Gewisse Anzeichen hätte man erkennen können. Aber offenbar herrschte eine Art Casino-Stimmung, bei der man annimt, dass einem das Glück nie ausgeht. Die Schweiz hat in der Nachkriegszeit sehr lange sehr gut gelebt und eine eigene Denkkultur entwickelt – auch mit der Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. All das blieb lange aufrecht. Aber wenn man wollte, sah man schon, dass es abbröckelte.

«Ist der Konsens einmal weg, braucht es wenig, um das Haus zum Einstürzen zu bringen»

Und wenn der Konsens einmal weg ist, braucht es sehr wenig, um «das Haus» zum Einstürzen zu bringen. Das ist keine moralische Aussage. Das ist eine Risikomanagement-Überlegung – dass man sich auf andere Situationen vorbereitet.

Was hätte man anders machen sollen?

Es hat mich erstaunt, wie wenig Risikomanagement die grossen Schweizer Banken betrieben haben. Ich meine damit nicht Bilanzstruktur-Management, sondern Risikomanagement im Sinne von Fragen, wie sich der Finanzplatz über die Zeit verändern könnte, nicht nur rechtlich, sondern auch strategisch.

«Die Fähigkeit, sich auf etwas vorzubereiten ging diesen Führungsleuten ab»

Und da fand ich, dass die Schweizer Banken viel zu lange gezögert haben, nicht zuletzt dank der Unterstützung aus der Politik. Ich erinnere dabei nur an die Aussage vom damaligen Bundesrat Hans-Rudolf Merz, wonach sich das Ausland am Schweizer Bankgeheimnis die Zähne ausbeissen würde.

Worauf führen Sie diese Ignoranz zurück?

Da muss man enorm aufpassen, um nicht zu moralisieren. Aber ich denke, dass in den Jahren 2001, 2002 und 2003 sehr gut verdienende CEOs und Finanzchefs an der Spitze waren, die vor allem in guten Zeiten Erfolg hatten. Vielleicht ist es eine darwinistische Aussage, aber ich denke, dass jemand, der – biblisch gesprochen – in fetten Jahren zu Erfolg kommt, nicht wirklich weiss, wie es in weniger fetten Jahren zu und her geht. Die Fähigkeit, sich auf etwas vorzubereiten ging diesen Führungsleuten einfach ab, weil sie gar keine andere Realität gekannt hatten.

Kommt hinzu, dass sich ab den 1990er-Jahren auf den Chefetagen grosser Banken viele Händler und Investmentbanken tummelten, weil sie die grössten Ertragsgeneratoren waren. Zuvor herrscht noch eine andere Kultur, eine besonnere, langfristigere Kultur.

«In der Schweiz hatte man kein Gespür dafür»

Das ist weder gut noch schlecht, das ist einfach eine Tatsache, die ich in meinen Gesprächen mit den Banken immer wieder feststellen konnte, und wo man sich nie die Frage gestellt hat, was machen wir an dem Tag, wenn alles vorbei ist.

Auslöser der Krise rund um die Schweizer Banken waren am Ende die USA. Wie haben Sie diesen Showdown als Schweizer in den Vereinigten Staaten erlebt?

Am Anfang stand eigentlich das Bestreben der USA, Firmen wie Apple, die steuerlich im Ausland domiziliert sind, finanziell zu repatriieren und Offshore-Steuerzentren wie Delaware oder Nevada zu beseitigen. Es gab etliche Untersuchungen, bevor es mit der Schweiz wirklich losging. Das hat schon etwa 2003 angefangen. In der Schweiz hatte man dafür aber überhaupt kein Gespür.

Waren die Politiker schuld?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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