Drei Finanzprofis, die sich aus Zeiten beim Investmenthaus Vontobel kennen, schlagen eine Brücke zwischen Quant- und Themenfonds. Dazu setzten sie auf Künstliche Intelligenz. finews.ch hat mit Eqitron-Mitgründer Daniel Seiler gesprochen.

Was Daniel Seiler und seine Mitstreiter derzeit bewegt, ist ein Widerspruch. Seiler ist von Hause aus ein «Quant»; der erfahrene Fondsmanager hat die meiste Zeit seiner Karriere damit zugebracht, die Märkte aufgrund von Daten zu ergründen und nach der Vorgabe von Algorithmen zu investieren.



Doch Quant-Fonds sind für Anleger kaum intuitiv zu begreifen und wecken beim breiten Publikum nur begrenztes Interesse – ganz anders als Themenfonds, ein Langzeit-Kassenschlager im Asset Management. Erhebungen des Analysediensts Morningstar zufolge wurden in in den Produkten im Jahr 2022 rund 800 Milliarden Dollar an Vermögen verwaltet. Die jährlichen Wachstumsraten waren bis dahin oftmals zweistellig.



Schwer in Zahlen zu fassen

Mit der eigenen, neu gegründeten Firma Eqitron möchten Seiler und seine Geschäftspartner diese Zugkraft für sich nutzen. Doch das ist nicht so einfach. «Ein quantitativer Investor hatte unglücklicherweise bisher wenig mit Themeninvestitionen zu tun», erklärt der Investmentprofi im Gespräch. «Es fehlten die nötigen Werkzeuge. Das Aufkommen und das Verschwinden von Investmentthemen waren zudem schwer in Zahlen zu fassen», so Seiler.



Zudem haben auch Themenfonds ein Problem: Es dauert relativ lange, bis ein Thema am Markt als lukrativer Trend erkannt wird. Wenn die entsprechenden Fonds dann endlich gebaut sind, sind die Bewertungen der Titel zumeist schon deutlich gestiegen. Ein grosser Teil des kurzfristigen Potenzials verpufft – es bleibt die langfristige Wette auf ein Thema.

Brücke schlagen

Seiler sagt es so: «Das grösste Problem bei Themeninvestitionen war bis dato das Timing. Hier geht am meisten Rendite verloren, da die Besonderheiten von Themen im Investitionsprozess oft übersehen werden.»

 Viele Produkte würden darum eher ein gemischtes Resultat ausweisen.



Doch nun, glauben er und die Eqitron-Mitgründer, lässt sich nicht nur eine Brücke zwischen Quant- und Themenstrategien schlagen – sondern auch das beste aus beiden Welten in einem Anlageansatz zusammenfassen. Möglich macht dies aus ihrer Sicht der Durchbruch von Generativer Künstlicher Intelligenz (KI) und Large Language Models (LLM).

Rückgriff auf Privatmarkt-Daten



Diese beiden Technologie erlaubten es, sagt Seiler, Themen quantitativ zu erfassen und zu analysieren. Das führe zu qualitativ hochwertigen Produkten, die Investoren leicht verstehen könnten. «Diese Kombination ist für Asset Manager sehr attraktiv.»



Vor allem sollen KI und LLM Eqitron helfen, aus grossen Datenmengen Themen herauszufiltern, die der breite Markt noch gar nicht erkannt hat. Unter anderem nutzt das Startup dazu Informationen aus der Privatmarkt-Branche, die Börsianern kaum zugänglich sind.



«Wir nutzen unseren Generativen Investment Prozess (GIP), um Themen zu erkennen sowie die
 Unternehmen, die diese Themen und Trends anführen», beschreibt Eqitron das Geschäftsmodell in einem Informationspapier für Investoren. Der Prozess identifiziere aktiv und kontinuierlich Anlagethemen und bewertet ihre Marktauswirkungen Auswirkungen. Das Versprechen: «Wir entschlüsseln Themen, bevor sie
bevor sie von den Märkten vollständig erkannt und eingepreist werden.»



