Einem Freund von Wladimir Putin wird vorgeworfen, als Strohmann Millionen über Schweizer Bankkonten verschoben zu haben. Ob die Bank dabei weggeschaut hat, klärt jetzt ein Schweizer Gericht.

Vier ehemalige Mitarbeiter der Gazprombank Schweiz müssen sich am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, im Umgang mit einem Bankkunden Sorgfaltspflichten verletzt haben.

Der Kunde ist kein Unbekannter: Es handelt sich um Sergej Roldugin, einen mit Wladimir Putin befreundeten Konzertcellisten und Dirigenten. Roldugin hat gemäss einem Vorwurf der Staatsanwaltschaft Millionenbeträge über Schweizer Bankkonten verschoben, ohne dass dies ordnungsgemäss überprüft worden wäre.

Als Putins Strohmann verdächtigt

Die ehemaligen Gazprombanker sollen von 2014 bis 2016 eine Geschäftsbeziehung mit Roldugin geführt haben. Während dieser Zeit hätten die Banker laut der Anklageschrift merken müssen, dass dieser unmöglich der tatsächliche wirtschaftlich Berechtigte an den Vermögenswerten in Millionenhöhe gewesen sein konnte, die auf zwei Bankkonten deponiert wurden.

Beide Konten wurden im September 2016 geschlossen. Die Staatsanwaltschaft beantragt gemäss der Agentur «Reuters», die aus den Gerichtsakten zitierte, für jeden der Banker eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten.

Bloss ein guter Freund

Der Musiker selbst sagte der «New York Times», er sei sicher kein Geschäftsmann und besitze selbst keine Millionen.

Putin wiederum bezeichnete Roldugin in der Vergangenheit als Freund, brillanten Musiker und Wohltäter, der mit einer Minderheitsbeteiligung an einem russischen Unternehmen ehrlich etwas Geld verdient habe. Roldugin ist der Taufpate von Putins erster Tochter Maria.

Mehrere Warnlampen

Bisher tat der Kreml jede Andeutung, dass Roldugins Vermögen mit dem russischen Staatschef in Verbindung steht, als antirussische «Putinophobie» ab. Putins Finanzen seien eine öffentliche Angelegenheit, so der Kreml, und er habe den russischen Wählern regelmässig sein Vermögen und sein Gehalt offengelegt.

Gemäss der Anklageschrift gab es in dem Fall mehrere Warnsignale. Trotzdem hätten die angeklagten Banker – drei Russen, die in Zürich arbeiteten, und ein Schweizer – nicht versucht zu klären, ob Roldugin der tatsächliche Eigentümer der Vermögenswerte war oder woher die Gelder stammten.

In den Dokumenten der Bank wurde nur Roldugins berufliche Tätigkeit als Musiker aufgeführt, was seine Eigentümerschaft und Beteiligung «in keiner Weise plausibel» machte, wie aus den Gerichtsdokumenten hervorgeht.

Im Visier der USA

Roldugin geriet nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine bereits ins Visier von US-Sanktionen. Das US-Finanzministerium beschrieb ihn als Teil eines Systems, das Putins Offshore-Vermögen verwaltet. Auch in der Schweiz wurden gegen Roldugin Sanktionen verhängt.

Die Schweiz setzt gegenüber Russland und Belarus das Sanktionsregime der EU mit leichten Modifikationen um. Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine liess der Bund gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Vermögenswerte in der Schweiz über 7,5 Milliarden Franken sowie 15 Liegenschaften sperren.

Schaden für den Finanzplatz

Ausserdem verpflichteten sich hiesige Banken und andere Stellen, Einlagen von nicht-sanktionierten Russinnen und Russen ab 100’000 Franken beim Seco zu melden und ab diesem Betrag keine weiteren Kundengelder entgegenzunehmen. Von den gemeldeten russischen Vermögenswerten in der Schweiz im Betrag von 46,1 Milliarden Franken liegt mehr als ein Drittel bei der Credit Suisse.

Das Risiko, wegen Russen-Geldern international an den Pranger gestellt zu werden, will kaum ein Schweizer Institut eingehen, wie finews.ch berichtete. Trotzdem lassen Negativ-Schlagzeilen wie jene über Putins Cellisten-Freund und sein Schweizer Bankkonto den Finanzplatz auf den ersten Blick in einem schlechten Licht erscheinen.

Achtung des Rechtsstaats

Allerdings gibt es für private Vermögen in der Schweiz eine Eigentumsgarantie. Aufgrund dieses rechtsstaatlichen Grundsatzes ist eine entschädigungslose Enteignung nicht möglich, weil etwa eine Person bloss einen nicht genehmen Pass besitzt.

Auch die EU-Sanktionsliste genügt für eine Enteignung nicht. Eine Person steht nämlich nicht wegen eines gerichtlichen Schuldspruchs auf der Liste, sondern lediglich wegen einer mutmasslichen Nähe zum Regime von Putin.

Keine Sippenhaft

Gegen eine willkürliche Beschlagnahmung von russischen Geldern wetterte unlängst Josef Ackermann. Für den ehemaligen CEO der Deutschen Bank sind Rechtsstaatlichkeit und Eigentumsrechte gefährdet, wenn die Schweiz einzelne Bürger oder russische Oligarchen generell verantwortlich mache für die Politik der russischen Regierung.

Eine solche Botschaft wäre gemäss Ackermann ein verheerendes Zeichen für den Schweizer Finanzplatz. Dann müssten künftig auch Bürger anderer Länder damit rechnen, dass die Schweiz ähnlich vorgehe, wenn andere Regierungen völkerrechtlich etwas Zweifelhaftes tun.

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