Eine robuste, antifragile Investitionsstrategie
Für langfristig handelnde Anleger empfiehlt es sich, auf Qualitätsaktien zu setzen, die von der Volatilität profitieren. Doch wie findet man diese? Rothschild & Co Wealth Management hat sieben Kriterien aufgestellt, die dabei helfen.
Von Beat Keiser, Manager des LongRun Equity Fonds von Rothschild & Co Wealth Management
Eine langfristig ausgerichtete Anlagestrategie sollte bei Unternehmen, in welche sie investiert, auf zwei wichtige, verbundene Aspekte achten: Robustheit und Antifragilität. Mithilfe der nachfolgenden Kriterien evaluiert das Fondsmanagement-Team von Rothschild & Co Wealth Management Aktien, die sich durch diese Merkmale auszeichnen.
Damit kann man von Wachstumschancen und Volatilität profitieren (konvexe Renditen) und vermeidet aufgrund der Stärke der Firmen permanente Kapitalverluste.
Schlanke, fokussierte und nachhaltige Geschäftsmodelle
Rothschild & Co sucht Unternehmen mit fokussierten und klaren Geschäftsmodellen, die manche vielleicht als etwas langweilig bezeichnen würden. Als langfristige Investoren präferieren wir Firmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen, die den «test of time» überstanden haben und die stärker aus «testing times» herauskommen.
Wir wollen Unternehmen, die gut geführt, aber nicht überoptimiert sind - denn letzteres führt oft zu versteckter Fragilität.
Ein Beispiel für unseren Ansatz ist Costco, die führende amerikanische Warenhauskette nur für zahlende Mitglieder. Ihr Geschäftsmodell ist sowohl sehr simpel als auch transparent, was eine fundamentale Analyse vereinfacht bzw. überhaupt erst möglich macht. Dies ist insbesondere im Retailsektor zentral, wo die langfristige Überlebens- und Erfolgsrate generell nicht berauschend ist.
Explizit vermeiden wir Unternehmen mit kommoditisierten und fragilen Geschäftsmodellen. Dies sind solche, die ihr Schicksal nur begrenzt selbst in der Hand haben und stark von externen Faktoren abhängig sind. Kommoditisierung ist relativ einfach zu erkennen. Beispiele hierfür sind Öl- und ähnliche Rohstoffunternehmen.
Deren Produkte sind kaum differenziert und der (Markt-) Preis der von ihnen angebotenen Produkte ist typischerweise das wichtigste Entscheidungskriterium seitens ihrer Kunden.
Und wenn dieser fällt, schlägt das überproportional auf die Gewinne durch, mit nur sehr begrenzter Fähigkeit zur Einflussnahme seitens der Hersteller. Höhere Rohstoffpreise führen typischerweise zu einer Erhöhung des Angebots, was dann die Preise und Gewinne drückt. Entsprechend sind die langfristigen Gewinnaussichten typischerweise gedeckelt.
Sinnvolle Diversifikation
Diversifikation auf Unternehmensebene ist ein wichtiger Faktor, um Fragilität zu vermeiden und Robustheit aufzubauen. Damit meinen wir nicht die Diversifikation in neue Geschäftsbereiche, ganz im Gegenteil. Wir wollen Unternehmen mit möglichst wenigen Geschäftsbereichen, innerhalb welcher sie aber dominant sind.
Diversifikation wollen wir auf anderer Ebene, nämlich geografisch, nach Währungen, Marken, Vertriebskanälen und Preispunkten. Dies macht ein Unternehmen robust.
Ein Beispiel hierfür ist l'Oréal, der klare Marktführer in der Kosmetikindustrie, mit etwa dreissig Marken und Tausenden von Einzelprodukten oder Gartner, der führende Anbieter von Insights und Tools für Manager, insbesondere im Bereich IT.
Auf Portfolioebene versuchen wir Doppelspurigkeit zu vermeiden und nur die wirklich besten Unternehmen zu halten. Und insbesondere keine, die wir als fragil bezeichnen würden, denn: Wir wollen investieren, nicht spekulieren.
Essentielle, nicht diskretionäre Produkte und Dienstleistungen
Essentielle, missionskritische Produkte und Dienstleistungen sind von entscheidender Bedeutung, wenn es um darum geht, die Robustheit und Durabilität eines Unternehmens zu beurteilen, denn solche sind nur sehr schwer aufzuschieben, zu substituieren oder ganz zu eliminieren.
Als Beispiel möge der Kauf eines neuen Autos dienen. Ein solcher ist höchst diskretionär und teuer, entsprechend brechen Neukäufe in Zeiten ökonomischer Schwäche drastisch ein (im Jahr 2020 zum Beispiel um mehr als 20 Prozent). Wenn Menschen dafür ihre «alten» Autos länger fahren, profitieren davon Ersatzteilhändler wie O'Reilly Automotive oder Autozone, denn der Ersatz defekter Komponenten wie Scheibenwischer, Motoröl oder Filter kann nur sehr begrenzt aufgeschoben werden.
