Finanzfragen und Fussball: Die zwei Welten des Kult-Reporters
Von Christoph Ammann
Ist das der gleiche Mann? Roland Hofmann sitzt auf den Medienplätzen im Stadion des FC Schaffhausen und beschreibt für die Hörer des Winterthurer Alternativradios Stadtfilter, wie der FC Winterthur in der zweiten Runde des Schweizer Cups den unterklassigen FC Schaffhausen mit 4:0 zerzaust. Der Fussballreporter schildert Eckbälle, Strafraumszenen und sogar ein Eigentor. Hofmann ist angetan vom Cup-Ausflug seines FC Winterthur, der in der Super League meistens verliert.
Am nächsten Tag steht Dr. Hofmann am Rednerpult in der Pädagogischen Hochschule Zürich und spricht vor 200 Zuhörenden im Rahmen der Vortragsreihe Finance Circle über die Rolle des US-Dollars als Leitwährung. Der Ökonom wirkt bei seinen rhetorischen Ausflügen in die globale Finanzpolitik so kompetent und präzise wie am Radiomikrophon. «Ja», bestätigt der 56-Jährige, «ich habe zwei Leben.» Eins besteht aus der Arbeit als Dozent der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), wo er seit 20 Jahren im Bereich Banking und Finance Studierende auf Bachelor- und Masterstufe begleitet, Vorlesungen hält, publiziert und forscht.
Experte für finanzielle Vorsorge
Roland Hofmann hat in politischer Ökonomie promoviert, er ist national bekannter Experte, wenn es um finanzielle Vorsorge geht. «Im Beruf lebe ich das Seriöse, Akademische und Strukturierte», sagt der Ur-Winterthurer, «daneben gibt es die Freizeit, in der ich zum Beispiel Fussballspiele fürs Radio kommentiere».
Hofmann lebt den Fussball, der in der sechstgrössten Stadt der Schweiz dank des basisorientierten FCW Kult ist und Menschen unterschiedlichster Prägungen ungeachtet der Resultate ins Stadion lockt. «Seit 45 Jahren besuche ich fast alle Heimspiele des FC Winterthur und viele Auswärtsspiele», sagt Hofmann.
Im Freiwilligendienst hinter dem Mikro
Seit September 2009 kommentiert er für Radio Stadtfilter, das alle FCW-Spiele in Liga und Cup über 90 Minuten live überträgt. Wie praktisch alle Stadtfilter-Mitarbeitende leistet Hofmann hinter dem Mikro Freiwilligendienst; mehr als ein SBB-Ticket oder eine Tankfüllung für die Fahrt zu einem Auswärtsspiel gibt das Budget nicht her.
Roland Hofmann hat selber als Junior und in unteren Ligen bei einem Quartierverein gespielt. Aber besonders wenn er mit seinem kongenialen Reporter-Partner Toni Gassmann, einem emeritierten Lehrer für Gestaltung und Kunst, im Einsatz ist, kann er den Dozenten nicht ganz verbergen: Während Gassmann voller Temperament die Spielzüge beschreibt, sich über unfaire Gegenspieler und Schiedsrichter ohne Fingerspitzengefühl ärgert, gibt Hofmann dazwischen den nüchternen Analytiker. Er ordnet das Geschehen ein und bilanziert. «Der Eindruck täuscht», wendet Toni Gassmann ein, «Roland ist nervöser als ich bei den Partien des FC Winterthur, vor allem wenn sich brenzlige Situationen im Strafraum des FCW ankündigen.»
Emotionen auf dem Platz, Psychologie beim Job
In einem Lokalradio sind Berichterstatter nicht zu absoluter Neutralität angehalten. Hofmann stimmt zwar gerne in die «Goal-Goal»-Rufe Gassmanns ein, ohne die Spiele aber durch die rein rot-weisse Brille zu sehen. Kritik muss sein in den Stadtfilter-Reportagen, etwa wenn der notorisch zu langsamen FCW-Verteidigung mal wieder ein gegnerischer Stürmer entwischt oder ein Offensivspieler im FCW-Dress einen schwachen letzten Pass spielt. Da rauschen dann Emotionen in die Live-Übertragungen, die seit dem Sendestart von Stadtfilter im März 2009 zum Programm gehören. «Fussball ohne Emotionen ist nicht denkbar, gerade auf der Schützenwiese, dem einzigen richtigen Fussballstadion im Kanton Zürich», sagt Roland Hofmann. «In meinem Beruf hingegen haben Emotionen nichts zu suchen.»
Er beschäftigt sich als ZHAW-Dozent vor allem mit Vermögenstrukturierungsfragen: Wie gehen die Leute mit ihrem Geld um, wie funktionieren Steuersysteme und die finanzielle Vorsorge? «Da spielt oft Psychologie mit», räumt der Wissenschaftler ein. «Gerade erforschen wir, weshalb sich Schweizerinnen und Schweizer zu wenig um ihre erbrechtliche Situation und die Vorsorgeplanung kümmern.»
Herzblut braucht es in beiden Welten
Hofmanns Welten in der Fachhoschule und im Stadion haben herzlich wenig miteinander zu tun. Aber dem Hobby-Reporter mit Kult-Status fällt doch noch was Gemeinsames ein: «Man muss gut reden können – bei Vorlesungen im Hörsaal, aber natürlich auch am Radiomikrophon. Und es braucht in beiden Welten Engagement, Herzblut und einiges an Vorbereitungsarbeit.»