Welchen Einfluss haben die anhaltenden Proteste der Demokratie-Bewegung in Hongkong auf Ihr Geschäft?

Sagen wir es so, die Kunden sind besorgt, aber im Moment warten sie noch ab und beobachten, wie sich das Ganze weiterentwickelt.

In Finanzkreisen ist zu hören, dass Wohlhabende ihre Vermögen nun von Hongkong nach Singapur verlagern. Stimmt das?

Das Schwierige an dieser Behauptung ist, dass sie rein anekdotisch ist. Mit anderen Worten, sie lässt sich nicht überprüfen, oder zumindest sehen wir das selber nicht.

Guy de Picciotto: Ehrlich gesagt, ich bezweifle diese Entwicklung. Möglicherweise gibt es Banken, die daraufhin arbeiten.

Sind Sie jetzt häufiger in Hongkong, um aufgrund der angespannten Situation dort nach dem Rechten zu schauen?

Michael Blake: Nein. Grundsätzlich bin ich jeden Monat etwa zweimal in Hongkong. Im Tagesgeschäft ist es bisher nicht zu erwähnenswerten Veränderungen gekommen. Es gibt immer noch sehr viele Opportunitäten in der ganzen Greater-China-Region oder auch auf den Philippinen.

Wo wächst die UBP in Asien am stärksten?

Definitiv in Greater China, also in China, Taiwan und eben Hongkong. Attraktiv ist auch das Geschäft mit indischen Kunden ausserhalb Indiens, sogenannten NRIs, zudem verzeichnet der thailändische Markt ein bedeutendes Wachstum.

Wie überzeugen Sie einen Kunden, sich aus der Vielzahl von Banken ausgerechnet für die UBP zu entscheiden?

In Asien besteht eine hohe Nachfrage nach massgeschneiderten Vermögensverwaltungs-Mandaten, insbesondere bei Kunden mit Vermögenswerten von 10 Millionen Franken und mehr.

«Ausserdem weiss kaum jemand, wie man meinen (Familien-)Namen ausspricht»

Bei uns haben Privatkunden Zugang zu institutionellen Lösungen, das macht einen grossen Unterschied aus. Ausserdem besitzen wir ein grosses Know-how in der Beratung von Family Offices sowie von wohlhabenden Familien, die ein solches gründen wollen. Wir bieten dieses Know-how erst seit kurzem in Asien an.

Die grossen Genfer Privatbanken betonen gerne, dass sie seit Jahrhunderten in Familienbesitz sind. Auch die UBP ist in Familienbesitz, stellt dies aber nicht so sehr in den Vordergrund. Warum?

Guy de Picciotto: Die grosse Mehrheit der Vermögenden in Asien ist mit den Schweizer Privatbanken nicht sehr vertraut. Ausserdem weiss kaum jemand, wie man meinen (Familien-)Namen ausspricht (lacht).

Eine Familienbank zu sein, ist wichtig. Was aber wirklich zählt, sind die Kundenberater, die ihre Kunden kennen, ihre Bedürfnisse verstehen und diese erfüllen.

Sie haben erwähnt, dass Sie ganze Teams von der Konkurrenz abwerben. Gelingt es diesen Beratern auch, die Kunden zu einem Bankwechsel zu bewegen?

Michael Blake: Das hängt tatsächlich von der jeweiligen Konstellation ab, also von der Länge und Intensität der Kundenbeziehung.

«Ich weiss nicht, wo das enden wird»

Guy de Picciotto: Manche Teams, die wir engagiert haben, stiessen zu uns, weil sie sich anderswo aufgrund von internen Restrukturierungen nicht mehr wohl fühlten. In der Regel folgen dann auch die Kunden. Es klingt zwar zynisch, aber ich sage oft, in dieser Branche wächst man durch die Fehler der andern. Darum müssen wir weniger Fehler machen als die anderen. Das klingt zwar bedenklich, ist aber eine Tatsache.

In Asien stehen die Zeichen auf Wachstum. Wie präsentiert sich die Situation im Schweizer Geschäft?

Anders. Die Schweizer Bankbranche schlägt immer noch die alten Schlachten. Die Gesetze und Bestimmungen verändern sich fortlaufend, werden strikter, und der Marktzugang nach Europa kommt vermutlich nie.

