Longevity Investing: Auf dem Weg zur 600-Milliarden-Dollar-Industrie

Frau Kupcova, die Longevity Investors Conference findet dieses Jahr bereits zum sechsten Mal statt. Wie ist sie entstanden? Was war die Grundidee?

Die Longevity Investors Conference entstand 2020 aus einer einfachen, aber sehr kraftvollen Erkenntnis. Wissenschaftliche Durchbrüche im Bereich Langlebigkeit gewannen an Dynamik. Doch die Investment-Community war noch nicht mit dieser Chance vertraut. Es gab keine globale Plattform, die sich ganz der Vernetzung von professionellen Investorinnen und Investoren mit Wissenschaft, Startups und Strategien widmete. Wir waren die Ersten, die diesen Schritt wagten. Das gesamte Konzept entstand durch eine einzigartige Zusammenarbeit mit unserem langjährigen Partner, dem Le Grand Bellevue in Gstaad. Von Beginn an teilte Inhaber Daniel Koetser unsere Vision und stellte uns die Location zur Verfügung. Heute ist es weit mehr als nur ein Veranstaltungsort: Es ist das Zuhause der Konferenz geworden.

Warum gerade die Schweiz und Gstaad?

Die Schweiz war die logische Wahl: Sie verfügt über renommierte Forschungsinstitute, ein starkes Medtech- und Biotech-Ökosystem und ein hilfreiches regulatorisches Umfeld. Zusammen mit der langen Tradition im Private Wealth und im Asset Management ergibt das ein perfektes Gesamtpaket. Und dann ist da noch Gstaad mit seiner einzigartigen Atmosphäre: die klare Bergluft, die Ruhe der Alpen, die perfekte Privatsphäre, eine Verbindung von Konzentration und Luxus...

«Bei Longevity Investors konzentrieren wir uns auf Private Markets.»

Wie hat sich die Konferenz von den Anfängen bis heute entwickelt?

Das Kernanliegen ist derselbe geblieben: Investoren im Bereich Langlebigkeit zu bilden, ihre Sprache zu sprechen und ihnen die relevantesten Themen zu liefern. Heute ist jedoch die Qualität des Publikums viel höher. Anfangs waren viele noch in der Entdeckungsphase. Jetzt verstehen sie genau, was wir bieten: Wir sind die einzige reine Investorenkonferenz für Langlebigkeit weltweit. Heute kommen Top-Investoren und führende Expertinnen und Experten nach Gstaad – das schafft eine herausragende Dynamik.

Longevity Investors
Lucia Kupcova, CEO von Longevity Investors, mit den Gründern Marc P. Bernegger (l.) und Tobias Reichmuth (r.). (Bild: zVg)

Also geht es nicht darum, grösser zu werden, sondern exklusiv zu bleiben?

Genau. Wir halten es bewusst intim – immer etwa 120 Teilnehmende. Qualität vor Quantität ist unser Motto. Wir müssen viele Interessenten  ablehnen, weil wir nur relevante Investoren zulassen. Unser Publikum ist international: Family Offices, institutionelle Investoren, VC-Fonds-Manager, führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Key Opinion Leaders und einige ausgewählte Startup-Gründer. Wir sind sehr selektiv – egal ob bei Speakern, Investoren, Partnern oder Startups. Alle im Raum sind da, um die Zukunft der Langlebigkeit sowohl aus Investment- als auch Innovationsperspektive aktiv mitzugestalten.

Und alle Speaker sind vor Ort?

Ja, das ist für uns sehr wichtig. Wir halten ein Verhältnis von einem Speaker auf drei bis vier Teilnehmende, was echten Zugang und Interaktion ermöglicht. Das ist ziemlich selten und eines unserer stärksten Alleinstellungsmerkmale.

«Auch die mentale Gesundheit und die Rolle von Psychedelika stehen auf dem Programm.»

Was sind die Highlights des diesjährigen Programms?

Wir starten mit Roundtable-Diskussionen, die von unseren Speakern geleitet werden, um einen intimeren, dialogorientierten Austausch zu fördern. Danach gibt es fokussierte Investor-Roundtables, bei denen sich die Teilnehmenden nach Geografie, Investment-Stage oder These vernetzen – das unterstützt den Dealflow und konkrete Kollaborationen. Dieses Jahr bringen wir zudem mutigere und auch kontroversere Themen. Zum Beispiel thematisieren wir Female Longevity, ein Bereich, der immer noch unterfinanziert und zu wenig diskutiert ist. Ein zentrales Highlight ist eine spezielle Session in Zusammenarbeit mit der XPRIZE Foundation, die von Peter Diamandis gegründet wurde. Deren Ankündigung eines neuen Awards für die Verdienste um die Verlängerung der weiblichen Gesundheitsspanne wird ein bedeutender  Meilenstein.

