Skandinavische Geldhäuser gelten als Avantgarde der Digitalisierung. Jetzt hat die Bank mit den meisten Filialen in Schweden einen folgenschweren Entscheid gefällt – der auch in der Schweiz Beachtung finden sollte.

Bei der schwedischen Handelsbanken gilt seit Jahrzehnten das «Kirchturm-Prinzip» – ein Filialleiter sollte vom örtlichen Kirchturm aus alle seine Kunden sehen können. Traditionell stellt das Institut die Nähe zur Kundschaft über alles: Das Geldhaus ist dezentral organisiert und lässt den Standorten viel Freiraum. Die Handelsbanken, das sind ihre Filialen.

Demnächst werden auf schwedischen Kirchtürmen aber deutlich weniger Handelsbanker anzutreffen sein. Das Institut, das im skandinavischen Land viel mehr Standorte unterhält als Rivalen wie Nordea oder SEB und dieses Netz bisher eisern verteidigt hat, schwenkt um. Und wie: 180 der 380 Filialen in Schweden sollen aufgegeben werden. 1'000 Stellen drohen wegzufallen. Gleichzeitig will das Institut 1 Milliarde Schwedische Kronen (rund 100 Millionen Franken) in die Digitalisierung investieren.

Erinnerungen an die Credit Suisse

Die einschneidende Massnahme erinnert an ähnliche Vorgänge in der Schweiz. Hier kündigte die Grossbank Credit Suisse (CS) vergangenen August an, jede vierte Filiale im Land zu schliessen. Bestehende Standorte sollen teils mit Untermietern geteilt werden. Gleichzeitig lancierte die Schweizer Nummer die Banking-App CSX. Abbau beim Filialnetz, Ausbau bei den Fintech-Angeboten: jener Strategie haben sich auch diverse andere Schweizer Bankhäuser verschrieben.

Kein hiesiges Institut geht dabei jedoch so radikal zu Werke wie die Schweden. Dies umso mehr, als die Handelsbanken gerade wegen der dezentralen Struktur bei den Investoren hoch beliebt ist. In den letzten 40 Jahren hat sich die Aktie über Markt entwickelt; mittlerweile handelt das Papier zum Zehnfachen des 2022 erwarteten Gewinns, wie die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) vorrechnete. Dies, während die Titel der Schweizer Grossbanken UBS und CS deutlich unter Buchwert notieren.

Ertragseinbussen inkauf genommen

Anleger zahlen die Prämie für die Handelsbanken-Aktie präzis aus dem Grund, dass Filialleiter des schwedischen Instituts am besten wissen, wem sie Kredit geben. Eine Abkehr von dieser Strategie birgt also nicht zuletzt erhebliche Kursrisiken. Bankchefin Carina Akerstrom nimmt dies in kauf, mitsamt einem auf umgerechnet 100 Millionen Franken berechneten Ertragsschwund sowie einer Rückstellung von 150 Millionen Franken im vierten Quartal. Zu gross ist die Furcht nun auch bei der als stockkonservativ geltenden Handelsbanken, von der Digitalisierung abgehängt zu werden.

In Skandinavien ist diese als Trend noch viel stärker spürbar als in der Schweiz. Die finnisch-schwedische Konkurrentin Nordea kündigte letzten Frühling an, an Schaltern kein Bargeld mehr auszuhändigen. Das Leben gerade in Schweden funktioniert weitgehend bargeldlos, was sich auf die Kundenfrequenz an der Standorten auswirkt. Fintech ist dort nicht das Versprechen einer neuen Art Banking, sondern fest im Alltag verankert.

Trotzdem hat sich Handelsbanken gegen den Trend gesperrt und das Filialnetz nicht angetastet. Bis jetzt. Das ist ein Signal, dass in ganz Europa gehört werden wird.

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