Die Schweizer Finanzbranche hat 2023 eine bemerkenswerte Renaissance des Aktionärsaktivismus erlebt. Die Wächter über eine tadellose Corporate Governance sind derweil weltweit auf dem Vormarsch. Dabei nimmt die Vielfalt der Aktivisten zu.

In der Schweizer Finanzbranche war 2023 in vielerlei Hinsicht ein aufsehenerregendes Jahr für aktivistische Investoren. Vor allem die Investorengruppe um Newgame und Bruellan sorgte im Bieterkampf um das Schweizer Fondshaus GAM wochenlang für Schlagzeilen.

Am Ende setzten sich die «Rebellen» mit ihren Forderungen gegen den GAM-Verwaltungsrat und den britischen Vermögensverwalter Liontrust durch.

Zuvor hatte Petrus Advisers bereits beim Genfer Bankensoftware-Hersteller Temenos für erhebliche Unruhe gesorgt und Köpfe rollen lassen. Das britische Unternehmen erzwang unter anderem den Abgang von CEO Max Chuard.

«Schlächter von Stockholm»

Aktionärsaktivisten sind mittlerweile auch in der Schweizer Grossbank UBS präsent, wenngleich bislang eher zurückhaltend. Vor wenigen Wochen erst stieg Cevian Capital als Grossaktionär bei der UBS ein. Der eher hinter den Kulissen agierende Aktivist sieht ein erhebliches Kurspotenzial für die UBS-Aktie, wie Mitgründer Lars Förberg im Dezember betonte.

In der Vergangenheit hat die schwedische Beteiligungsgesellschaft in der Schweiz als aktivistischer Investor unter anderem beim Elektrotechnik-Konzern ABB und beim Logistiker Panalpina als unbequemer Aktionär für mächtigen Druck gesorgt. Nicht umsonst wird das Unternehmen wegen seiner früheren Forderungen nach «Zerschlagung und Ausweidung» mitunter auch als «Schlächter von Stockholm» bezeichnet.

Bei der UBS dürfte Cevian allerdings nicht die gleiche radikale Taktik verfolgen.

Guter Riecher

Bereits Monate vor Cevian hatte sich der renommierte Starinvestor Daniel Loeb mit seinem US-Hedgefonds Third Point bei der UBS eingekauft, wie finews.ch berichtete. «Wir glauben, dass die Übernahme der Credit Suisse für die UBS eine transformative Transaktion ist, deren Preis und Bedingungen sehr überzeugend sind», schrieb der bekannte Milliardär damals in einem Brief an die Investoren. Third Point ist einer der grössten Hedgefonds in den USA.

Loeb behielt mit seiner Einschätzung recht, denn die UBS-Aktie notiert heute deutlich höher als noch im Vorjahr. In seinem jüngsten Investorenbrief zum dritten Quartal 2023 von Mitte November feierte der berüchtigte Hedgefondsmanager die UBS-Titel als einen seiner grössten Gewinner des Quartals.

Weltweite Aktivismuswelle

Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit nimmt der Einfluss aktivistischer Aktionäre zu. Während der Angriff des US-Investmenthauses Hindenburg auf die indische Adani Group im vergangenen Jahr am meisten Schlagzeilen machte, haben viele andere aktivistische Kampagnen die Vorstandsetagen von Unternehmen erschüttert: von der britischen Grossbank HSBC, wo der Aktivist Ken Lui die Zerschlagung des Instituts forderte, bis zum Ölgiganten BP, wo Klimaaktivisten eine Resolution einreichten, die den Konzern zu strengeren Emissionsziele aufforderte.

Die Flut von Kampagnen, die in den USA mit der Ära der «Corporate Raiders» begann, hat inzwischen Europa und Asien erreicht. Auf der Suche nach hohen finanziellen Renditen und strategischer Verantwortung geraten Investoren zunehmend in Konflikt mit Unternehmensführungen, die sie für unterdurchschnittlich halten.

Rekordhohes Angriffstempo

Die Wächter über eine tadellose Corporate Governance starteten im Jahr 2023 einer Rekordzahl von Angriffen. Immer mehr unzufriedene Aktionäre versuchten, Topmanager in den Teppichetagen zu stürzen oder den Verkauf von Unternehmen zu erzwingen, deren Aktienkurse stagnierten. Laut einer Studie des Investmenthauses Lazard gab es weltweit 252 neue Kampagnen, ein Anstieg von 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie die «Financial Times» berichtete (kostenpflichtiger Artikel).

