Mit dem endgültigen Aus der Credit Suisse büsst die Schweizer Wirtschaft ein weiteres Stück an Vielfalt ein, genauso wie es bereits beim Verschwinden der anderen Schweizer Grossbanken der Fall gewesen war.

Die Credit Suisse (CS) ist nunmehr Geschichte. Seit den Verlautbarungen vom (gestrigen) Donnerstag wird es die CS in zwei Jahren nicht mehr geben. Damit geht nicht nur ein Stück Schweizer Wirtschaftsgeschichte zu Ende, sondern es verschwindet auch ein grosses Stück an kultureller Vielfalt hierzulande. Denn jede Grossbank, die in unserem Land existiert hat, verkörperte eine bestimmte Wesensart im Spektrum unserer nationalen Identität.

Tatsächlich gab es vor knapp 80 Jahren, also am Ende des Zweiten Weltkriegs, noch sieben Grossbanken in der Schweiz: die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG), der Schweizerische Bankverein (SBV), die Schweizerische Kreditanstalt (SKA, später CS) die Schweizerische Volksbank (SVB), die Bank Leu, die Eidgenössische Bank (Eiba) sowie die Basler Handelsbank.

Allzu forsch expandiert

Die beiden letztgenannten Häuser verschwanden in ihrer ursprünglichen Form kurz nach Kriegsende. Ihnen war zum Verhängnis geworden, dass sie sich bereits in den 1930er-Jahren aus Diversifikationsgründen vor allem nach Deutschland orientiert hatten. Doch als Spätfolgen der Krise zwischen 1931 und 1936 und der Kapitulation Nazi-Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkriegs blieben die deutschen Zahlungen für die von den beiden Schweizer Instituten gewährten Kredite aus.

Während die Basler Handelsbank vom Lokalrivalen, dem SBV geschluckt wurde und noch einige Zeit als «Liquidationsinstitut» für blockierte Guthaben eingesetzt wurde, übernahm die SBG die Eiba und benutzte sie noch eine Zeit lang als Beteiligungs- und Finanzgesellschaft. Damit reduzierte sich die Zahl der Schweizer Grossbanken auf deren fünf. Gleichzeitig verschwanden damit zwei nicht in der Finanzmetropole Zürich ansässige Institute, die vor allem in ihren Ursprüngen lokal verankert gewesen waren, ihnen aber eine allzu forsche Expansionsstrategie ins Ausland zum Verhängnis geworden war

Älteste Grossbank der Schweiz

Es dauerte indessen mehrere Jahrzehnte, bis das nächste grosse Institut verschwand; das war 1990 die 1754 gegründete Zürcher Bank Leu, zu dem Zeitpunkt die älteste Grossbank der Schweiz. Sie galt als Adresse für vermögende Zürcher Privatpersonen, Zünfte, Firmen und Institutionen, die Geldanlagen im Ausland suchten. Ihre lange Geschichte war ein stetes Auf-und-Ab gewesen, das teilweise sogar ins Retailbanking führte und schliesslich in der Übernahme durch die damalige CS Holding (heute CS) endete.

Mangelnde Internationalisierung sowie der zunehmende Wettbewerb in der Schweizer Bankbranche, der sich weg von früher üblichen Preisabsprachen und hin zu einer Liberalisierung der Geschäfte bewegte, waren dem Institut zum Verhängnis geworden. Damit ging die möglicherweise vornehmste Grossbank der Schweiz verloren; der Name existierte zwar noch in verschiedenen Ableitungen wie der Leu Holding und schliesslich der Clariden Leu. Doch der CS gelang es nie, dieses Geldhaus als eigenständige und vor allem erfolgreiche Tochter zu positionieren. 2012 wurde die Clariden Leu in die CS integriert.

Übernahmekampf zwischen SBG und SKA

Ebenfalls in den 1990er-Jahren verschwand eine weitere Grossbank abseits von Zürich. Es war die 1869 von Vertretern aus Arbeiter-, Beamten und Gewerbekreisen gegründete «Volksbank von Bern», später Schweizerische Volksbank. In den frühen 1980er-Jahren war sie bereits durch hohe Verluste bei Silbertermingeschäften unter Druck geraten; hinzu kam dann in den 1990er-Jahren die Immobilienkrise in der Schweiz, die zu enormen Abschreibungen führten, denen das Institut nicht länger mehr gewachsen war.

So kam es zu einem erbitterten Übernahmekampf zwischen der SBG und der SKA (CS), den letztere, die sich schon damals als agiler erwies, schliesslich für sich entscheiden konnte. Versprechen, wonach die Marke SVB erhalten bleiben sollte, erwiesen sich im Schosse der SKA allerdings schon bald als Makulatur.

Gesunder Wettbewerb

Damit reduzierte sich die Anzahl der Schweizer Grossbanken auf deren drei, was vermeintlich für lange Zeit Bestand haben sollte. Denn die drei Institute standen in einem gesunden Wettbewerb zueinander, zumal sie sich auch kulturell unterschiedlich positionierten: Die SBG galt von ihren Dimensionen her als unangefochtene Nummer eins, sehr strukturiert, prozessorientiert und vor allem militärisch organisiert.

