Trotz den in vielen Ländern historisch tiefen Zinsen gibt es bei den Festverzinslichen eine variantenreiche Auswahl, sagt Michael Odermatt von HelvInvest.

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Michael Odermatt ist CEO von HelvInvest, Zürich

Herr Odermatt, die Weltwirtschaft entwickelt sich nach wie vor schleppend. Das Fed hat deshalb eine dritte Runde der quantitativen Lockerung in der Geldmengenpolitik beschlossen, das so genannte QE3. Heisst das, dass die Angst vor steigenden Zinsen bis auf weiteres unbegründet ist?

Lassen Sie uns das Programm QE «Infinity» nennen. Die US-Notenbank hat erkannt, dass ein zeitlich und mengenmässig beschränktes Eingreifen aufgrund des abnehmenden Grenznutzens scheitern würde. Das neue Lockerungsprogramm soll demzufolge unlimitiert fortgeführt werden, bis die US-Wirtschaft wieder Fuss fasst. Sobald Anzeichen dafür vorhanden sind, wird kein weiteres, wenn Sie wollen QE4, Programm mehr anstehen.

Mit der letzten Zinssitzung hat die US-Notenbank nicht nur das neue Lockerungsprogramm angekündigt, sondern auch, dass der Leitzins bis mindestens 2015 auf dem heutigen Niveau gehalten wird. Zusätzlich soll die «Operation Twist» bis Ende Jahr weitergeführt und somit US-Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit in lange Papiere getauscht werden.

«Angst vor einem Zinsanstieg ist nicht angebracht»

Die Erwartungshypothese in der Zinsstruktur spricht dafür, dass nicht nur die kurzen Zinsen tief bleiben, sondern auch diejenigen am langen Ende. Angst vor einem Zinsanstieg ist also nicht angebracht. Langfristig ist ein Anstieg unvermeidbar, dieser wird uns aber erst in ein paar Jahren beschäftigen.

Ist selbst ein leichter Anstieg der Zinsen somit auszuschliessen?

Nein. Die zusätzliche Liquidität sorgt für leicht erhöhte Inflationserwartungen, was sich wiederum in leicht höheren Zinsen spiegeln dürfte. Ebenfalls dürfte das positivere Risikosentiment der Anleger dazu führen, dass sich die Zinsen nicht nur bei US-Staatsanleihen sondern auch bei Bundesanleihen und Eidgenossen leicht erhöhen werden.


«Vorsicht vor Anlagen in Anleihen von über zehn Jahren»


Wir reden hier aber von einem Potenzial von maximal einem Prozentpunkt. Die Zinskurve dürfte leicht steiler werden. Wir wären deshalb vorsichtig, Anlagen in Anleihen von über zehn Jahren Laufzeit zu tätigen. Papiere mit Laufzeit bis zehn Jahre werden allerdings aufgrund der oben dargelegten technischen Eingriffe gut gestützt bleiben.

Was bedeutet QE3 auf der Bondseite?

Seit Ausbruch der Finanzkrise hat die Fed einen Bestand von rund einer Billion US-Dollar an MBS-Papieren aufgebaut. Zusammen mit den wiederanzulegenden Erträge und Kapitalrückzahlungen aus diesem Portfolio kauft nun die Notenbank monatlich ein Volumen von durchschnittlich etwa 65 Milliarden Dollar, was etwas mehr als 50 Prozent des laufenden Angebots entspricht.

Nach dem Aufkauf von US-Staatsanleihen werden Investoren aus Renditegründen nun faktisch auch aus dem MBS-Markt gedrückt und für Engagements in Kreditpapiere motiviert. Die Kurssteigerungen bei Spread-Papieren der letzten Monate dürften demzufolge auch in mittelbarer Zukunft zu beobachten sein.

Und was, wenn die Zinsen in einzelnen Ländern dann doch plötzlich steigen?

Wir sehen nicht nur in den USA den Hang zu monetärer Lockerungspolitik. Auch die Zentralbanken von Ländern wie Japan und dem Vereinigten Königreich sind seit mehreren Jahren aktiv und investieren grosse Summen in Anleihen des eigenen Staates. Im Falle von Japan hält die BoJ ein Volumen von bereits 18 Prozent des BIP, bei UK sind dies sogar um die 30 Prozent. Wir sehen deshalb kaum Spielraum für höhere Zinsen bei Staaten mit individueller Währungspolitik.

