Die Zentralbanken haben 2018 nicht nur ihre Goldreserven drastisch erhöht, sie spielen auch beim Preis für das gelbe Edelmetall eine bedeutende Rolle, behauptet Rohstoffexperte Joachim Corbach.

Kürzlich sorgte ein Vorschlag des italienischen Vizepremiers Matteo Salvini – Parteivorsitzender der Lega Nord und einer der eher umstrittenen Politiker des Landes – am Markt für einigen Wirbel: Er forderte die italienische Zentralbank auf, ihre Goldreserven zur Finanzierung der geplanten Staatsausgaben zu verkaufen.

Die Banca d’Italia verfügt mit rund 2'400 Tonnen nach der US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) und der Deutschen Bundesbank über die drittgrössten Goldbestände der Welt. Ein Abverkauf in diesem Umfang würde sich zweifellos auf den Goldpreis auswirken, wie Joachim Corbach, Rohstoffexperte GAM Investments (Bild unten), feststellt.

Zusätzliche Schwierigkeiten

joe corbach 514Allerdings entspricht der aktuelle Barwert von rund 93 Milliarden Euro nur etwa 4 Prozent der Staatsverschuldung Italiens. Ein Goldverkauf der Notenbank wäre also keineswegs eine Lösung für das Schuldenproblem des Landes. Im Gegenteil: Nach Corbachs Einschätzung könnte ein solcher Schritt dem Land sogar zusätzliche Probleme bereiten.

Denn Artikel 30 des EU-Vertrags verlangt die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken und verbietet jegliche Form der Staatsfinanzierung. Salvini hat in den vergangenen Monaten wiederholt deutlich gemacht, dass ein EU-Austritt Italiens für ihn ausgeschlossen ist. Deshalb ist GAM-Spezialist Corbach der Meinung, dass die Marktteilnehmer seine Äusserungen über einen möglichen Goldverkauf durch die Banca d’Italia getrost ignorieren können.

Geopolitische Spannungen

Bedeutsamer ist eher die Tatsache, dass die Zentralbanken weltweit 2018 ihre Goldreserven durch erhebliche Zukäufe um 650 Tonnen aufgestockt haben – eine Steigerung von 74 Prozent gegenüber 2017. Dies entspricht ungefähr 15 Prozent der globalen Nachfrage. Dabei handelt es sich um das zweitgrösste Volumen, das jemals innerhalb eines Kalenderjahres erworben worden ist. Es wird nur durch das Volumen übertroffen, das 1967 erworben wurde, als der Dollar noch an den Goldpreis gebunden war.

Schätzungen zufolge verfügen die Zentralbanken heute insgesamt über 34'000 Tonnen an Goldreserven – eine Zahl, die angesichts der vermehrten geopolitischen Spannungen (Gold erweist sich häufig als «der ultimative sichere Hafen») und robusteren Schwellenländer-Währungen (die eine geringere Unterstützung durch die Notenbanken benötigen) weiter steigen dürfte.

Gold oder Dollar?

Trotzdem: Weshalb hat der Goldpreis, obwohl viele Zentralbanken 2018 als äusserst aktive Käufer auftraten, im Kalenderjahr dennoch leicht nachgegeben? Die Antwort darauf erklärt nicht nur diese scheinbare Anomalie, sondern liefert auch Hinweise auf den Ausblick: Die Geldpolitik der grossen Zentralbanken der Welt beeinflusst die Goldpreisentwicklung meist stärker als deren Umgang mit den Goldreserven.

Darüber hinaus besteht ein besonderer Zusammenhang zwischen Gold und dem Dollar. Dadurch kommt der Fed-Politik eine massgebliche Bedeutung zu, da der Preis von Gold und anderen Rohstoffen in Dollar festgestellt wird. Steigt der Dollar gegenüber anderen globalen Währungen, wird Gold in Nicht-Dollar-Währungen teurer, was die Nachfrage naturgemäss begrenzt.

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