen durchzuführen.

Nachdem sie zunächst noch über die für eine Notenbank typischen Probleme wie Inflation und Zinssätze sprach, wendete sich Bowman einer Gesamtschau über den Zustand und die Zukunft des Bankwesens im Allgemeinen zu. Dabei kamen auch die jüngsten Vorfälle in den USA zur Sprache, insbesondere der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank, sowie die Not-Rettung der Credit Suisse.

Lehren aus der SVB

Die Rückschlüsse, die Bowman aus dem Fall SVB zieht, können auch für Schweizer Banken und Vermögensverwalter relevant sein. Ihr Argument ist, dass gerade darin, wie sich die Bank positioniert hat, nämlich die Bedürfnisse der reichen und anspruchsvollen Kunden nach hoher Flexibilität zu erfüllen, die Ursache für den schnellen Verlauf der Vertrauenskrise lag.

Die Risiken, die dem Wesen dieser Dienstleistungen innewohnen, einschliesslich der sofortigen Zugänglichkeit und Übertragbarkeit von Geldern, «schufen das Potenzial für Instabilität in einem umfassenden und beschleunigten Ausmass», sagte Bowman.

«Insbesondere bei der Silicon Valley Bank wurde der Ansturm zwar durch traditionelle Bedenken ausgelöst, verlief aber viel schneller als frühere Bankenanstürme. Er wurde durch modernste Kommunikationsmethoden und soziale Medien angeheizt und durch neue Technologien ermöglicht, die es den Kunden erlauben, Geld in einem Umfang und mit einer Geschwindigkeit zu bewegen, wie es zuvor nicht möglich war», so Bowman.

Sie untermauerte dies mit Zahlen. So habe die SVB am 9. März einen Einlagenabfluss von 40 Milliarden Dollar verbucht und am Freitag, den 10. März weitere 100 Milliarden Dollar.

Schnelles Banking

Die bis dahin grösste Bankenpleite in der US-Geschichte war Washington Mutual auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2008. Doch damals waren sowohl die Einlagenabflüsse weitaus geringer und zogen sich zudem über einen viel längeren Zeitraum hin. Das Volumen der Abflüsse betrug damals 9,5 Milliarden Dollar und bis zur Pleite der Bank dauerte es 23 Tage, betonte die Notenbankerin.

Im Gegensatz zu Privatbanken oder Vermögensverwaltern ging es bei der SVB jedoch um Einlagen von Unternehmen aus dem Technologie- und Gesundheitssektor, die grösstenteils nicht versichert waren und auf Transaktionskonten gehalten wurden. Im Wesentlichen handelt es sich um Firmenkundengeschäft. Dennoch gebe es einige Parallelen, die alle Bankgeschäfte betreffen.

«Die bedeutendste Veränderung ist die Geschwindigkeit. Hier hat die moderne Technologie eine wichtige Rolle gespielt, sowohl bei der Erleichterung des Geldtransfers als auch beim Zugang zu und der Beschleunigung des Informationsflusses zwischen den Einlegern», so Bowman.

Bargeld-Dilemma

Dies stellt auch für die Vermögensverwaltung ein potenzielles Dilemma dar. In der Regel dürfte ein Grossteil der Vermögenswerte sicher in Mandaten wie Hedge-Fonds oder Private-Equity-Produkten angelegt sein. Hier gibt es Fristen und Ausstiegs-Klauseln zu beachten, die eine schnelle Liquidierung erschweren. Im Gegensatz zu Einlagen werden diese meist nicht ausgewiesen, sondern lediglich als Erträge in Form von Gebühren verbucht.

Aber die Reichen und Superreichen und ihre Berater sind auch nur Menschen. Wenn die Lage unsicher wird, neigen auch sie dazu, einen grösseren Teil der Anlagen in Bargeld umzuwandeln.

Als eine Art Warnindikator für das Risikomanagement kann dabei ein Blick auf das Verhältnis von Bargeld zu den gesamten investierten Vermögenswerten insgesamt dienen (Cash/Total Invested Assets oder AuM). Gibt es hier einen Ausschlag in Richtung Cash, kann das auf eine mögliche Welle von Einlagenabhebungen hindeuten.

Milliardärs-Bank-Run

Das Phänomen hatte sich auch bei der Credit Suisse gezeigt. In den Tagen vor der Rettung der Bank wurde immer deutlicher, dass vermögende Kunden abwanderten, und zwar schnell.

Im Vermögensverwaltungsgeschäft beliefen sich die Nettoabflüsse im ersten Quartal auf neun Prozent der gesamten AuM per Ende 2022. Die Bank wies darauf hin, dass es sich dabei nicht nur um den Wechsel von Anlagemandaten handelte. Einlagen machten 57 Prozent aller Abflüsse in diesem Geschäft aus.

Im Vergleich dazu machten ähnliche Abflüsse in der CS Schweiz nur 1 Prozent der AuM aus und im dortigen Vermögensverwaltungsgeschäft 3 Prozent.

Nicht die Ursache

Bowman behauptete, dass die Geschwindigkeit und der Umfang der Einlagenabzüge ein Kennzeichen, aber nicht die Ursache für die jüngsten US-Bankenzusammenbrüche seien.

«Wir leben in einer Welt, in der eine breite Palette von Kommunikationsmitteln - Textnachrichten, Gruppenchats und Beiträge in den sozialen Medien - eine schnellere, wenn auch nicht immer präzisere Verbreitung von Informationen ermöglicht haben», so Bowman.

In ihrer Rede erwähnte sie ausdrücklich die Credit Suisse und wies darauf hin, dass die sozialen Medien eine Rolle bei der Volatilität des Aktienkurses der Bank spielten, die zu anderen Risiken für die Bank führte.

Erhebliche Volatilität

«Die Credit Suisse hatte schon seit längerer Zeit mit erheblichen Problemen zu kämpfen, aber dieser Vorfall hat gezeigt, wie schnell sich die Stimmung der Anleger im Zeitalter der sozialen Medien ändern kann», so Bowman.

Für den führenden Vermögensverwalter dürften die Ereignisse der letzten Monate ein ernüchternder Denkanstoss sein.

Anders als in der Vergangenheit, als Private-Banking-Geschäfte als bilanzschonend galten, vor allem im Vergleich zum Privat- und Firmenkundengeschäft, scheint der Bereich nun den Launen eines relativ kleinen Kundenstamms unterworfen zu sein, der dem rauen und unberechenbaren Seitenwind der sozialen Medien stark ausgesetzt ist.

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