Entsprechend sind diese Unternehmen während der globalen Finanzkrise 2009 oder Covid 2020 überproportional gewachsen. Diese Unternehmen bewähren sich ganz besonders in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten.
Hohe Margen und variable Kosten
Eines der besten Schutzschilder in Zeiten von Unsicherheit und wirtschaftlichem Rückgang sind hohe Margen. Idealerweise kommt noch ein hoher Anteil variabler Kosten, zum Beispiel für Personal mit einer hohen leistungsorientierten Komponente, dazu.
Dies erlaubt es einem Unternehmen, die Profitabilität besser zu verteidigen. Damit können Mittel freigesetzt werden, um gegenzyklisch zu investieren und mittel- und langfristig Marktanteile von Konkurrenten zu gewinnen, welche massiv auf die Kostenbremse drücken und Investitionen zurückfahren müssen.
Ein Paradebeispiel dafür ist Geberit mit operativen Margen von über 25 Prozent und einer schlanken Kostenstruktur. Dies hat es der Firma einmal mehr erlaubt, in der aktuellen Baukrise durch gezielte Investitionen Marktanteile von schwächeren Mitbewerbern zu gewinnen und profitabel zu wachsen.
Natürliches Hedging
Zentrale Kosten oder Produktionskapazitäten führen zu Fragilität, denn man ist dadurch geopolitischen sowie Währungs- und Tarifrisiken ausgesetzt. Die Absicherung gegen diese ist, wenn überhaupt, nur zu sehr hosten Kosten möglich. Ein ideales Unternehmen ist deshalb stark lokal verankert und produziert auch vor Ort. Für Unternehmen, die Dienstleistungen (und nicht physische Produkte) anbieten, ist dies natürlich einfacher zu bewerkstelligen.
Beispiele hierfür sind «People Businesses» wie Accenture oder daten- und wissensbasierte Firmen wie Moody's oder Relx, welche zwar zentral produzieren, aber lokal verkaufen bzw. ihre Dienstleistungen oftmals in harten Währungen wie dem US-Dollar oder EUR absetzen.
Geringe Verschuldung
Eine solide Finanzierung ist unabdingbar, wenn es darum geht, Krisen zu überstehen. Exzessive Verschuldung macht Firmen von ihren Kreditgebern abhängig. Bei der Betrachtung der Finanzierung sind unbedingt auch ungedeckte Pensionsverbindlichkeiten oder operative Leases zu berücksichtigen. Solche haben schon manch einem Retailer oder einer Airline das Genick gebrochen.
Firmen mit geringer Nettoverschuldung hingegen können sich in schwierigen Zeiten problemlos (re-) finanzieren und entsprechend antizyklisch investieren, Firmen zukaufen oder ihre eigenen Aktien zurückkaufen (leider sind viele Unternehmen hier viel zu prozyklisch).
Sie profitieren also von Optionalität. Kapitalallokation ist für den langfristigen Aktionärserfolg entscheidend, entsprechend sollte man sich hier alle Optionen offenhalten, auf soliden Bargeldbeständen sitzen und nicht die Bilanz «überoptimieren».
Skin und Soul in the game
In Sachen Unternehmensorganisation sind Dezentralisierung und Ownership entscheidend. Entscheidungsträger auf allen Stufen sollten befähigt sein, schnell zu agieren und Entscheidungen treffen zu können, falls und wenn sich Opportunitäten ergeben. Eine starke Zentralisierung und Mikromanagement gilt es dagegen zu vermeiden.
Wir suchen nach Managementteams mit langfristig orientierten Anreizen und sogenanntem «skin in the game». Noch besser ist «soul in the game», was der Fall ist, wenn Unternehmensführer auch emotional und nicht nur finanziell eng mit ihrem Unternehmen verbunden sind. Dies ist entscheidend, damit sie wie Eigentümer und nicht nur wie Manager denken und agieren. Unternehmen wie Costco oder Hermès sind Beispiele dafür.
Fazit
Die Strategie unseres LongRun Equity Fonds ist stark von den obigen Ausführungen geprägt. Dies lässt sich anhand folgender Punkte illustrieren:
• Über 80 Prozent der Portfoliounternehmen sind höchst fokussiert.
• Wir halten rund 25 Unternehmen, welche in insgesamt etwa 40 verschiedenen Geschäftsbereichen tätig sind. Mehr als die Hälfte davon sind auf einen einzigen Geschäftsbereich fokussiert.
• Mehr als 90 Prozent der Firmen bieten missionskritische Produkte und Services an.
• Im Gesamtportfolio ist die Profitabilität überaus hoch, mit einer Bruttomarge von 63 Prozent und einer operativen Marge von 31 Prozent.
• Wir halten nur eine Firma mit stark zentralisierter Produktion (GE Aerospace).
• Die Entlöhnung ist überwiegend an Kriterien, welche mit dem langfristigen Aktionärserfolg übereinstimmen, geknüpft.
• Auf Gesamtportfolioebene ist die Verschuldung mit nur 0.4x des EBITDA minimal.