Der Senior Managing Partner der Genfer Privatbank Lombard Odier macht sich Sorgen um die Zukunft. Patrick Odier erklärt im Interview mit finews.ch, weshalb die Schweiz bei der Rettung der Welt eine Vorreiterrolle einnehmen sollte.

Herr Odier, Sie waren massgeblich an der Organisation des Building Bridges Summit – einer Veranstaltung zur Verknüpfung des Schweizer Finanzplatzes mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen – beteiligt. Sind Sie zufrieden mit dem Anlass?

Sehr. Ich habe gemerkt, dass sich fast alle in der Sache hier Beteiligten auf der gleichen Ebene befinden. Das war eines der Ziele, das wir uns vorgenommen haben, eine gemeinsame Sprache zu finden. Dies, um sicherzustellen, dass wir einen Aktionsplan erstellen können, um zusammen besser und schneller die Transition in Richtung Nachhaltigkeit durchführen zu können.

Wie das?

Wir sind uns einig, dass wir keine Wahl mehr haben. Dass wir ein neues Modell finden müssen, um unsere Wirtschaft schlanker, zirkularer und inklusiver zu machen. Wir sind alle der Meinung, dass es verschiedene Wege gibt, um das zu tun, aber dass der einzige zielführende Weg ist, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Und wir haben in der Schweiz – darüber sind sich auch alle einig – die geeigneten Werkzeuge, um diesen Weg zusammen zu gehen.

Was für Werkzeuge sind das?

Erstens die internationalen Organisationen, die die Glaubwürdigkeit und die Standards gewährleisten. Zweitens die Nicht-Regierungs-Organisationen, die bei uns auch eine ganz wichtige Rolle spielen müssen. Denn diese wissen, was die Gesellschaft eigentlich dazu zu sagen hat, was die Probleme sind, die prioritär behandelt werden müssen, und wie wir als Akteure der Wirtschaft diese gesellschaftlichen Ziele erreichen können. Drittens eben die Akteure selber, das sind die Unternehmen, die Industrie.

«Die Finanzwelt wirkt als Katalysator»

Wir haben heute morgen von zwei sehr wichtigen Firmen hier gehabt, Roche und Nestlé, die sagen, dass das bisherige System – der Kapitalismus – an sein Limit stösst und dass sie daran sind, sogenannte Circular-Economy-Konzepte zu integrieren. Schliesslich muss die Finanzwelt hinter uns stehen, denn diese kann als Katalysator die Umwandlung einerseits vereinfachen oder beschleunigen, aber andererseits auch die Entwicklung neuer Lösungen vorantreiben oder finanzieren.

Wenn Sie die Gesellschaft und die Finanzwelt ansprechen, da ist ja Nachhaltigkeit inzwischen auch schon ein grosser Begriff. Wenn man sich aber umhört, Proteste wie zum Beispiel von Extinction Rebellion oder der Klimajugend anschaut: die finden Ihren Beitrag nicht ganz so positiv wie Sie. 

Ich verstehe gewisse Reaktionen in diesem Bereich, das ist normal. Es geht natürlich vieles nicht so schnell, wie es eigentlich sollte, wir müssen das Tempo klar beschleunigen. Was man nicht vergessen darf: Die Finanzwelt enthält auch viele Risiken für die Gesellschaft, nicht nur für die Finanzinstitute. Entsprechend sorgsam muss man vorgehen. Die Rolle der Finanzwelt ist die Kreditversorgung zugunsten des Wachstums, des positiven Wachstums heutzutage. Nachhaltige Entwicklung heisst für mich auch nachhaltiges Wachstum. Also, dass das Kapital gewährleistet, dass die Ideen, die jetzt bevorzugt und finanziert werden, nachhaltige Ideen sind, und nicht nur positiv fürs Image.

«Wir sind schon auf dem richtigen Weg»

Eine Bank hat ausserdem auch eine treuhänderische Verantwortung, das ihr von der Kundschaft der Bank zur Verfügung gestellte Kapital gut zu nutzen. Es ist folglich unsere Pflicht, in nachhaltige Anlagen zu investieren, da wir überzeugt sind, dass damit die beste Performance zu erzielen ist. Aus diesen Gründen braucht es etwas Zeit. Ich verstehe also die Kritik, aber wir sind schon auf dem richtigen Weg. Es ist nur eine Frage der Geschwindigkeit.

Was muss der Schweizer Finanzplatz konkret als nächstes tun?

Ich glaube, wir müssen aus der Schweiz heraus die Anführerrolle übernehmen, so dass die internationale Gemeinschaft mit uns und auch mit unseren Standards arbeiten wird, und nicht nur umgekehrt. Sonst werden wir eventuell letztendlich gezwungen, mit internationalen Standards mehr oder etwas anderes zu tun als wir wollen. Die Idee, dass wir früh einbezogen sein könnten in der Entwicklung der Regulierung, kommt auch davon, dass wir gut positioniert und vielleicht auch aktiver sein müssen, wenn es um die Ausarbeitung der Spielregeln geht. Das hat sich in der Vergangenheit gezeigt, in Steuersachen, und auch in anderen Angelegenheiten wie zum Beispiel Finanzindustrie-Standards.

«Das gehört alles zu dieser kollektiven Verantwortung»

Wird Ihre Branche denn gehört?

Heute spricht man überall, nicht nur bei der Uno und bei der EU-Kommission, über die gleichen Themen. Ich war kürzlich in Asien, und ich versichere Ihnen, da sprechen alle über Nachhaltigkeit. Die Gefahr, dass sich nun alle unkoordiniert oder unprofessionell an die Arbeit machen, ist gross. Wir müssen uns darauf einigen, nicht nur über Standards zu sprechen, also darüber, wie man investieren muss, sondern auch über die richtigen Monitoring-Methoden, Referenz-Indizes, Datenquellen und die richtigen Partner, um alles sauber und sorgfältig zu tun. Das gehört alles zu dieser kollektiven Verantwortung zwischen den Finanzinstituten, Asset-Owners, Investoren, der Politik und dem Regulator.


Patrick Odier führt als Senior Managing Partner die Genfer Privatbank Lombard Odier. Das Institut positioniert sich seit längerer Zeit stark über das Thema Nachhaltigkeit. Odier, welcher die Führung der Bank Ende 2022 an Hubert Keller übergeben wird, präsidierte den «Building Bridges Summit» wo sich diesen Monat Vertreter der Schweizer Finanzbranche über die künftige nachhaltige Entwicklung der Branche austauschten. 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.89%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.31%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.67%
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