Welche weiteren «mutigen» Themen werden angesprochen?

Wir sprechen über die Entmystifizierung von gängigen Longevity-Irrtümern. Wir trennen klar zwischen Wissenschaft und Wunschdenken, beleuchten die ethischen und praktischen Grenzen von Human Enhancement und diskutieren die kühnsten «Moonshot»-Projekte im Bereich Longevity und deren Finanzierung. Auch die mentale Gesundheit und die Rolle von Psychedelika stehen auf dem Programm. Abseits der offiziellen Agenda passiert die wahre Magie oft bei informellen Aktivitäten und Wellness-Erlebnissen in Gstaad. Dabei entstehen echte Verbindungen und Partnerschaften.


Die eigentliche Magie passiert oft im informellen Setting. (Bild: zVg)

Können Sie ein paar Namen von Speakern verraten?

Wir haben Sergey Young, einen der bedeutendsten Investoren in diesem Bereich; Alex Aliper, President und Co-Founder von Insilico Medicine; Garri Zmudze, Managing Partner von LongeVC; sowie Vertreter von Maximon, die das Schweizer Longevity-Ökosystem verkörpern. Zum Speaker-Lineup gehören auch führende Wissenschaftler wie Aubrey de Grey, Anna Erat, Matt Kaeberlein oder João Pedro de Magalhães. David Gobel von der Methuselah Foundation wird auf der Bühne sein, ebenso Joe Betts-Lacroix von Retro Biosciences, einem von Sam Altman unterstützten Unternehmen. Wir haben auch Speaker wie Maddy Dychtwald, die sich speziell mit weiblicher Langlebigkeit befassen. Und es kommen noch ein paar Überraschungsgäste, die ich aktuell noch nicht verraten kann.

Wie sind Sie persönlich zum Thema Langlebigkeit gekommen?

Das geschah ganz natürlich. Ich war schon immer angetrieben von einer Vision für eine bessere Zukunft für alle, und Langlebigkeit betrifft jede Person auf diesem Planeten. Wir leben alle länger. Die Frage ist nicht, ob wir 80, 90 oder 100 werden, sondern wie wir diese zusätzlichen Jahre gesund und erfüllt verbringen.

Also geht es auch um Lebensqualität, nicht nur um Lebensdauer?

Genau. Durch die Longevity-Bewegung können wir den Fokus von «länger leben» zu «besser leben» verschieben. Das fasziniert mich zutiefst. Langlebigkeit ist längst nicht mehr nur eine Idee. Sie wird zu einem der transformativsten Sektoren unserer Zeit, was sie auch für Investoren interessant macht. Wir sehen Durchbrüche mit dem Potenzial, nicht nur die Lebenserwartung hochzuschrauben, sondern auch die Qualität, Vitalität und die sinnstiftende Nutzung der zusätzlichen Zeit.

«Die Investitionen in Longevity sind stark gewachsen: 2024 erreichten sie 8,5 Milliarden Dollar, 2025 erwarten wir rund 10 Milliarden. Das entspricht einem Wachstum von etwa 115 Prozent pro Jahr.»

Warum ist Langlebigkeit für Investoren heute so spannend?

Langlebigkeit ist kein aufkommender Trend, sondern ein regelrechter Boom. Ich sehe sie als fundamentalen Wandel, vergleichbar mit dem Aufstieg von KI. Bis 2050 wird sich die Zahl der Menschen über 60 voraussichtlich mehr als verdoppeln und 2,1 Milliarden weltweit übersteigen. Es geht nicht nur um Gesundheitsvorsorge, sondern um Lösungen für gesundes Altern, finanzielle Sicherheit und erfülltes Leben. Die Investitionen in Longevity sind stark gewachsen: 2024 erreichten sie 8,5 Milliarden Dollar, 2025 erwarten wir rund 10 Milliarden. Das entspricht einem Wachstum von etwa 115 Prozent pro Jahr.


Klare Bergluft und Ruhe in den Alpen: Konferentzeilnehmer in Gstaad. (Bild: zVg)

Und die Möglichkeiten gehen weit über Biotech hinaus?

