Zwölfstundentage im Akkord, über Wochen, Monate, manchmal Jahre. Irgendwann melden sich der Körper und die Seele. Dann ist es oft zu spät. Wie lässt sich dem vorbeugen?

Von Robert Wildi, freier Mitarbeiter


Verspannungen, Schmerzen, Abgeschlagenheit, Schlaf- oder Antriebslosigkeit sind die Vorboten dessen, was plötzlich akut werden kann. Wir leben im Burnout-Zeitalter. Die Zahl der entsprechenden Diagnosen, wenn auch nicht immer eindeutig definierbar, schnellt seit Jahren in die Höhe.

Zeit für ein Umdenken, das bereits stattfindet. Um es gar nicht so weit kommen zu lassen, gönnen sich immer mehr Berufsmenschen Auszeiten, die sie bewusst ihrer Gesundheit respektive Prävention widmen. Sogenannte Medical-Wellness-Angebote in Hotels und Kurhäusern boomen.

Per Definition sind damit gesundheitswissenschaftlich begleitete Massnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität und des subjektiven Gesundheitsempfindens gemeint. Tönt gut und tut offenbar einer immer jünger werdenden Klientel gut.

Zielgruppe: 35- bis 55-jährige Manager

«Die Nachfrage für Medical Wellness hat sich in den letzten Jahren tendenziell von ‹älteren Senioren› in Richtung ‹gestresste Berufsleute und Manager› verlagert», bestätigt André Aschwanden, Sprecher bei Schweiz Tourismus, wo das Segment «Health Traveller» ab 2020 im Sinne eines strategischen Wachstumsmarktes gezielt aufgebaut und beworben werden soll.

Die Schweizer Hotels und Kurhäuser mit Spezialisierung auf Medical Wellness haben ihr Angebot für diese Zielgruppe der 35- bis 55-Jährigen in den vergangenen Jahren spürbar ausgebaut. Besonders im Trend bei den Managern sind zum Beispiel Herz-Kreislauf-Untersuchungen und -Behandlungen, Programme über die Achtsamkeit («Mindfulness» und «Mind Balance»), zur Gewichtskontrolle sowie alle Arten von Detox-Angeboten.

Auffallend junge Kundschaft

Eine auffallend junge Kundschaft frequentiert zum Beispiel das Deltapark Vitalresort in Gwatt bei Thun. Als erster Betrieb der Schweiz hat es im angeschlossenen Gesundheitszentrum ein Gerät zur Messung der Herzratenvariabilität (HRV) eingeführt und stösst damit bei beruflich stark belasteten Männern auf eine rege Nachfrage.

Das Gerät misst Körperdaten wie Herzfrequenz, Fettanteil oder Blutdruck und kann mittels Scanning des vegetativen Nervensystems erkennen, ob jemand tendenziell Burnout-gefährdet ist oder nicht. Der Deltapark-Hoteldirektor Mirco Plozza ist bestrebt, dieses präventive Angebot noch stärker bei Firmen wie auch Krankenversicherungen zu positionieren. «Es gibt sogar die Möglichkeit, die Messungen auch ambulant und bei den Firmen selbst vorzunehmen.»

Angebot für gesunde Menschen

Eine wachsende Nachfrage bei der jüngeren, noch berufstätigen Zielgruppe stellt auch das Kurhotel im Park Bad Schinznach fest. «Der Umgang mit der individuellen Gesundheit ist gerade bei stark belasteten Berufstätigen bewusster geworden. Entsprechende Auszeiten werden auch in deren Umfeld besser akzeptiert als noch in früheren Jahren», sagt Daniel Bieri, Vorsitzender der Geschäftsleitung.

Das Hotel ist mit dem Gütesiegel «Medical Wellness & Spa» klassifiziert und hat in den letzten Jahren markant in den Ausbau entsprechender Infrastrukturen für die Prävention investiert. «Diese Angebote richten sich an gesunde Menschen und unterscheiden sich ganz eindeutig von unserer Rehaklinik.»

Gesundheitsurlaub und Lifestyle-Medizin

Immer mehr Manager auf «Gesundheitsurlaub» empfängt das Grand Resort Bad Ragaz mit seinem grossen Medizinischen Zentrum. «Dieser Trend widerspiegelt die heutige Gesundheits-Leistungskultur in unserer Gesellschaft», so Anita Basu, Direktorin des Medizinischen Zentrums Bad Ragaz. Die Gäste können sich ein individuelles Gesundheitsprogramm zusammenstellen lassen, das neben Check-Ups auch Detox-Einheiten oder spezifische Ernährungs- und Bewegungspläne beinhaltet. All das ist in Bad Ragaz Teil des «Medical Health Coaching».

Ebenso viel Bedeutung misst man vor Ort der sogenannten Lifestyle-Medizin bei. Sie beinhaltet Leistungen, die auf Prävention und Therapie von durch den oft gestressten Lebensstil der Manager bedingten Erkrankungen abzielen. «Es geht hierbei um Zivilisations- respektive Wohlstandserkrankungen, zu denen beispielsweise auch Übergewicht und Burnout gehören», sagt Basu. Gefragt seien in dieser Sparte vor allem Ernährungs- und Bewegungsmedizin sowie psychologische und soziale Massnahmen.

Zeit für Körpermessungen

Das Bewusstsein bei berufstätigen Menschen generell, gestressten Managern im Besonderen für die eigene Gesundheitsprävention wächst also. «Die Rückmeldungen aus den spezialisierten Hotels und Destinationen bestätigen uns diese eindeutig», erklärt Aschwanden von Schweiz Tourismus.

Dieses Bewusstsein weiter zu schärfen, ist auch Aufgabe der Branche. «Wir nehmen uns neben den Körpermessungen explizit Zeit, um Kunden geeignete Massnahmen aufzuzeigen und sie in der Veränderung eines womöglich problematischen Lebensstils zu bestärken», sagt Plozza vom Deltapark Vitalresort. Natürlich brauche es da die Einsicht, dass vollbepackte 60-Stunden-Wochen auf höchstem mentalem Belastungsniveau irgendwann zu Verschleiss führen müssen.