Gerade aufgrund fehlender autonomer Geldpolitik bekunden Euro-Mitgliedstaaten Probleme. Hier ist das Risiko steigender Zinsen gegeben, insbesondere für Länder wie Spanien und Italien. Mario Draghi, EZB-Vorsitzender, hat jedoch mit dem Outright Monetary Transactions-Programm sein Versprechen, mit allen Mitteln ein Auseinanderbrechen der Eurozone zu verhindern, untermauert. Das Risiko steigender Zinsen ist auch hier überschaubar.


«Die Erträge in als sicher gehandelten Papieren werden mager ausfallen»


Sollten die Zinsen eines einzelnen Staates entgegen den Erwartungen deutlich steigen, würden die Zinsen bereits gesuchter Staatsanleihen wie die der USA, Deutschlands oder der Schweiz zusätzlich gedrückt werden.

Von einem generellen Zinsanstieg muss also auf absehbare Zeit nicht ausgegangen werden. Der Investor muss sich aber damit abfinden, dass die Erträge in als sicher gehandelten Papieren in den kommenden Jahren mager ausfallen werden.

Wer in Bonds investieren will und mit Renditen von unter 2 Prozent nicht zufrieden ist, muss zwangsläufig höhere Risiken eingehen. Zurzeit sind die Anleger jedoch ausgesprochen risikoavers und halten sich gegenüber allem, was nach Risiko riecht, zurück. Ist neben dem Aktiengeschäft auch das Bondgeschäft «tot»?

Für risikoaverse Investoren ist es in der Tat schwierig, Geld zu verdienen. Gerade weil die US-Notenbank den Anlegern faktisch aus US-Staatsanleihen und den MBS zwingt, wird das Interesse noch stärker in Richtung Kreditmärkte tendieren. Dieses ist doch eines der wenigen Segmente, wo noch Renditen —notabene bei meist gesunden Schuldnern mit positivem Cashflow - zu erwirtschaften sind.

Für risikobewusste Anleger ist also ausserhalb der bekannten Gefilde  — ein Loslassen vom Home Bias Ansatz setzen wir voraus — eine variantenreiche Auswahl an Zinspapieren unterschiedlicher Marktzyklen vorhanden.


«Nachfrage nach Hochzinsanleihen ist ungebrochen gross»


Die Renditen in Unternehmensanleihen mit Anlagequalität sind aufgrund der hohen Nachfrage in den letzten Monaten ebenfalls unter Druck gekommen. Vermehrt versuchen sich die Anleger in Hochzinsanleihen, so genannten High Yield Bonds. Baut sich hier die nächste Blase auf?

Die Nachfrage nach High Yield Bonds ist in der Tat ungebrochen gross, vor allem aus dem Retail-Segment beobachten wir eine verstärkte Nachfrage. Woche für Woche positive Mittelzuflüsse in High Yield Bond Fonds resultieren mittlerweile in Neumittel von 25 Milliarden Dollar seit Jahresbeginn.

Viele Investoren können die Risiken in diesem Markt nicht richtig beurteilen, das ist gefährlich. Die Schuldner haben sich in den letzten Jahren jedoch sehr gesund finanziert und weisen heute einen wesentlich tieferen Verschuldungsgrad aus als noch während der Finanzkrise. Das Management solcher Schuldner strebt noch heute eine weitere Gesundung der Bilanzen an, was dem Bondholder zu Gute kommt.


 «Der Heimmarkt wird hierzulande übergewichtet»


Bewegen wir uns auf einen Bubble zu?

Von einem Bubble würde ich nicht sprechen. Allerdings erscheinen uns die Renditen doch langsam etwas überteuert, die Spreads bieten nur noch wenig Potenzial für weitere Einengung, für die latenten Ausfall- und Liquiditätsrisiken werden wir kaum mehr adäquat entschädigt.

Bei Renditeaufschlägen von ungefähr 520 Basispunkten belaufen sich die eingepreisten Konkursraten auf nur noch leicht über 2 Prozent, sofern wir von einer 1 Prozent-Liquiditätsprämie und dem üblichen 3 Prozent Excess-Spread ausgehen. Die technischen Faktoren sprechen aber dafür, dass der Bullenmarkt in naher Zukunft noch etwas weiterdauern dürfte.

Das Problem der tiefen Bondzinsen stellt sich explizit für Pensionskassen, die historisch einen hohen Anteil Obligationen in ihren Portefeuilles halten. Angesichts des tiefen Zinsniveaus ergibt sich für die PKs die Crux, dass sie die von ihnen verlangte Mindestverzinsung nicht erreichen. Was sollen sie tun?