Dabei müssten wir raus, während gleichzeitig die lokalen Banken in Europa immer kompetitiver werden. Da herrscht ein erbitterter Pricing-Wettbewerb. Ich weiss nicht, wo das enden wird.

Mit anderen Worten: Sie können in Europa nicht richtig wachsen?

Es braucht grosse Anstrengungen. Deutschland ist zweifelsohne interessant, wir bearbeiten diesen Markt von Zürich heraus.

«Der Brexit wird in Bezug auf die Vermögensverwaltung in London keinerlei Einfluss haben»

Frankreich wiederum, früher ganz wichtig, ist heute kein vorrangiger Markt mehr für uns, da viele, sehr vermögende Franzosen beschlossen haben, ins Ausland umzusiedeln. Italien dagegen ist interessant. Da haben wir kurzfristig Wachstumspläne.

Was ist mit dem Brexit?

Welcher Brexit (lacht)? Meiner Ansicht nach wird der Brexit in Bezug auf die Vermögensverwaltung in London keinerlei Einfluss haben. Darum bauen wir unsere Präsenz an der Themse weiter aus. Für diese Pläne müssen wir nicht den Ausgang der Brexit-Verhandlungen mit der EU abwarten.

Wie läuft Zürich, wo der frühere Notenstein-Chef Adrian Künzi das Zepter in der Hand hat?

Sehr gut. Mit unseren aktuell 25 Milliarden Franken an verwalteten Kundengeldern in Zürich sind wir die grösste Genfer Privatbank auf dem Platz.

«Da sind ganz einfach einige Egos aufeinandergeprallt»

Wir wachsen und wollen weitere talentierte Kundenberater engagieren.

Auf dem Zürcher Finanzplatz hat in den vergangenen Wochen der Bespitzelungs-Skandal um einen Top-Manager der Credit Suisse für Aufsehen gesorgt. Denken Sie, dass solche Ereignisse der Branche schaden?

Das ist bestenfalls eine Fussnote, eine reine Begleiterscheinung. Ich verstehe das Problem nicht. Da sind ganz einfach einige Egos aufeinandergeprallt. Ehrlich gesagt, beobachtet man einen Manager, der zur Konkurrenz geht, um sicherzustellen, dass er keine Leute abwirbt? Ja. Ist das effektiv? Sicherlich nicht.

Selbst die angesehene «Financial Times» griff die Querele auf.

Die internationale Presse nutzt doch jede Gelegenheit, um den Schweizer Finanzplatz zu kritisieren. Dabei täte sie gut daran, einmal vor der eigenen Haustür zu kehren.

Das Ausland verkündet auch regelmässig den Niedergang des Schweizer Bankwesens. Zu Recht?

Der Markt ist viel zu träge. Heute existieren einerseits die (Privat-)Banken mit über 100 Milliarden Franken an Kundengeldern sowie andererseits die Häuser mit 30 Milliarden Franken und weniger. Fast alles, was dazwischen lag, wurde wegkonsolidiert.

«Die Margen sind immer noch ordentlich»

Kommt es zu weiteren Zusammenschlüssen? Vorläufig nicht. Die Margen sind immer noch ordentlich. Da braucht es eine generelle Verschlechterung des gesamten Marktumfelds. Erst dann werden weitere kleinere Institute gezwungen sein, sich zusammenzuschliessen oder aufzugeben.

Könnten nicht die Negativzinsen manche Banken in die Knie zwingen?

Sicherlich haben die Negativzinsen einen Einfluss. Aber offenbar halten sich immer noch viele Banken zurück, diese auf ihre Kunden abzuwälzen. Viele Häuser behaupten dies, tun es in der Praxis aber nicht, weil sie Angst haben, den Kunden zu verlieren. Und solange es die Konkurrenz nicht tut, sehen auch wir keinen Anlass, hier vorzupreschen.

Es haben doch bereits einige Banken Negativzinsen auf hohe Bargeldbestände eingeführt.

Darum haben wir allein in diesem Jahr Negativzinsen auf Euro- und Frankenbestände von insgesamt 35 Millionen Franken bezahlt. Viele Kunden halten an ihren Bargeld-Konti fest, weil sie keine sicheren Investitionsmöglichkeiten mehr sehen.

