Der Mikrofinanz-Spezialist Blue Orchard wurde dieses Jahr Teil von Schroders. Weshalb er trotz der nun grösseren Kapazität manche Investoren vertrösten muss, erklärt Blue-Orchard-Chef Patrick Scheurle im Interview mit finews.ch.


Patrick Scheurle, seit diesem Jahr hält Schroders eine Mehrheitsbeteiligung an BlueOrchard. Zu welchen Veränderungen hat das geführt?

Schroders hat eine Mehrheitsbeteiligung an BlueOrchard, das Verhältnis ist aber partnerschaftlich. Wir werden weiter unter unserem eigenen Namen auf dem Markt präsent sein und bleiben in unseren Prozessen unabhängig. Der Hintergrund des Einstiegs von Schroders ist, dass Mikrofinanz und Impact Investing bereit dafür sind, auch Mainstream-Investoren anzuziehen. Gleichzeitig haben wir kein globales Netzwerk wie Schroders. Von diesem profitieren alle Stakeholder.

Was für Ziele haben Sie sich nun gesetzt?

Um die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen erreichen zu können, braucht es Trillionen. Es ist unrealistisch, das nur mit Steuergeldern oder Spenden zu finanzieren. Nur institutionelle Investoren haben genug Kapital, um diese Ziele erreichen zu können.

«Wir sind immer wieder von interessierten Playern angefragt worden»

Da sehen wir natürlich, dass unsere Partnerschaft mit Schroders sehr hilfreich sein kann. Wir als BlueOrchard könnten das vielleicht auch, aber ich weiss nicht auf welcher Zeitachse. Und ich glaube, bis wir das allein erreichen können, ist es für uns alle zu spät, um noch einen positiven Beitrag zu leisten.

Warum kam ausgerechnet Schroders zum Zug?

Für uns war zentral, dass es auch kulturell passt. Wir sind über die Jahre immer wieder von interessierten Playern angefragt worden, haben aber nie den Fit gesehen und auch nicht das notwendige Commitment zu nachhaltigem Investieren und Impact. Bei Schroders hat sich jetzt schon gezeigt, dass sie das ernsthaft umsetzen. Sie wollen den Bereich für Mainstream-Investoren zugänglich machen. Neben dem Impact ist es auch wichtig, dass die Teams zusammenarbeiten können und dass die Chemie stimmt. Wir haben nun schon intensiv ein paar Wochen zusammen verbracht und es zeigt sich, dass wir das gleiche Mindset haben. Das ist ein guter Grundstein für die weitere Zusammenarbeit.

Hatten Sie schon erfolgreiche Gespräche mit Investoren?

Insgesamt war die Erfahrung sehr positiv. Gerade Institutionellen ist eine gewisse Substanz wichtig. BlueOrchard hat sich erfolgreich entwickelt, wir hatten immer starkes Wachstum, wir sind ein hochprofessioneller Asset Manager – aber für Pensionskassen, die mehrere hundert Millionen Franken oder Dollar investieren wollen, doch nicht, was sie gern sehen wollen.

«Wir werden nie die Qualität kompromittieren»

Jetzt, mit Backing von Schroders, sieht die Situation anders aus. Diese Investoren fühlen sich komfortabel dabei, auch grössere Summen in Impact Investing zu investieren.

Haben Sie dementsprechend hohe Erwartungen?

Man kann schon erwarten, dass das Wachstum weiterhin über dem Marktdurchschnitt sein wird. Wir haben eine gute Ausgangslage dank dem Zugang zu einem globalen Netzwerk. Aber wir werden nie die Qualität kompromittieren. Darum haben wir auch beim Flagship-Fonds gerade ein «Soft Closing» gemacht. Weil wir gemerkt haben, dass die Inflows zu stark zugenommen haben. So können wir die Investitionen weiterhin so gut auf den Bedarf abstimmen wie in der Vergangenheit.

Was heisst das, ein «Soft Closing»?

Bestehende Investoren können weiterhin investieren, Neue nur auf Einladung. Sie müssen uns anzeigen, wieviel sie gern investieren würden und wir sagen, wann das möglich sein wird – vielleicht müssen wir das Geld über mehrere Monate verteilen, vielleicht einfach auf später im Jahr vertrösten.

«Vor 20 Jahren war das noch abenteuerlich»

Mit viel Liquidität ist niemandem gedient. Das ist schlecht für die Performance, für BlueOrchard und für künftige Investoren.

In der Mikrofinanz, dem Kerngebiet von BlueOrchard, hat Impact Investing seinen Anfang genommen. Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung in diesem Bereich?

