Zollstreit mit den USA: Geld heilt viele Wunden

In den letzten Jahrzehnten standen bei schweren aussenpolitischen Krisen oft die Schweizer Banken im Brennpunkt. Diese Episoden liefern wertvolle Denkanstösse, die zu einer realistischeren Einschätzung der Lage und der eigenen Handlungsmöglichkeiten unseres Landes im aktuellen Konflikt mit den USA führen könnten. Und für die Banken eröffnet sich die Chance, wieder einmal Teil der Lösung statt des Problems sein.

Es ist für einmal eine ganz neue Erfahrung, welche die Schweizer Banken zurzeit machen. Die USA üben starken Druck auf die Schweiz aus – und die Banken finden sich in der Rolle des unbeteiligten Zuschauers wieder.

Jahrzehntelang war das Muster ein anderes. Die USA (und andere Länder) benutzten die weltweit tätigen und daher exponierten Banken als Hebel, um der Schweiz sowie den Finanzinstituten Zugeständnisse (Vergleichszahlungen, Anpassungen im Steuerrecht und bei der Regulierung) abzuringen.

Die Kontroverse um die nachrichtenlosen Vermögen

Eine Episode, die sich bei der heute in Führungspositionen in der Politik und Wirtschaft gut vertretenen Generation tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat, ist die der Auseinandersetzung um die nachrichtenlosen Vermögen in den 1990er-Jahren. Es ging um den Umgang mit den Konten, die meist im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs von Ausländern bei Schweizer Banken eröffnet worden waren und die als «nachrichtenlos» galten.

Nach einer von Interessenverbänden wie dem Jüdischen Weltkongress und US-Politikern professionell orchestrierten Kampagne zahlten Credit Suisse und UBS 1998 1,25 Milliarden Dollar in einen Fonds «für Überlebende des Holocausts» ein (wobei sich die Suche nach genügend Anspruchsberechtigten später als ziemlich knifflig erwies). Hohe interne und externe Kosten verursachten der ganzen Bankbranche zudem die entsprechend akribisch durchgeführten Nachforschungen nach Konten.

Aber auch die offizielle Schweiz war (nicht nur über Steuerausfälle aufgrund tieferer Bankgewinne) involviert. Die ebenfalls unter Beschuss geratene Schweizerische Nationalbank (SNB) leistete im Oktober 1998 einen Beitrag von 100 Millionen Franken zu einem (anderen) Fonds für Opfer des Holocausts, und die Episode ist darüberhinaus entscheidend für das Verständnis der späteren Goldverkäufe der SNB.

Die Aufgabe des Bankgeheimnisses für Kunden im Ausland

Ein Lehrstück ist auch die Geschichte, die zur Aufgabe des Bankgeheimnisses für Kunden im Ausland führte. Das Bankgeheimnis wurde de facto 2009 mit der Lieferung von UBS-Kontendaten in die USA beerdigt (was später indirekt auch zum Fall der Bank Wegelin führte), aber das Fundament war schon in den Jahren zuvor insbesondere durch Zugeständnisse an die USA und die Instrumentalisierung der OECD als «Wächterin über einen fairen Steuerwettbewerb» mürbe geworden.

Kann die Schweiz aus diesen beiden, zumindest für den Finanzplatz traumatischen Erfahrungen mit Blick auf das richtige Verhalten im aktuellen Konflikt etwas lernen? Das wäre ein doch sehr hoher Anspruch, aber möglicherweise können sie zu einem Gewinn an Selbsterkenntnis sowie zu einer realistischeren Einschätzung der Lage und der eigenen Handlungsmöglichkeiten beitragen. Nachfolgend dazu einige Denkanstösse.

  • Bei der Kontroverse um die nachrichtenlosen Gelder und im Ringen um das Bankgeheimnis argumentierten die Angreifer stark mit moralischen Argumenten, die auch beim Schweizer Publikum teilweise auf sehr fruchtbaren Boden stiessen. Heute ist das anders: In der Schweiz finden sich kaum Unterstützer für die krude Zollpolitik des US-Präsidenten, der zumindest vom Vorwurf des Moralisierens gänzlich freizusprechen ist.
  • Das ist weniger selbstverständlich, als es klingt, denn das Verständnis des Wirtschaftsgeschehens als Nullsummenspiel («was der eine gewinnt, verliert der andere»), die letztlich hinter Trumps Zollpolitik steckt, ist auch hierzulande durchaus en vogue. Gemäss einer Umfrage der SRG, auf die kürzlich auch die «Weltwoche» hinwies, teilt etwa ein Drittel aller Schweizer diese (Un-)Logik.
  • Auch wenn es etwas simpel tönen mag: Letztlich ging und geht es in solchen aussenpolitischen Auseinandersetzungen meist doch ums liebe Geld. Die Schweiz muss sich darauf einstellen, dass dieser Druck in einer Zeit, in der ausländische Staaten mit hoher Verschuldung einen immer noch grösseren Finanzierungsbedarf für Infrastruktur, Verteidigung und Industriepolitik verspüren, weiter zunimmt.
  • Statt sich darüber zu beklagen, sollte die Schweiz diesen Umstand und ihre Finanzstärke nutzen – auch im Verhältnis zu Europa. Warum ein voluminöses Vertragspaket mit der EU schnüren, mit dem sich unser Land in innenpolitisch heiklen Bereichen de facto verpflichtet, EU-Recht zu übernehmen? Liessen sich die Schweizer Interessen nicht besser mit entsprechenden Zahlungen wahren, die man nicht wie heute als «Kohäsionszahlungen» verbrämen müsste?
  • Sowohl gegenüber den USA als auch der EU gilt aber, dass Geld allein nicht der Schlüssel ist. Die Schweiz muss quasi «flankierende Massnahmen» als glaubwürdige Drohkulisse entwickeln, um den Preis in Franken und mit Blick auf ihre staatstragenden Prinzipien auf einem erträglichen Niveau zu halten.
  • Im Fall der USA könnte dies z.B. der Verkauf von Treasuries durch die SNB sein (von fallenden Staatsanleihenkursen und damit steigenden Finanzierungskosten lässt sich sogar Trump beeindrucken). Bei der EU könnten das die Einführung von Grenzkontrollen (die eine wachsende Zahl von EU-Staaten ohnehin schon praktizieren) oder eine Suspendierung des Abkommens zur Personenfreizügigkeit sein, mit der Begründung, der zunehmende Dichtestress gefährde den nationalen Zusammenhalt. Die Schweiz muss wieder lernen, dass sie nicht à tout prix allzeit allseits beliebt sein muss.
  • Und für die Banken bietet sich die Chance, sich – ähnlich wie in der Coronazeit – sogar als Teil der Lösung der Krise zu präsentieren und damit das Image der Branche in der Öffentlichkeit aufzupolieren. Vor allem die im Firmenkreditgeschäft aktiven Institute könnten in den kommenden Monaten im Verkehr mit den von Trumps Zöllen gebeutelten exportorientierten kleineren und mittleren Unternehmen im Landesinteresse Nachsicht üben.