Joanne Hannaford ist als IT-Chefin die erste Top-Managerin der Credit Suisse seit langem, die in in einem geordneten Verfahren zu ihrem Job gekommen ist. Andere stehen bei Präsident Antonio Horta-Osorio unter Beobachtung.

Es ist eine strategische Nomination: Joanne Hannaford soll als neue IT-Chefin und COO den digitalen Wandel die Credit Suisse (CS) vorantreiben. Die langjährige Goldman-Sachs-Partnerin und Technologie-Managerin bei der US-Grossbank gilt dafür als Idealbesetzung, wie sich António Horta-Osório vernehmen liess.

Mit der Rekrutierung Hannafords hatte der CS-Verwaltungsratspräsident wenig zu tun. Sie war schon lange vor dessen Antritt vor zwei Monaten aufgegleist worden, mit dem Ziel, die Themen wie Digitalisierung und Technologie-Entwicklung, die in der Finanzindustrie von höchster Relevanz sind und weiterhin sein werden, innerhalb der CS auf Geschäftsleitungsstufe zu heben.

Dringlichkeit konstrastiert den grosszügigen Zeitplan

Immerhin konnte Horta-Osório mit Hannaford eine erste Marke für die zukünftige Entwicklung und den angestrebten Wandel der CS setzen. Dass er diesen herbeiführen wird, machte der CS-Präsident vergangene Woche in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» (Artikel bezahlpflichtig) deutlich. Risikomanagement und Kultur der CS stünden dabei im Vordergund.

Die Dringlichkeit des Vorhabens nach den Milliarden-Skandalen Greensill und Archegos kontrastiert dabei mit dem Zeitplan des 57-jährigen Portugiesen. Er will sich mit der Ausarbeitung einer neuen Strategie bis Ende Jahr Zeit lassen. Damit lässt der CS-Präsident die über 47'000 verunsicherten Mitarbeitenden im Dunkeln über ihre nähere Zukunft – wie auch das Top-Management.

Mit wem will er den Wandel angehen?

Klar wurde in dem Interview aber auch: Nicht nur das «wie» ist für den früheren CEO der britischen Lloyds-Bank wichtig, auch das «mit wem». Erfolg stelle sich längerfristig ein, wenn «die richtigen Personen am richtigen Ort sind und als Team agieren», sagte Horta-Osório.

Im Kontext mit Hannafords Nomination erhält diese Aussage eine neue Qualität. Die derzeitigen Mitglieder im CS-Top-Management stehen bei dem neuen Präsidenten unter genauer Beobachtung.

CS-Geschäftsleitung: Ein Kommen und Gehen

Horta-Osório ist nicht entgangen, dass in der CS-Geschäftsleitung in den letzten zwei Jahren ein Kommen und Gehen war. Sprich: Sechs Mitglieder des zwölfköpfigen Gremiums, unter ihnen auch CEO Thomas Gottstein, sind aufgrund von plötzlichen Entwicklungen zu ihren Jobs gekommen.

Wealth-Management-Chef Philipp Wehle übernahm im Juli 2019 den Posten von Iqbal Khan nach dessen abruptem Abgang zur UBS. Gottstein folgte im Februar 2020 auf Tidjane Thiam, der nach «Spygate»-Affäre untragbar geworden war. André Helfenstein rückte darauf zum Schweiz-Chef auf. Ulrich Körner kam im April als CEO für das in höchste Not geratene Asset Management.

Ergebnis vermeidbarer Umstände

Joachim «Joe» Oechslin musste interimistisch für Risikochefin Lara Warner einspringen, die über die Greensill- und Archegos-Fälle gestolpert war. Und Christian Meissner war kaum sechs Monate für die CS tätig gewesen, als er zum Chef der Investmentbank aufrückte, weil Brian Chin für den Milliardenverlust mit Archegos mitverantwortlich war und gehen musste.

Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass dieser Zusammenstellung des CS-Managements eine gewisse Zufälligkeit anhaftet, zumindest aber eine Konsequenz von Umständen und Ereignissen ist, welche eine Bank mit dem Anspruch einer CS besser vermieden hätte.

Lieber Wandel als Verkauf

Horta-Osório hat in seinen zwei Monaten als Präsident und mit seinen bislang sehr vorsichtigen Äusserungen zur Lösung der CS-Krise den überlegten Eindruck eines erfahrenen Banken-Managers hinterlassen, der den Dingen auf den Grund gehen will, bevor er Entscheidungen trifft. Seine Historie bei Lloyds, die britische Bank steckte zum Zeitpunkt seines Antritts als CEO im Überlebenskampf, zeigt zudem, dass er den internen Wandel der Option von Teilverkäufen und kompletter Umstrukturierung vorzieht.

Eines hat 57-jährige Portugiese während seiner bisherigen Amtszeit bei der CS bereits realisiert: Mit der zweitgrössten Bank der Schweiz geht es seit Jahren nicht vorwärts. Auf der Suche nach den Gründen dafür wird Horta-Osorio auch das Management durchleuchten, Verantwortlichkeiten feststellen – und seine Schlüsse ziehen.

 

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.08%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.74%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.51%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.45%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.22%
pixel