Wir beobachten hierzulande einen zu starken Home Bias, also eine Übergewichtung im Heimmarkt, vor allem im Vergleich zum angelsächsischen Raum. Hiesige Pensionskassen haben oft sehr starre Stiftungsreglemente und legen den Fokus zu stark auf zweifelhafte Kreditratings. Auch hören wir oft, dass Anträge für neue Zinsmärkte gestellt werden, die Stiftungsräte aber aufgrund mangelnder Erfahrung in nicht klassischen Märkten zu wenig Mut beweisen.


«Eine Reduktion von Staatsanleihen wäre empfehlenswert»


Was die Zinssituation betrifft, halten wir es noch nicht für sinnvoll, dass sich eine Pensionskasse von langlaufenden Anleihen verabschiedet, zumal die Verpflichtungen dieser Kassen eher langfristig ausgerichtet sind. Allerdings wäre eine Reduktion von Staatsanleihen und entsprechende Gewinnmitnahme empfehlenswert.

Es sind drei Risikokategorien, die im Bondbereich zu beachten und berücksichtigen sind: Das Kreditrisiko, das Zinsrisiko und das Liquiditätsrisiko. Wie sind diese drei Risikokategorien zu bewerten und wie lassen sie sich am besten managen?

Über das Zinsrisiko haben wir ausführlich gesprochen. Fakt ist, die Zinsrisiken sind aufgrund der genannten Gründe überschaubar. Fakt ist aber auch, dass für nicht ganz unbegründete Sorgen kaum eine Risikoprämie vorhanden ist.

Die Entschädigung fürs Kreditrisiko stufen wir aufgrund der guten Fundamentaldaten – sowohl die der Unternehmungen als auch das noch immer vorhandene Wachstum der Weltwirtschaft – als fair ein.


«Sorgen bereitet uns die Liquidität — hier verstecken sich die grössten Risiken»


Sorgen bereitet uns die Liquidität, hier verstecken sich die grössten Risiken. Kurzfristig werden diese aufgrund der quantitativen Lockerungsprogramme kein Thema sein. Mittel- bis langfristig stehen Anleihen vor einer grossen Herausforderung. Finanzhäuser haben in vergangenen Jahren einen regen Sekundärmarkt sichergestellt, in dem sie auch mal Anleihen auf die eigenen Bücher genommen haben. Basel III schränkt die Risikofähigkeit dieser Häuser drastisch ein.

Mit welchen Folgen?

Das Resultat ist, dass die grössten ihre Bestände an Unternehmensanleihen von 220 Milliarden Dollar im Jahre 2007 auf heute nur noch 40 Milliarden Dollar abgebaut haben. Sobald die rege Nachfrage nach Hochzinsanleihen abnimmt — wer steht dann als Abnehmer bereit? Plötzlich bleibt ein Anleger auf Papieren sitzen.

Zeiten erhöhter Liquiditätsprobleme folgen dann oft auch Kreditrisiken, da sich das Fenster für Refinanzierungen schlagartig schliesst. Der Investor sitzt auf illiquiden Papieren und läuft das Risiko, eine Anleihe einer ursprünglich als gesund erachteten Gesellschaft nicht zurückbezahlt zu bekommen.

Und welche Lehren hat der Anleger für sein Portefeuille somit zu ziehen?

Es ist deshalb wichtig, dass das Zusammenspiel dieser drei Risikofaktoren im Portfolio stimmt, und dass die Renditeaufschläge für die eingegangenen Risiken laufend geprüft werden. Zudem sollte dem grössten Risikofaktor – und das ist aus heutiger Sicht die Liquidität – Rechnung getragen werden.


 «Buy and hold ist vorbei»


Die Anlagestrategie für ein Anleihenportfolio muss die nötige Flexiblität sicherstellen. Buy and Hold ist vorbei, der Anteil der Risikofaktoren muss aktiv budgetiert und regelmässig neu beurteilt werden.

Sollten die Zinsen früher als erwartet steigen, sind Besitzer von Bonds, also vorab Pensionskassen, mit fallenden Obligationenkursen konfrontiert. Wie lässt sich ein solches Risiko minimieren resp. am besten managen?

Wie dargestellt, der Mix der drei Risikofaktoren muss stimmen. Wenn die Zinsen steigen, dann liegt dies oft an einer verbesserten Wirtschaftslage. Diese wiederum erhöht die Stabilität der Umsätze von Unternehmen und verbessert somit die Kreditfähigkeit. Die Folge dessen ist ein Rückgang von Kreditaufschlägen und oft von Liquiditätsprämien. Der Investor erhält somit einen Schutz durch Beimischung von Kredit- und Liquiditätsrisiko.


