Andrea Orcel sieht die italienische Grossbank Unicredit mit Kapital gut ausgestattet. So gut, dass der Ex-UBS-Manager einen grossen Batzen davon an die Aktionäre ausschütten will. Doch die Bankaufseher bei der EZB in Frankfurt sehen das anders.

Die Pläne der italienischen Unicredit, bis 2024 rund 16 Milliarden Euro an die Aktionäre auszuschütten, stossen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) auf Kritik. Auch, dass die Bank immernoch ein Geschäft in Russland betreibt, sorgt für bei den europäischen Bankenaufsehern schlechte Stimmung.

Die Reibereien zwischen der EZB und dem italienischen Geldhaus hätten bereits mit der Amtsübernahme von Andrea Orcel als CEO im Jahr 2021 begonnen, schreibt die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) unter Berufung auf Kreise. Der frühere Chef der UBS-Investmentbank hatte bei Unicredit eine aggressive Strategie zur Neuausrichtung der Bank und zur Auszahlung von mehr Geld an die Aktionäre umgesetzt.

Unbeugsamer Charakter

Die beiden Seiten hätten ihre gegensätzlichen Ansichten in einer Reihe von Briefen zum Ausdruck gebracht, sagten die Quellen. Die Beziehung sei «mehr als nur ein bisschen angespannt». Orcel, ein Investmentbanker durch und durch, ist für seinen unnachgiebigen Charakter bekannt. So lieferte er sich eine jahrelange Rechtsschlacht mit der spanischen Bank Santander, weil er dort den versprochenen Posten als CEO nicht antreten durfte.

Laut Unicredit habe die EZB die Bank während der strategischen Neuausrichtung «kontinuierlich herausgefordert und angeleitet». Die «öffentliche Unterstützung» der Regulierungsbehörden sei «ein Zeichen für das Vertrauen, das sie uns entgegengebracht haben», hiess es weiter.

Härterer EZB-Kurs

Die EZB schaut derzeit genau hin, wenn es um die Kapitalbasis der Banken in Europa geht. Unicredit ist insbesondere in Italien und Deutschland stark engagiert. Für beide Länder werden derzeit angesichts der Energiekrise konjunkturelle Gefahren gesehen, mit entsprechend steigenden Ausfallrisiken für die Banken.

Laut mehreren mit den Gesprächen vertraute Personen habe die EZB habe Einwände gegen die Ausschüttungs-Zusage von Unicredit erhoben. Diese stehe im Widerspruch zu den offiziellen Leitlinien, wonach Banken ihre Dividendenpolitik nicht in absoluten Beträgen festlegen sollten. «Wenn die Aufsichtsbehörden ihnen eine Liste von Fragen schicken, können sie einen gegenseitigen Kompromiss bei den Antworten finden – aber Orcel findet, ich habe Recht, weil wir so viel Kapital haben», wird eine der Quellen zitiert.

Unicredit hat gegenüber der EZB erklärt, dass die Bank über den nötigen Spielraum verfüge, um mehr Geld an die Aktionäre auszuschütten, ohne die Bilanz wesentlich zu schwächen, da es über ein relativ hohes Eigenkapital von 15,4 Prozent der risikogewichteten Aktiva verfügt.

Heisse Russland-Connection

Spannungen gibt es auch wegen des Versäumnisses von Unicredit, die Beziehungen zu Russland zu kappen. Die UniCredit ist neben der österreichischen Raiffeisen eine von zwei europäischen Banken, die in dem Land weiterhin in grossem Umfang tätig sind. Die EZB betrachtet die russische Präsenz der Bank als unerwünschte Risikoquelle und drängt die Bank, sich aus dem Land zurückzuziehen, in dem sie Kapital im Volumen von 2,4 Milliarden Euro gebunden hat.

Einen Notverkauf an einen lokalen Oligarchen, wie ihn die französische Konkurrentin Société Générale in diesem Jahr vollzog und der zu einer Belastung von 3,1 Milliarden Euro führte, hat Orcel allerdings ausgeschlossen. Stattdessen hat Unicredit Gespräche mit potenziellen Käufern in China, Indien und der Türkei geführt. Die EZB hat regelmässige Fortschrittsberichte angefordert.

Enttäuscht wegen Monte dei Paschi

Eine Person, die kürzlich mit Orcel über das Thema sprach, sagte, dass der Unicredit-Chef in Bezug auf Russland von der EZB stark unter Druck gesetzt worden sei. Unicredit erklärte gegenüber der «Financial Times», man sei «willens, sich in geordneter und entschlossener Weise aus Russland zurückzuziehen».

Die EZB-Beamten seien auch über den Mangel an Informationen enttäuscht gewesen, die sie von Orcel während seiner ersten Gespräche mit der italienischen Regierung im vergangenen Jahr über eine mögliche Übernahme des lokalen Rivalen Banca Monte dei Paschi di Siena erhalten hatten. Unicredit hatte sich schliesslich von dem Deal zurückgezogen.

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