Yun 500

(Bild: Linkedin)

Bewegte Geschichte

Dies verschaffe der Firma einen Vorteil in Bezug auf Geschwindigkeit und Flexibilität im Vergleich zu traditionellen Vermögensverwaltern, wirbt Eqitron. «Im Durchschnitt zielen wir auf eine Überschussrendite, die 4 bis 6 Prozent über der des Gesamtmarktes liegt», stellt Seiler in Aussicht.



Das mag nach Zukunftsmusik klingen. Doch hinter dem neuartigen Anlageansatz stehen drei Veteranen, die sich in der hiesigen Branche nicht mehr beweisen müssen: Seiler wie auch seine Co-Gründerin Yun Bai (Bild oben) haben jahrelang für die Schweizer Fondsboutique Vescore gearbeitet, die auf eine bewegte Geschichte zurückblickt. So wurde der Asset Manager von der einstigen Raiffeisen-Tochter Notenstein La Roche übernommen, die dann ihrerseits von Vontobel geschluckt wurde.



Einstiger Asset-Management-Chef mit von Partie

Die letzten Jahre brachten Yun und Seiler beim Zürcher Investmenthaus zu, bevor sie sich selbstständig gemacht haben; Seiler ist bei Vontobel im Herbst 2023 ausgeschieden. Damals hatte das Institut in seiner Fondssparte bereits mit Milliardenabflüssen zu kämpfen – ein Trend, der sich fortgesetzt und Vontobel nun zu Sparmassnahmen gezwungen hat, wie auch auf finews.ch berichtete.



Aus Vontobel-Zeiten kennen die beiden auch den Dritten im Bunde: Axel Schwarzer (Bild unten), den einstigen Chef des Asset Management von Vontobel, unter dessen Ägide sich die Sparte rapide entwickelte und zum wichtigsten Standbein des Zürcher Traditionshauses heranwuchs. Für Eqitron vereinen die drei nun erneut ihre Kräfte.

Schwarzer 500

(Bild: Vontobel)

Ein Berg von Arbeit



Das bedeutet erst einmal einen Berg von Arbeit, folgt man Seiler. Den GIP-Ansatz hat die Firma selber entwickelt, die eingesetzten KI und LLM teils intern programmiert, teils extern aus Open-Source-Quellen angezapft. «Dies liegt daran, dass LLM typischerweise mit Milliarden oder sogar Billionen von Variablen arbeiten, deren Schätzung äusserst kostspielig sein kann», erklärt der Firmengründer. Nur spezialisierte Firmen mit den notwendigen finanziellen Mitteln und Daten könnten diese Modelle selbst trainieren.



Das Training der Kernmodule sei hingegen für eine spezialisierte Anwendung nicht ausschlaggebend. Der wahre Mehrwert entstehe nicht durch das generische Verständnis von Sprache und Logik allein, ist Seiler überzeugt. «Vielmehr kombiniert man dieses Kernverständnis mit spezifischem Wissen aus dem jeweiligen Fachgebiet. Dieser zweite Schritt, bei dem man das domänenspezifische Verständnis selbst entwickelt, bietet die Möglichkeit zur Differenzierung.»



Lizenz angestrebt

Man könne sich das, sagt Seiler, wie ein Gehirn vorstellen, bei dem der innere Kern die allgemeine Logik repräsentiere und die äussere Schicht das fachspezifische Verständnis. «In unserem Fall ist dies das Verständnis der Investitionstätigkeit.»

Und natürlich gilt es auch dem Unternehmen auf die Sprünge zu helfen.

Im Zuge des geplanten Wachstums strebt Eqitron zügig einer Lizenz der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) als Vermögensverwalter an. Ebenfalls müssen die Partner um die nötigen finanziellen Mittel besorgt sein, um den Ausbau der Infrastruktur und der Geschäftstätigkeit zu stemmen.



Dazu sehe man sich auch extern um, sagt Seiler: «Aktuell sind wir in der Phase, in der wir einen strategischen Investor suchen, um unsere ambitionierten Wachstumsziele zu realisieren.»