«Wir raten davon ab, Kreditrisiken per se zinsgesichert zu halten»


Sollte die gewünschte Gewichtung des Zinsrisikos auch nach Beimischung von Kreditrisiken noch immer zu gross sein, können diese durch Absicherungsinstrumente aktiv gesteuert werden. Wir setzen hierbei Future-Kontrakte ein. Das Liquiditätsmanagement ist dann aber von noch höherer Bedeutung. Zudem gilt es zu beachten, dass das Absichern von Zinsrisiken auch bedeutet, dass man auf den Schutz gegen steigende Kreditrisiken bei allfälliger Rezession verliert. Wir raten deshalb davon ab, Kreditrisiken per se zinsgesichert zu halten.

Grundsätzlich: Wieso sollen Anleger, professionelle wie private, überhaupt noch Obligationen kaufen?

Generell bietet der Zinsmarkt für beinahe alle Risikoneigungen variantenreiche und interessante Chancen. Wir denken, dass ein Anleger aus drei Gründen weiterhin Obligationen halten kann. Erstens gibt es Investoren, welche auf stabile Erträge angewiesen sind. Hierbei bieten sich nur Obligationen und Immobilien an. Immobilien jedoch sind äusserst illiquide, weshalb sich Anleihen empfehlen.


 «In einer Deflation wären die Zinsen real positiv, trotz tiefer Nominalzinsen»


Zweitens wird ein gemischtes Portfolio durch die Beimischung von Obligationen besser diversifiziert. Ob die von den Notenbanken gewählten Programme wirklich die Wirtschaftsdynamik fördern, werden wir erst in einigen Quartalen sehen. Wir denken also, dass es je nach Risikoneigung des Kunden unabdingbar ist, Obligationen zu halten.

Und drittens sehen wir nach wie vor Risiken einer Deflation, wie Japan sie erlebt. Wir bei HelvInvest gewichten dieses Szenario zu einem Drittel. Trotz tiefer Nominalzinsen wären dann die Zinsen real positiv.

Welche Kriterien hat ein Investor zu beachten, wenn er ein Investment in Obligationen in Betracht zieht?

Neben vielen anderen Kriterien stehen vor allem die folgenden zwei Kriterien im Vordergrund: Zum einen die gesunde Mischung der drei diskutierten Risikofaktoren und die Sicherstellung der nötigen Flexibilität und Liquidität im Portfolio.


«Globalen Ansatz verfolgen, weg vom Home Bias Gedanken»


Zum anderen ist es wichtig, dass ein globaler Ansatz verfolgt wird, weg vom Home Bias Gedanken. Der Investor ist so jedoch gezwungen, Fremdwährungsrisiken einzugehen. Diese können abgesichert werden, die Kosten hierfür sollten aber geprüft werden.

Ihr Unternehmen ist spezialisiert auf das Fixed Income-Geschäft. Wie kann sich eine Boutique wie HelvInvest im grossen Haifischteich behaupten, das in einem anspruchsvollen Geschäft und in einer schwierigen Zeit?

Noch immer werden die meisten Bond-Portfolios benchmark-nah verwaltet. Diese Benchmarks repräsentieren typischerweise höherverschuldete Emittenten. Wir verfolgen einen unabhängigen und flexiblen Ansatz, der auf einer spezifischen Philosophie basiert. Den Anlagestil Value-Momentum, den die Anleger bislang nur aus dem Aktienmarkt kennen, verbinden wir mit der Strategie «Risikogewichtet investieren». Dies führt zu einer bewussteren Verteilung der Risikofaktoren in werthaltigere Zinsmärkte. Wir sind überzeugt, dass wir hier für Schweizer Kunden Pionierarbeit leisten.


Michael Odermatt ist Vorsitzender der Geschäftsleitung und leitender Portfoliomanager der HelvInvest. Er hat an der Fachhochschule Zürich Betriebsökonomie studiert und 2003 als Betriebsökonom FH abgeschlossen. Bis 2004 arbeitete er als Portfoliomanager bei UBS im Team Special Clients. Er wechselte danach zu Maerki Baumann, wo er als Senior Portfoliomanager in der Verantwortung Fixed Income & Fund Research Mandate für institutionelle Kunden verwaltete.

 

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