Daten des amerikanischen Analysehauses S&P Capital IQ zeigen ebenfalls einen Rekordanstieg der Aktivitäten von Investoren im Jahr 2023, mit insgesamt weltweit 961 registrierten Kampagnen.

Neue Generation von Aktivisten

Ein interessanter Trend ist die zunehmende Vielfalt der Aktivisten, die nicht mehr ausschliesslich von Hedgefonds wie Third Point dominiert werden. Mehr als 40 Prozent der Aktivisten, die im vergangenen Jahr Kampagnen gestartet haben, waren laut Lazard zum ersten Mal in dieser Rolle aktiv.

Generell konzentrierten sich Aktivisten 2023 auf dem Trendsetter-Markt USA vor allem auf die Sektoren Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT) sowie Finanzinstitute. Im Bereich der Finanzinstitute bot die regionale Bankenkrise zu Beginn des Jahres Chancen für Aktivisten oder stärkte ihre Verhandlungsposition bei bestehenden Investments.

Finanzsektor zunehmend im Fokus

Wie Daten des Beratungsunternehmens FTI Consulting belegen, wurde der Finanzsektor im dritten Quartal 2023 neunmal ins Visier genommen. Im Jahresendviertel wurden mindestens 16 Kampagnen gestartet, aufbauend auf den 53 Kampagnen im ersten Halbjahr.

Auch die Daten von S&P unterstreichen einen signifikanten Anstieg der Kampagnenaktivität im Finanzsektor. Dies ist nicht nur auf die Liquiditätsengpässe der Banken im Frühjahr 2023 zurückzuführen, sondern auch darauf, dass Aktionäre bei Banken eine stärkere Offenlegung der Übergangspläne fordern, wie ihre Finanzierungsaktivitäten mit den Emissionsreduktionszielen oder dem Paris-Klimazielen in Einklang gebracht werden sollen.

Grösse allein schützt nicht

Ein weiterer interessanter Trend ist laut S&P die Zunahme von Aktivistenkampagnen, die sich gegen grosse Unternehmen richten. Dieser Anstieg bei grossen Unternehmen deutet darauf hin, dass Grösse allein keine ausreichende Verteidigungstaktik gegen gut finanzierte und gut durchdachte Aktivistenkampagnen sein wird.

Das laufende Jahr wird voraussichtlich ein ähnlich hohes Ausmass an Kämpfen in den Vorstandsetagen bringen, wenn nicht gar ein höheres. Kampagnen von aktivistischen Investoren, die Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen erwerben, um strategische Veränderungen voranzutreiben, haben seit etwa 2017 von Jahr zu Jahr zugenommen.

«Wir raten dazu, sich vorzubereiten»

Auch Investmentbanker, die traditionell bei der Verteidigung von Firmen behilflich sind, erwarten mehr Aktivität. So Reinout Böttcher, Leiter des Schweiz-Geschäfts sowie des Schweizer Investmentbankings von J.P. Morgan. Auf Anfrage von finews.ch erklärt er, dass aktivistische Investoren aktuell ein gutes Marktumfeld vorfinden. 

«Auch wenn sich viele Diskussionen inzwischen eher geräuschlos im Hintergrund abspielen, raten wir unseren Kunden, sich auf mögliche öffentliche Kampagnen vorzubereiten», so Böttcher. Kampagnen aktivistischer Investoren adressierten oft mögliche mittel- bis langfristige Risiken für die Wertschöpfung ihrer Angriffsziele, so der Bankmanager weiter. «Unternehmen, die proaktiv Risiken managen und angemessen mindern, können insofern selbst verhindern, dass ein Aktivist überhaupt auftaucht.»

Julius Bär als nächstes Ziel?

Im Schweizer Finanzsektor dürfte es dieses Jahr ruhiger zugehen, da sich die Aktivisten bei offensichtlichen Problemkindern wie Temenos und GAM bereits durchgesetzt haben. Die Zürcher Privatbank Julius Bär hingegen könnte nach dem Debakel um die Pleite der Immobiliengruppe Signa und den damit verbundenen Kursverlusten ins Visier von aktivistischen Investoren geraten. Bislang gibt es jedoch keine Anzeichen dafür.

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