Die Nationalbank tastet den Leitzins nicht an
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält am eingeschlagenen Kurs fest und verzichtet auf einen Zinsschritt. Der Inflationsdruck sei gegenüber Juni praktisch unverändert, teilte sie im Communiqué zu ihrer vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung am Donnerstag mit. Entsprechend fällt die Inflationsprognose bis 2027 praktisch gleich aus wie im Vorquartal. Das Bruttoinlandprodukt soll im laufenden Jahr weiterhin 1 bis 1,5 Prozent zulegen, für 2026 rechnet die SNB mit einem bescheidenem Wachstum von knapp 1. Prozent.
Selten hielt sich in den letzten Jahren die Spannung vor einer Lagebeurteilung der SNB in so engen Grenzen wie diesmal.
Klare Erwartungen im Vorfeld
Erstens hatte das Direktorium unter Präsident Martin Schlegel zwar den Leitzins im Juni auf 0 Prozent gesenkt, zugleich aber festgehalten, dass die Hürde für eine Rückkehr zu einem Leitzins im negativen Bereich hoch liegt. Und in den letzten Monaten hatte die SNB nichts unternommen, um dieses Votum zu relativieren, sondern es im Gegenteil bei Gelegenheit noch bekräftigt.
Zweitens sprachen auch die wichtigsten Indikatoren eher für einen unveränderten Kurs. Die Inflation ist zwar tief, aber noch nicht negativ, und liegt damit in dem Bereich, den die SNB mit Preisstabilität gleichsetzt. Die Wirtschafts- und die Beschäftigungslage ist insgesamt recht stabil, obschon etliche exportorientierte Unternehmen unter der Last der hohen US-Zölle stöhnen (woran allerdings auch Negativzinsen herzlich wenig ändern würden).
Wechselkurs kein Störfaktor
Und auch wechselkursseitig hielt sich der Druck in Grenzen. Real betrachtet wertete sich der Franken in den vergangenen Monaten nicht auf, die SNB griff offenbar auch nicht im grösseren Stil am Devisenmarkt ein (die entsprechenden Daten werden erst mit Verzögerung bekanntgegeben).
Entsprechend rechnete der Markt (dessen Erwartungen sich an den Terminmärkten ablesen lassen) nicht mit einer weiteren Zinssenkung der SNB. Die Bankökonomen und Finanzanalysten waren sich ebenfalls recht einig.
Unkonventionellen Massnahmen wenig zugeneigt?
Geoff Yu, Senior EMEA Market Strategist beim Vermögensverwalter BNY, wies zwar darauf hin, dass der wirtschaftliche Gegenwind seit Juni klar stärker geworden. Aber die Fundamentaldaten seien derzeit noch handhabbar, und die aktuelle SNB-Führung sei unkonventionellen Massnahmen (wie einem Negativzins) wenig zugeneigt.
Zu einem ähnlichen Schluss war Martina Honegger-Romahn gekommen, Lead Portfolio Manager Fixed Income Schweiz bei Allianz GI. Die Konjunkturindikatoren deuteten auf eine stabile Wirtschaft hin, die SNB habe keinen Anlass zu einem Kurswechsel. Ausserdem seien die Auswirkungen der Zölle in der Praxis begrenzt, da Pharmazeutika, Gold und Dienstleistungen davon nicht erfasst werden.
Der Zürcher Finanzdienstleister SMZH war sich seiner Sache sogar so sicher, dass er am Vortag einen Kommentar zum antizipierten gefällten Zinsentscheid versandte, selbstverständlich mit Embargo.
Wie verlief die Diskussion im Direktorium?
Mit mehr Spannung als dem Zinsentscheid dürften Ökonomen und Analysten der Publikation der Zusammenfassung der geldpolitischen Diskussion entgegenfiebern. Erstmals überhaupt wird die SNB ein solches Kurzprotokoll veröffentlichen.
Schlegel hatte diese kommunikationspolitische Kehrtwende vor zwei Wochen in einem Referat im Tessin verkündet und begründet. Schon allein aus diesem Grund hat der Entscheid vom Donnerstag einen Platz in den Geschichtsbüchern verdient.