Vielleicht aufgrund ihrer Grösse und ihrer eher starren Strukturen ging ihr allerdings zunehmend die Innovationsfähigkeit ab, was sich im Gegensatz dazu vor allem beim SBV positiv äusserte, der schon früh ins Ausland expandiert hatte und mit den neusten Entwicklungen in der internationalen Finanzwelt, insbesondere im Handel, wesentlich vertrauter schien.

Die CS wiederum war nach dem Chiasso-Skandal von 1977 geläutert und positionierte sich unter der Ägide von Rainer E. Gut als Unternehmerbank, die ausserdem in den USA immer grössere Ambitionen im Investmentbanking hegte, die sich letztlich aber nie gerechnet haben.

Ominöser Anruf

Dass auch diese Dreier-Konstellation nicht in Stein gemeisselt war, manifestierte sich ein erstes Mal im April 1996, als der damalige CS-Präsident Gut seinen Konkurrenten Nikolaus Senn bei der SBG anrief und ihm eine Fusion vorschlug, was dieser – in seinem Selbstverständnis und (Firmen-)Stolz verletzt, sogleich ablehnte.

Doch es dauerte nur zwei Jahre, bis dann die SBG mit dem SBV zusammenspannte. Im Verlauf der 1990er-Jahre war die SBG von ihrem Erfolg dermassen verwöhnt zu einem zwar gut kapitalisierten, aber trägen Koloss mutiert, dem die Perspektiven in einer zunehmend globalisierten Welt abgingen; im Gegensatz dazu erwies sich der SBV als innovatives Geldhaus, das unter der Ägide vor allem von Marcel Ospel dermassen kompetitiv unterwegs war, dass ihr zusehends die finanziellen Mittel ausgingen. Der Schulterschluss machte vor diesem Hintergrund wirtschaftlich durchaus Sinn.

Erfolgsmodell schlittert in die Krise

Die Fusion von SBG und SBV zur UBS, kulturell zwar lange Zeit eine enorme Herausforderung war, weil sich zunächst die SBV-Leute unter Ospel in vielen Chargen durchsetzten, erwies sich für den Schweizer Finanzplatz zumindest bis 2008 als Erfolgsmodell, das dem Swiss Banking auch international grösste Anerkennung bescherte. Allerdings verspekulierte sich die Bank im Zuge der Finanzkrise dermassen, dass sie im Herbst 2008 vom Bund respektive von den Steuerzahlern gerettet werden musste.

Damit kehrte die UBS unter dem Druck der erforderlichen Reorganisation und dem Abgang der einstigen SBV-Garde unter Ospel zu ihren ursprünglichen Tugenden zurück. Sie war wieder sehr stark strukturiert und prozessorientiert; das Militärische war hingegen kein Thema mehr. Massgeblich daran beteiligt war zum einen der heutige UBS-Chef Sergio Ermotti, der damals der UBS eine neue, risikoärmere und auf die Vermögensverwaltung fokussierte Strategie verpasste, und zum andern der frühere Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, der dem Institut ein weltmännisches Format verlieh. Damit begab sich die Bank auf einen Kurs, der es überhaupt erst ermöglichte, dass die UBS im Stande war, heute die CS zu übernehmen.

Schlecht für Unternehmer

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die CS die Finanzkrise von 2008 souverän meisterte, in der Folge aber diese Erfolgsposition nicht bewahren oder gar ausbauen konnte, sondern aufgrund von Nachlässigkeit, Selbstüberschätzung sowie mangelnder Kompetenz und Kultur sich selbst ruinierte. Das Verschwinden der zweitletzten Grossbank der Schweiz ist nicht etwas Einmaliges, wie es die Geschichte der vergangenen knapp 80 Jahre gezeigt hat.

Gleichwohl geht nun aber ein weiteres Stück an wirtschaftlichem Kulturgut und an Vielfalt auf dem Schweizer Bankenplatz verloren. Besonders für Unternehmer, und dafür stand die CS ja auch, ist es verheerend, nicht mehr zwischen zwei Anbietern in finanziellen Belangen auswählen zu können.

Ende der «Alfred-Escher-Kultur»

Mit dem Ende der CS, die vollständig in die UBS integriert wird, geht die letzte schweizerische Antithese zur UBS-Kultur verloren. In ihren negativen Ausprägungen war sie von einem falschen Risikobewusstsein dominiert, gleichzeitig arbeiteten bei der «Alfred-Escher-Bank» aber auch loyale und überaus pragmatisch orientierte Leute mit sehr viel unternehmerischem Denken, das sie stärker als bei vielen anderen Instituten leben konnten.

Damit ist es nun zu Ende, zum einen, weil nicht alle CS-Leute eine Anstellung bei der UBS finden werden, zum andern, weil die UBS ihre eigene Kultur hat.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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