Absolut. Wir sprechen über Präventionsmedizin, fortschrittliche Diagnostik, altersfreundliche Technologien, spezialisierte Finanzprodukte bis hin zu Immobilien, die auf ein aktives, längeres Leben ausgerichtet sind. Die sogenannte «Longevity Economy» soll gemäss Organisationen wie Deep Knowledge Group und Rotary International bis Ende 2025 über 600 Milliarden Dollar umsetzen.

Liegt der Fokus bei Longevity-Investments eher auf öffentlichen Märkten oder privaten Anlagen?

Longevity-Investing konzentriert sich heute immer noch stark auf private Anlagen. Die meiste Innovation passiert in frühen und Wachstumsphasen. Dort geschehen die spannendsten Durchbrüche, und Investoren können wirklich Einfluss nehmen. Es gibt zwar inzwischen einige ETFs und börsennotierte Unternehmen im Longevity-Bereich. Aber die öffentlichen Märkte noch nicht breit genug aufgestellt. Trotz dem definitiv wachsenden Interesse – vor allem von institutionellen Investoren – bleiben die Möglichkeiten derzeit noch begrenzt. Bei Longevity Investors fokussieren wir uns auf Private Markets, weil dort die entscheidenden wissenschaftlichen Fortschritte und disruptiven Geschäftsmodelle entstehen. Wir erwarten jedoch, dass mit der zunehmenden Entwicklung des Feldes auch die öffentlichen Märkte folgen. Kürzlich haben wir unsere Erkenntnisse zu den aktivsten Investoren im Longevity-Bereich offengelegt; die Zahl der Deals und das investierte Kapital wachsen stetig.

«Wir sind sehr selektiv – egal ob bei Speakern, Investoren, Partnern oder Startups.»

Wie sehen Sie die Beziehung zwischen Finanzindustrie und Longevity-Community, insbesondere bei Schweizer Privatbanken und Family Offices?

Es ist sehr spannend zu sehen, wie die traditionelle Finanzwelt – die oft eher konservativ unterwegs ist – heute proaktiv das Longevity-Thema aufgreift. Anfangs galt Longevity als Nische oder Moonshot, dem viele skeptisch gegenüberstanden. Das hat sich komplett verändert. Führende Finanzinstitute, in der Schweiz wie auch weltweit, starten mittlerweile Initiativen und Forschungsforen zum Thema Longevity. Kein zukunftsorientiertes Institut kann es sich leisten, das Thema zu ignorieren. Wir haben mit führenden Schweizer Privat- und Geschäftsbanken zusammengearbeitet. So waren die UBS und die CS in den letzten Jahren Partner. Maerki Baumann ist schon länger ein langfristiger Partner. Diese Institutionen nutzen unsere Konferenz, um das Feld zu erkunden, Kontakte zu knüpfen und Einblicke zu gewinnen. Das ist ein sehr positiver Wandel.

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«Einzigartige Zusammenarbeit»: Le Grand Bellevue Gstaad. (Bild: zVg)

Neben der Konferenz – was macht Longevity Investors sonst noch?

Wir entwickeln uns zu einer ganzjährigen Plattform rund um Longevity-Investments. Neben der Konferenz organisieren wir Events wie den Longevity Investors Lunch während des WEF in Davos. Nächstes Jahr findet bereits die fünfte Ausgabe statt. Wir kooperieren global, zum Beispiel mit der XPRIZE Foundation für den Investors Summit in New York. Zudem haben wir Longevity Investors News lanciert, um Investment-Trends und relevante Stories abzudecken. Und wir arbeiten an weiteren Partnerschaften, um unser Format auch in Asien und im Nahen Osten zu etablieren, wo das Interesse an Healthspan und Langlebigkeit schnell wächst.

Also bauen Sie eine globale Community auf?

Genau. Unser Ziel ist es, eine globale Community aufzubauen, die Kapital mit Innovation verbindet und die Zukunft des Longevity-Sektors aktiv mitgestaltet.


Lucia Kupcova ist CEO von Longevity Investors, wo sie die Strategie leitet und hochkarätige Treffen zwischen Investoren und Wissenschaft im Longevity-Bereich kuratiert. Mit umfangreichen Erfahrungen in Event-Strategie, Hospitality und Marketing hatte Lucia zuvor Führungsrollen bei BONARD inne und bringt über zehn Jahre Erfahrung in der Umsetzung internationaler Projekte mit. Sie ist leidenschaftlich daran interessiert, die Zukunft gesunden Alterns durch Partnerschaften und Investorenengagement mitzugestalten. Longevity Investors wurde 2020 von den beiden Schweizer Serienunternehmern Marc P. Bernegger und Tobias Reichmuth gegründet.