Coach Corinna Busch hat sich durch mehrere Online-Portale gedatet. Mit dem Erlebten füllte sie ein Buch – und spricht nun mit finews.ch über Narzissten, die innere Leere der Ü40-Generation und die Zeit, die es für ein Date braucht.


Frau Busch, als Single Mitte 40 haben Sie beim Dating eine Menge schräger Stories erlebt – genug für ein ganzes Buch. Ist der Band als Warnung oder als Gebrauchsanleitung gedacht?

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil berichte ich humorvoll – obwohl mir häufig nicht zum Lachen zumute war – über meine zwölf Dates. Im zweiten Teil des Buchs beleuchte ich mit Psychologen die Frage, warum Online-Dating heute so erfolgreich ist, obwohl es für viele Menschen grosse Enttäuschungen bereithält.

Heben wir ein wenig den Vorhang: welches war ein besonders skurriles Treffen?

Ich nahm an, ich würde mich mit einem 49 Jahre alten Mann zum Dinner treffen. Als ich ins Restaurant kam und den Kandidaten erblickte, war mir schlagartig klar: der ist von 49 so weit weg wie ich von 39. Und so war es. Der Mann stand kurz vor seinem 60. Geburtstag.

«Online geschlossene Verbindungen verhindern echte Nähe»

Und dann bekam ich gleich am Anfang zu hören, was für ein unerhörtes Glück ich hätte, dass ich ihn treffen dürfe.

Sie haben ausgiebig mit Dating-Apps experimentiert, die gerade auch bei Bankerinnen und Bankern, die wenig Freizeit haben, sehr beliebt sind. Lassen Sie künftig die Finger davon?

Ich habe mich tapfer durch drei verschiedene Portale gearbeitet und für mich feststellen müssen, dass das einfach nicht meine Welt ist.

Warum sind dann Dating-Portale so erfolgreich?

Viele sind nur auf der Suche nach unverbindlichem Spass zur Stärkung ihres Egos. Die online geschlossenen Verbindungen sind bequem, unkompliziert und – ups, soll vorkommen – leicht zu multiplizieren. Und sie verhindern vor allem echte Nähe.

«Dicke Autos, Luxus-Uhren und Job-Beförderungen kann niemand geniessen, der innerlich leer ist»

Mit tiefen Emotionen haben viele Menschen heute oftmals Probleme. Das hängt damit zusammen, wie die Ü40-Generation, in Deutschland die Kriegsenkel, aufgewachsen ist.

Wer die Liebe sucht auf Dating-Portalen, findet also vor allem Narzissten?

Ein narzisstisch geprägter Mensch ist mit einem geringen Selbstwertgefühl ausgestattet. Auch dies hängt damit zusammen, wie er aufgewachsen ist. Obwohl viele eine gute Ausbildung abgeschlossen haben, konnten sie kein echtes Selbstbewusstsein entwickeln. Stattdessen meinen sie oft, nur durch Leistung und materiellen Wohlstand den Anspruch erheben zu können, anerkannt und geliebt zu werden. Doch dicke Autos, Luxus-Uhren und Job-Beförderungen kann niemand geniessen, der innerlich leer ist! Es ist natürlich viel einfacher, online ein gigantisches Bild von sich selbst zu zeichnen, als das bei einem persönlichen Treffen möglich wäre.

Beim ersten Treffen geht den aufgeblasenen Egos dann die Luft aus?

Wer mit einem gesunden, nicht narzisstischen Selbstwert ausgestattet ist, wird bei einem persönlichen Treffen keine Schwierigkeiten haben, sein Gegenüber auf charmante Art und Weise zu unterhalten und unter Umständen für sich zu begeistern.

Anders herum gefragt: Wenn Online-Dating mit Vorsicht zu geniessen ist – finden voll berufstätige Mittvierziger offline überhaupt noch Partner?

Man sollte sich vielleicht einmal ehrlich die Frage stellen, wie man eine erfüllte Beziehung führt, wenn man schon keine Zeit findet, jemanden kennenzulernen. Wir haben uns – trotz Berufstätigkeit – über Jahrhunderte im analogen Leben gefunden.

«Wer das versteht, fühlt sich als Single nicht einsam»

Eine Beziehung erfordert Zeit. Die sollte man sich auch nehmen, um einen Partner oder Partnerin kennenzulernen, zum Beispiel über sportliche oder kulturelle Aktivitäten.

Sie waren Redakteurin der Harald Schmidt Show, Sarkasmus ist für Sie demnach kein Fremdwort. Heute ist man dem Gegenüber oft kritisch eingestellt, die Ansprüche an Beziehungen sind extrem hoch. Doch ist es nicht viel schlimmer, einsam zu sein?

Ich kann hier nur für mich selbst sprechen. Ich bin niemandem per se kritisch gegenüber eingestellt und habe gelernt, dass kein anderer für mein Glück verantwortlich ist als ich selbst. Wenn man sich selbst nicht auf eine gesunde Weise liebt, warum sollte das dann ein anderer tun? Wer das einmal verstanden hat, fühlt sich auch als Single nicht einsam. Und je gelassener man mit dieser Haltung durch sein Leben marschiert, desto eher klappt es irgendwann mit einem neuen Partner.


Corinna Busch ist Juristin, PR-Managerin, Mental Health-Coach, ehemalige Redakteurin der Harald Schmidt Show und nun Autorin des eben erschienenen Buchs «Ein Dutzend Dates».