Ist Jane Fraser, die erste Frau als CEO einer Grossbank, auch ein Gewinn für Diversity? Eigentlich ist die Ernennung nur ein kleiner Schritt für die Wall Street, schreibt finews.ch-Redaktorin Katharina Bart.

«Herzlichen Glückwunsch an Jane Fraser, die nächste CEO der Citi und eine Pionierin, die als erste Frau eine grosse US-Bank leitet», schreibt David Solomon auf dem Karrierenetzwerk Linkedin. Fraser, die 53-jährige Schottin, die im Februar die Leitung der US-Grossbank Citi übernimmt, erwiderte das Kompliment auf eher diplomatische Weise. 

Dafür ist die Wall Street voll des Lobes ob der Ernennung Frasers.

Diversity? Schon, aber aus anderen Gründen

Doch ist diese nicht unbedingt der grosse Gewinn für die Diversity, wie dies Goldman-Sachs-CEO Solomon glauben machen will. Unternehmen, wie auch Schweizer und andere Banken, bemühen sich nicht um Diversity aus altruistischen Gründen. Sie tun es wegen des politischen Drucks, wegen ihrer Reputation und auch, um Compliance-Vorschriften einzuhalten.

Der Hauptgrund, warum sich Solomon so sehr über den Aufstieg Frasers in den Banken-Olymp freut, ist: Sie hat genau die Art von Chuzpe und Draufgängertum, welche die Wall Street so sehr liebt.

Aus dem Holz geschnitzt, das die Wall Street liebt

Nicht zu sprechen von ihrer Karriere: Diese startete sie im Alter von 26 Jahren beim Beratungsunternehmen McKinsey, wo sie laut «Financial Times» darauf bestand, direkt an den Leiter der Bankenberatung zu rapportieren.

Ihre Ausbildung und Laufbahn sind mustergültig. Sie studierte an den «richtigen» Universitäten (Cambridge Economics, Harvard Business School) und machte ihre Finanzkarriere bei den Unternehmen (McKinsey, Goldman Sachs), die an der Wall Street so sehr verehrt werden.

Mutig sei sie und demonstrativ ehrgeizig, schreibt die «Financial Times». Und sie sei besonders gut darin, flexibel zu handeln und zu denken – also genau darin, was McKinsey brauchte, um Geld zu verdienen.

Sie alle haben die «Wall Street Credibility»

Die Wall Street liebt die Frauen tatsächlich. Fraser ist vielleicht die erste an der Spitze, aber die nächsten Aufsteigerinnen sind in den Startlöchern, wie Marianne Lake und Jennifer Piepszak von J.P. Morgan oder die frühere Morgan-Stanley-Topmanagerin Ruth Porat (sie wechselte 2015 zu Google), Dina Powell bei Goldman Sachs oder Dawn Fitzpatrick, die das Familiy Office von George Soros leitet.

Sie alle haben die «Wall Street Credibility», sprich, sie haben die Karriere-Ochsentour im Banking vollzogen: Fraser leitete erst das Private Banking der Citi von London aus. Dann zog CEO Michael Corbat sie nach St. Louis ab, um ihr die Leitung des Hypothekengeschäfts zu übergeben.

Fraser ist lange genug bei der Citi, um solche «Marschbefehle» verinnerlicht und ein Netzwerk aufgebaut zu haben, das ihr den CEO-Job ermöglicht hat.

Die nächste Welle wird anders

Die Ironie ist: Wall Street hat das einfachste Argument für Diversity und Vielfalt – nämlich, dass sie die Performance steigert – eher langsam übernommen. Erst die nächste Welle der Inklusion wird sich darauf konzentrieren, Kultur und traditionelle Denkweisen der Wall Street aufzubrechen.

Die Grundkonzepte von Diversity und Inclusion werden erst dann übernommen werden. Denn diese bedeuten nicht, Frauen in einen Top-Job einer Bank zu befördern. Sie bedeuten, dass Menschen mit unterschiedlichem ethnischem und sozialen Hintergrund sowie verschiedenen Ausbildungswegen integriert werden. Tech-Unternehmen haben dies schneller begriffen und einen viel grösseren Talent-Pool geschaffen, während die Banken Mühe bekunden, für diese Talente attraktive Arbeitgeber zu sein.

Die sicherste Wette

Citi stellt mit Fraser ein Energiebündel an die Spitze und ist die sicherste Wette eingegangen, welche die Grossbank im Moment abschliessen kann. Doch eine Diversity-Kultur in einer Organisation wie Citi zu etablieren, geht nicht von heute auf morgen und ist nicht mit einer Frau an der Spitze getan – die ersten Entscheidungen und Ernennungen von Fraser dürfen darum mit Spannung erwartet werden.

Das Karriereportal Linkedin veröffentlichte 2018 eine Studie mit dem schönen, aber kaum übersetzbaren Satz: «Diversity is being invited to the party, inclusion is being asked to dance, and belonging is dancing like no one’s watching.» Will sagen: Erst ein Zugehörigkeitsgefühl verleiht Angestellten die psychologische Sicherheit, bei der Arbeit ihr bestes Selbst zu sein.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.56%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.91%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.97%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.03%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.54%
pixel