Global sind die Entwicklungen sehr erfreulich. Mikrofinanz hat eine sehr lange Historie. Über Jahre hat sich der Bereich stark entwickelt und entsprechend professionalisiert. Vor 20 Jahren war das noch abenteuerlich, damals gab es nur wenige Investitionsmöglichkeiten. Die Märkte waren nicht so gut erschlossen, es gab wenig Research. Heute ist das eine hochprofessionelle Industrie. Dementsprechend ist sie auch entlang der ganzen Wertschöpfungskette hoch reguliert. Dieser Track Record natürlich für Investoren sehr relevant.

Welche Trends stechen im Bereich Mikrofinanz hervor?

Wir haben ja gewisse Institute von Tag eins weg finanziert. Die haben über die letzten 20 Jahre eine grosse Reise gemacht. Am Anfang waren viele davon NGO mit ein paar wenigen Angestellten; jetzt sind das grosse Institutionen, häufig mit Banklizenz und manchmal Tausenden von Mitarbeitern.

«Voraussichtlich wird 2019 ein Rekordjahr»

Eine wichtige Entwicklung für die Zukunft der Mikrofinanz ist die Technologie. Die Unternehmer profitieren zunehmend von Effizienzgewinnen. Ein zweiter Trend ist der hohe Professionalisierungsgrad mit zunehmender Regulierung. Davon profitieren Mikrounternehmer ebenso wie Investoren.

Wie läuft es denn für die Investoren?

Voraussichtlich wird 2019 in Bezug auf die Rendite für Investoren ein Rekordjahr. Wir sehen sehr wenig Ausfälle, was auch für die Professionalisierung spricht. Auch für die Institute ist das gut. Sie sind bereits wichtige Arbeitgeber, aber sie wachsen auch und schaffen immer neue Stellen.

Was heisst das, Rekordjahr?

In US-Dollar haben wir eine Rendite von etwa 6 Prozent erreicht.

«Mehr und mehr Investoren machen einen ersten Schritt hin zum Impact-Bereich»

Gleichzeitig waren die Ausfallquoten allgemein unter 1 Prozent. 2019 war auch in dem Sinn ein sehr guter Jahrgang, wir liegen hier unter dem historischen Vergleich.

Angesichts der herrschenden tiefen Zinsen sind das attraktive Renditen. Spüren Sie dementsprechend mehr Nachfrage von Investorenseite?

Die Nachfrage hat sicher auch 2019 zugenommen. Der lange Track Record, die professionellen Manager und die Produktgrössen machen es möglich, dass eine Pensionskasse heute mehrere hundert Millionen in diesem Bereich investiert. Dass es Mikrofinanz schon so lange gibt, hilft zudem, dass mehr und mehr Investoren damit einen ersten Schritt hin zum Impact-Bereich machen.

Was ist Ihr Urteil zur aktuellen Entwicklung in der Branche im Zusammenhang mit dem ESG-Hype?

Man muss zwischen ESG- und Impact-Investing unterscheiden. ESG ist vor allem «avoiding harm», Impact Investing ist ein wirklich positiver Beitrag zur Lösung eines Problems. Unsere grossen Themen sind Armutsbekämpfung oder Bekämpfung des Klimawandels. ESG ist daneben schon fast ein Hygienefaktor, ein Must.

«Wir sehen auch Gefahren»

Ich glaube, das ist ein Standard, um den man gar nicht mehr herum kommt. Für Investoren stellt sich die Frage, ob das reicht oder ob man noch mehr machen will – und dann kommt man schnell zum Impact Investing. Die ganze Bewegung, die man gesehen hat und noch sieht, wird als nächstes in Richtung Impact gehen. Investoren fühlen sich wohl mit ESG, möchten aber nicht nur Rendite, sondern aktiv einen Beitrag zur Lösung von Problemen leisten. Als Pionier in diesem Bereich ist diese Entwicklung für uns schön zu sehen.

Gibt es auch schwarze Schafe?

Wir sehen auch Gefahren. Viele wollen am wachsenden Markt teilhaben und schreiben sich ESG oder Impact Investing auf die Fahnen. Die Frage ist aber, ob auch wirklich ESG oder Impact drin ist. Zum Teil sind diese Firmen sehr seriös und mit der richtigen Einstellung und Substanz unterwegs. Zum Teil ist es aber auch Marketing pur. Das sehen wir als Risiko für den Markt. Unseriöse Anbieter können letztlich die ganze Industrie schädigen.


Patrick Scheurle ist seit 2016 CEO der im Mikrofinanzwesen tätigen Schweizer Firma BlueOrchard. Zuvor war er drei Jahre lang Chief Operating Officer (COO). Er stiess von der Bank Vontobel zu BlueOrchard, wo er im Bereich Corporate Business Development diverse Schlüsselprojekte verantwortete. In seiner Berufskarriere hatte er auch Führungsfunktionen bei der Credit Suisse inne. Er studierte Finanzwissenschaften an der Hochschule St. Gallen, wo er auch promovierte.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.79%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.31%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    15.49%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    45.63%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.78%
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