«Libra könnte durchaus erfolgreich werden»

Für festverzinsliche Anlagen erhält man kaum mehr etwas, Aktien sind sehr hoch bewertet, und das geopolitische Chaos in der Welt verunsichert. Immobilien sind noch eine Alternative

Wie steht es mit Hedgefonds oder Gold?

In unseren Portfolios haben wir den Anteil an Hedgefonds auf 7 Prozent erhöht, nachdem diese Anlageklasse in den vergangenen Jahren nicht besonders hoch in der Gunst der Anleger stand. Gold ist eine wiederkehrende Schlüsselkomponente in der Anlagestrategie. Das war schon in den 1970er-Jahren so und auch während der Finanzkrise von 2007/2008. Wir sind daran, unsere Allokation im Gold zu erhöhen, weil wir den Währungen immer weniger trauen.

Sind Kryptowährungen die Alternative der Zukunft?

Bei uns interessieren sich nur ganz wenige Kunden dafür. Im Gegensatz dazu denke ich, dass die Facebook-Kryptowährung Libra ein interessantes Projekt ist, das durchaus erfolgreich werden könnte. Libra wird im Vergleich zum Bitcoin stabiler sein, weil ein Aufsichtsgremium darüber wacht und die User von Facebook eine riesige potenzielle Klientel für diese virtuelle Währung darstellen.

«Wer hart arbeitet, kann immer noch anständig verdienen»

Als Kontrapunkt sehe ich in der nahen Zukunft einen E-Renminbi, den die Chinesen kontrollieren. Das könnte darauf hinauslaufen, dass über kurz oder lang der Dollar ersetzt wird – vielleicht in 20 Jahren. Wir haben intern im Compliance gezielt Know-how zum Krypto-Thema entwickelt. Produkte bieten wir hingegen nicht an.

Was motiviert Sie noch, in dieser Branche zu sein?

Seien wir ehrlich, Banking ist immer noch ein «good business». Wer hart arbeitet, kann immer noch anständig verdienen. Die Margen sind zwar enorm dünner geworden, aber sie sind im Vergleich zu anderen Branchen nach wie vor komfortabel, und die weltweit verfügbaren Vermögen wachsen ungebremst weiter.

Sie sind jetzt 59 Jahre alt. Haben Sie in der Bank Ihre Nachfolge bereits aufgegleist?

Noch nicht, aber die Einbindung der nächsten Generation hält mich auf Trab. Mein Neffe – der ältere Sohn meines Bruders – beschloss im Mai 2018, zur Bank zu kommen, nachdem er während sieben Jahren in der inneren Medizin und Onkologie tätig gewesen war. Jetzt beschäftigt er sich mit Private Equity und wird demnächst für ein oder zwei Jahre nach Hongkong gehen, um Erfahrungen zu sammeln.

«Mit 30, so hoffe ich, sollten sie zur UBP stossen»

Mein älterer Sohn, er ist jetzt 28, war bei einem grossen Beratungsunternehmen tätig und will nun ein Startup in Grossbritannien gründen, das die Möglichkeit bietet, mit kleinen Geldbeträgen zu investieren. Mein jüngerer Sohn, 26, hat soeben bei einem bekannten britischen Fintech gekündigt und fängt Anfang 2020 bei einer Private-Equity-Firma in Zug an. Mit 30, so hoffe ich, sollten sie zur UBP stossen.


Der 59-jährige Guy de Picciotto ist CEO der Union Bancaire Privée (UBP). Nach seinem Studium an der Webster University arbeitete er drei Jahre als Unternehmensberater danach absolvierte er von 1986 bis 1988 eine bankfachliche Ausbildung bei verschiedenen Instituten wie UBS, Morgan Stanley, Bear Stearns und Sanyo Securities. Im Jahr 1988 stiess er zur Compagnie de Banque et d’Investissements (CBI), die sein Vater Edgar de Picciotto 1969 gegründet hatte und später in Union Bancaire Privée umbenannt wurde.

Der 44-jährige Michael «Mike» Blake verantwortet seit bald vier Jahren das Asiengeschäft der UBP mit Domizil Singapur. Davor war der Brite während gut fünf Jahren für Coutts International tätig, zuerst als General Manager für die Region Asien in Hongkong, danach als CEO von Coutts International, bis das traditionsreiche Institut in die UBP integriert wurde. Gestartet hat Blake seine Karriere bei der Schweizer Grossbank UBS in Hongkong, als Leiter der Region Asien-Pazifik.

 

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